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3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

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staaten Geltung haben solle«. Zugleich<br />

wurde der Türkei Hilfe bei der Bekämpfung<br />

»illegaler Flüchtlinge« vor allem aus<br />

dem Nordirak zugesichert.<br />

Nicht ohne Stolz melden türkische<br />

Stellen Teilvollzug, obwohl bisher kein<br />

entsprechen<strong>des</strong> Abkommen geschlossen<br />

wurde: Allein in der <strong>Pro</strong>vinz Edirne, in<br />

der sich der einzige Landgrenzübergang<br />

mit Griechenland befindet, habe man<br />

im vergangenen Jahr 12.178 Flüchtlinge,<br />

die nach Griechenland ausreisen wollten,<br />

aufgegriffen, und 10.000 von ihnen umgehend<br />

in ihre Heimatländer abgeschoben<br />

(Meldung der halbamtlichen türkischen<br />

Nachrichtenagentur Anadolu vom<br />

8.1.1999). In den letzten drei Jahren<br />

wurden, türkischen Quellen zufolge, auf<br />

diese Weise allein 15.000 Iraker in<br />

den Nordirak zurückgeschoben. Ähnlich<br />

hoch dürften die Zahlen bei zurückgeschobenen<br />

Iranern und bei Menschen<br />

sein, die aus den ehemaligen Sowjetrepubliken<br />

geflohen sind.<br />

Angesichts der Zustände in dieser Stadt<br />

Handle ich so:<br />

Wenn ich eintrete, sage ich meinen Namen<br />

und zeige<br />

Die Papiere, die ihn belegen mit Stempeln, die<br />

Nicht gefälscht sein können.<br />

Wenn ich etwas sage, führe ich Zeugen an,<br />

für deren Glaubwürdigkeit<br />

Ich Belege habe.<br />

Wenn ich schweige, gebe ich meinem<br />

Gesicht<br />

Einen Ausdruck der Leere, damit man sieht:<br />

Ich denke nicht nach.<br />

So<br />

Erlaube ich, niemandem mir zu glauben.<br />

Je<strong>des</strong> Vertrauen<br />

Lehne ich ab.<br />

Dies tue ich, weil ich weiß: der Zustand<br />

dieser Stadt<br />

Macht zu glauben unmöglich.<br />

Dennoch geschieht es mitunter –<br />

Ich bin zerstreut oder beschäftigt –<br />

Daß ich überrumpelt werde und gefragt<br />

Ob ich kein Schwindler bin, nicht gelogen<br />

habe, nichts<br />

Bestimmtes im Schilde führe.<br />

Und ich<br />

Werde immer noch verwirrt, rede unsicher<br />

und verschweige<br />

Alles, was für mich spricht, sondern<br />

Schäme mich.<br />

Bertolt Brecht<br />

»Angesichts der Zustände in dieser Stadt«<br />

aus: »Gesammelte Werke«,<br />

Gedichte 1941- 1947, Werkausgabe,<br />

Edition Suhrkamp<br />

16<br />

Rechnet man die aus Edirne vorliegenden<br />

Zahlen auf alle türkischen Westprovinzen<br />

und die Metropolen Istanbul<br />

und Ankara hoch, in denen regelmäßig<br />

Razzien stattfinden, um »Illegale« aufzuspüren,<br />

dürfte die Zahl, wie die von<br />

der deutschen Ostgrenze gemeldete, die<br />

Hunderttausend erreichen. Im Gegensatz<br />

zu Deutschland und seinen östlichen<br />

Nachbarstaaten aber ist die Türkei in<br />

dem – für hiesige Innenminister – beneidenswerten<br />

Zustand, an keine internationalen<br />

Verträge gebunden zu sein.<br />

Denn die Genfer Flüchtlingskonvention<br />

wurde von der Türkei nur mit dem Zusatz<br />

ratifiziert, daß sie ausschließlich für<br />

europäische Flüchtlinge Geltung hat.<br />

Folglich können asiatische Flüchtlinge<br />

ohne lästige Restriktionen abgeschoben<br />

werden.<br />

Obwohl die türkische Regierung im<br />

letzten Jahr ausgiebig von den ihr zur<br />

Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch<br />

machte, scheinen den deutschen<br />

Behörden immer noch zu viele Flüchtlinge<br />

griechisches Hoheitsgebiet zu erreichen.<br />

Dabei sind sie auch in diesem Vorposten<br />

Schengen-Europas keinesfalls<br />

sicher. Vielmehr häufen sich Berichte,<br />

daß griechische Sicherheitsbeamte aufgebrachte<br />

Flüchtlingsschiffe aus der Türkei<br />

wieder zurückschicken, ohne den Betroffenen<br />

ein <strong>Asyl</strong>verfahren zu gewähren.<br />

Diese Praxis veranlaßte etwa amnesty international<br />

im letzten Jahr, eine schwere<br />

Rüge gegen Griechenland auszusprechen.<br />

Aus Kreta nämlich wurden ohne Verfahren<br />

aktive Mitglieder der PKK direkt wieder<br />

in die Türkei zurückgeschoben. Von<br />

einer ähnlichen Praxis berichten auch irakische<br />

Flüchtlinge, die teilweise bis zu<br />

fünf Mal versucht hatten, per Schiff auf<br />

eine griechische Insel zu gelangen und je<strong>des</strong>mal<br />

direkt wieder zurückgeschickt<br />

wurden. Unregelmäßig meldet selbst das<br />

griechische Militär derartige Erfolge,<br />

wenn nämlich die Marine in der Ägäis<br />

Flüchtlingsschiffe zur Umkehr gezwungen<br />

hat.<br />

Diese Vorgehensweise ist selbst nach<br />

den Schengen-Regularien, denen auch<br />

wohlwollende Geister nicht nachsagen<br />

können, flüchtlingsfreundlich zu sein,<br />

schlicht illegal. Daß diese Tatsache den<br />

Beamten <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>grenzschutzes in seiner<br />

Ratgebertätigkeit irgendwie beeinflussen<br />

wird, ist nicht anzunehmen. Vielmehr<br />

kann davon ausgegangen werden,<br />

daß die verbleibenden »Schlupflöcher«,<br />

die es trotz allem noch immer an der<br />

Südostgrenze der EU gibt, zukünftig »gestopft«<br />

werden sollen. Schon Kanther<br />

hatte 1997 eine Direktive ausgegeben,<br />

die auch unter der neuen Regierung ihre<br />

Gültigkeit bewahrt hat. Auf einer EU-<br />

Ratstagung forderte er, die Politik müsse<br />

»sich an dem Leitprinzip orientieren,<br />

dem Migrationsphänomen nahe am Ausgangsherd<br />

entgegenzutreten, wo es sich<br />

Irak<br />

7.435<br />

<strong>Asyl</strong>antragsteller 1998<br />

Herkunftsstaaten<br />

Insgesamt: 98.640 <strong>Asyl</strong>anträge<br />

8%<br />

Türkei<br />

11.754<br />

12%<br />

45%<br />

übrige Länder 44.776<br />

BR Jugoslawien<br />

34.979<br />

35%<br />

Quelle: BMI, Grafik: PRO ASYL<br />

noch im Zustand der Beherrschbarkeit<br />

befindet und somit effizienter zu bewältigen<br />

ist«.<br />

Daß bei dieser deutsch-griechischen Kooperation<br />

auch noch der letzte Rechtsschutz,<br />

den die Genfer Flüchtlingskonvention<br />

zumin<strong>des</strong>t theoretisch für die<br />

Betroffenen bietet, de facto außer Kraft<br />

gesetzt wird, scheint dabei niemanden zu<br />

stören. Im Gegenteil, indem man auch<br />

die Türkei zunehmend in die europäische<br />

Antiflüchtlingspolitik einbindet, ist eine<br />

unbürokratische Abwicklung <strong>des</strong> <strong>Pro</strong>blems<br />

gewährleistet. Zudem bleibt die<br />

Bun<strong>des</strong>regierung auf einem weiteren<br />

außenpolitischen Feld ihrem Versprechen<br />

treu, Kontinuität zu wahren.<br />

Der vorliegende Text ist mit geringfügigen<br />

Änderungen erschienen in jungle world Nr. 7.<br />

Thomas von der Osten-Sacken ist Mitarbeiter<br />

von wadi e.V., Verband für Krisenhilfe und<br />

solidarische Entwicklungszusammenarbeit,<br />

Frankfurt/M.

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