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3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

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Entscheidungen<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes 1998<br />

Insgesamt: 147.391<br />

Abschiebeschutz<br />

anerkannt 5.883 5.437 sonstwie<br />

4 4<br />

erledigt<br />

44.776<br />

62%<br />

abgelehnt 91.700<br />

30%<br />

Quelle: BMI, Grafik: PRO ASYL<br />

Ein weiteres Beispiel für Kontinuität:<br />

In Togo werden politisch aktive Oppositionelle<br />

»eingeschüchtert, bedroht, geschlagen,<br />

von ihrem Wohnsitz vertrieben,<br />

gefoltert, ermordet oder auf grausame<br />

Weise hingerichtet«. So steht es in einem<br />

Lagebericht <strong>des</strong> Auswärtigen Amtes vom<br />

24. September 1998. Am 30. November<br />

1998 wurden jedoch etwa 40 Togoer per<br />

Flugzeug in ihre Heimat abgeschoben –<br />

darunter auch politisch aktive Oppositionelle.<br />

Die Aktion wurde von mehreren<br />

Innenministerien von langer Hand vorbereitet.<br />

Beteiligt waren auch rot-grüne<br />

Lan<strong>des</strong>regierungen, wie diejenigen aus<br />

Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.<br />

Die Verantwortung trägt aber auch<br />

das Auswärtige Amt. Noch in der Woche<br />

vor der Abschiebung hatte die EU-Kommission<br />

alle Minister der Union aufgefordert,<br />

nicht mit der Regierung in<br />

Togo zusammenzuarbeiten. EU-Beobachter<br />

hatten bei der Präsidentschaftswahl<br />

im Juni massive Ungereimtheiten<br />

festgestellt. Diktator Eyadema, seit 31<br />

Jahren an der Macht, hatte sich zum<br />

Wahlsieger erklärt. Seither gehe das Regime<br />

erneut brutal gegen Oppositionelle<br />

vor. Dabei zeichne sich die Verfolgung<br />

vor allem durch »Unberechenbarkeit«<br />

aus, schreibt das Auswärtige Amt. Ungeachtet<br />

<strong>des</strong>sen unterstützt das Auswärtige<br />

Amt die Abschiebung. Auf ein <strong>Pro</strong>testschreiben<br />

von PRO ASYL hin wurde<br />

zugegeben, daß das Auswärtige Amt vom<br />

Vorbereitungsbesuch einer Delegation<br />

<strong>des</strong> BGS in Togo wußte. Und weiter:<br />

»Die von Ihnen genannte Entscheidung<br />

der Europäischen Union wurde vor dem<br />

Hintergrund der Manipulation bei den<br />

Präsidentschaftswahlen im Juni getroffen<br />

und betrifft allein die Entwicklungszusammenarbeit,<br />

nicht aber den Rückführungsbereich.<br />

Ich kann Ihnen versichern,<br />

daß sich alle Mitarbeiter <strong>des</strong><br />

Auswärtigen Amtes der hohen Verantwortung<br />

bei ihrer Arbeit gerade in dem<br />

menschenrechtlich besonders sensiblen<br />

Bereich der <strong>Asyl</strong>lageberichte bewußt<br />

sind.«<br />

Zur europäischen <strong>Asyl</strong>politik<br />

Im 1. Halbjahr 1999 hat Deutschland<br />

die EU-Präsidentschaft inne. Sowohl<br />

das Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern<br />

als auch das Auswärtige Amt haben die<br />

Federführung und könnten so neue Ansätze<br />

an eine europäische <strong>Asyl</strong>- und Migrationspolitik<br />

wenigstens in den Diskurs<br />

mit den Mitgliedsstaaten einbringen.<br />

1993 wurde das Grundgesetz geändert,<br />

am 14. Mai 1996 hat das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />

das geltende <strong>Asyl</strong>recht<br />

als verfassungskonform bestätigt und es<br />

als notwendige Grundlage bezeichnet,<br />

»um durch völkerrechtliche Vereinbarungen<br />

eine europäische Gesamtregelung<br />

der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit<br />

dem Ziel der Lastenverteilung in den beteiligten<br />

Staaten zu erreichen«. Nichts<br />

liegt näher, als daß Rot-Grün einen Vorstoß<br />

unternimmt und ein europäisches<br />

<strong>Asyl</strong>recht entwickelt, das auf der Grundlage<br />

der Genfer Flüchtlingskonvention<br />

seinen Namen verdient. Noch nicht<br />

einmal als Zielperspektive wurde dies<br />

im Koalitionsvertrag verabredet. Als<br />

Schwerpunkte einer harmonisierenden<br />

<strong>Asyl</strong>- und Migrationspolitik werden statt<br />

<strong>des</strong>sen genannt: »Bekämpfung illegaler<br />

Einwanderung – insbesondere Schleuserkriminalität<br />

–, gerechte Lastenverteilung<br />

unter Brücksichtigung der Kommissionsvorschläge,<br />

nachhaltige Bekämpfung der<br />

Fluchtursachen«. Bereits die Reihenfolge<br />

der Prioritäten hat Symbolwert. Sie entspricht<br />

denen der Kanther-Ära.<br />

Bilanz<br />

Vor allem von grünen Politikerinnen<br />

und Politikern war nach<br />

Abschluß <strong>des</strong> Koalitionsvertrages<br />

zum Teil zu hören, die Frage sei: Ist das<br />

Glas halb leer oder halb voll? Schon die<br />

Frage liegt neben der Sache. Denn bereits<br />

zum Zeitpunkt der Koalitionsvereinbarung<br />

war im Glas kaum etwas drin.<br />

Das Wenige wurde inzwischen auch noch<br />

verdünnt. Aber auch homöopathische<br />

Dosierungen haben schon manchen geholfen.<br />

Sie müssen aber verabreicht werden!<br />

Noch hat diese Regierung eine<br />

Chance verdient. Die nächsten Monate<br />

werden flüchtlingspolitisch zeigen, ob<br />

der rot-grüne Lack weiter bröckelt und<br />

dahinter ein faktisches Schwarz-Gelb zum<br />

Vorschein kommt oder ob die Chance,<br />

daß der Regierungswechsel einen Politikwechsel<br />

einleitet, doch noch besteht.<br />

Entscheidungen<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes 1998<br />

Ohne »Sonstige Erledigungen« 103.020<br />

13,5% geschützt:<br />

2,5% abgelehnt mit<br />

Abschiebungshindernis<br />

5,7% anerkannt als<br />

politische Flüchtlinge<br />

86,5%<br />

abgelehnt<br />

5,3% mit<br />

»kleinem <strong>Asyl</strong>«<br />

Quelle: BMI, Grafik: PRO ASYL<br />

Im Vergleich zur Kanther-Ära ist die Situation<br />

für die <strong>Asyl</strong>lobby jedenfalls<br />

ungleich schwieriger geworden. Damals<br />

gab es wenigstens noch eine Opposition,<br />

die – wenn auch nur in Teilbereichen<br />

– alternative Politikvorstellungen<br />

entwickelte. Heute zeichnet sich ab, daß<br />

die rot-grüne Bun<strong>des</strong>regierung eine erschreckende<br />

Kontinuität in bezug auf die<br />

Flüchtlingspolitik beweist und eine menschenrechtlich<br />

orientierte Oppositionspolitik<br />

im Deutschen Bun<strong>des</strong>tag kaum<br />

festzustellen ist. Der öffentliche Diskurs<br />

hat sich allein auf die Frage der doppelten<br />

Staatsbürgerschaft konzentriert. Eine<br />

Auseinandersetzung über die oft unmenschlichen<br />

Härten <strong>des</strong> <strong>Asyl</strong>verfahrens<br />

und die Notwendigkeit von Korrekturen<br />

findet nicht mehr in ausreichendem Maße<br />

statt. <strong>Asyl</strong> scheint zu einem Nichtthema<br />

der deutschen Innenpolitik geworden zu<br />

sein. Die Aufgabe von PRO ASYL und<br />

die in der <strong>Asyl</strong>arbeit Tätigen ist gigantisch:<br />

Aufdeckung von unmenschlichen<br />

Härten,<br />

Entwicklung konkreter Handlungsalternativen,<br />

Aufrechterhaltung der Visionen von<br />

Menschenwürde und Gerechtigkeit.<br />

Zugegeben: Die Chancen auf Veränderungen<br />

sind gering. Doch wer nicht<br />

kämpft, der hat schon verloren. Wir haben<br />

kaum eine Chance – also nutzen wir<br />

sie!<br />

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