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3 Grußwort des Vertreters des Hohen ... - Pro Asyl

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die katastrophale Unterbringungssituation,<br />

nicht aber das Verfahren ändern.<br />

PRO ASYL vertritt nach wie vor die<br />

Position, daß das Flughafenverfahren ersatzlos<br />

abgeschafft werden muß. Es ist<br />

unverantwortlich, daß unter extremem<br />

Fristendruck und in großer Hektik über<br />

Leib und Leben von Menschen entschieden<br />

wird, deren Glaubhaftigkeit schließlich<br />

von einem Einzelrichter beurteilt<br />

wird, der sie im Regelfall nie zu Gesicht<br />

bekommt. Auch das Flughafenverfahren<br />

ist ein Kind der SPD, wenn man sich die<br />

Verhandlungen zum <strong>Asyl</strong>kompromiß in<br />

Erinnerung ruft. Warum aber verweigert<br />

sich die rot-grüne Bun<strong>des</strong>regierung unterhalb<br />

dieser Ebene anderen Ansätzen<br />

einer Humanisierung?<br />

Muß es sein, daß weiterhin Minderjährige<br />

dem Flughafenverfahren unterworfen<br />

werden? Erst ein Erlaß <strong>des</strong> damaligen<br />

Bun<strong>des</strong>innenministers Kanther<br />

vom Juli 1994 hat dies so geregelt. Ein<br />

Federstrich <strong>des</strong> Ministers Schily würde<br />

genügen, diese unnötige Härte zu beseitigen.<br />

Es ist nicht einzusehen, daß Abschiebungshindernisse<br />

gemäß § 53 Abs.<br />

6 AuslG im Rahmen <strong>des</strong> Flughafenverfahrens<br />

nicht geprüft werden. Menschen<br />

dürfen nicht in lebensbedrohliche Situationen<br />

abgeschoben werden, ganz egal,<br />

ob sie nun juristisch als eingereist oder<br />

noch nicht eingereist gelten.<br />

Das sind keine rechtstheoretischen Erwägungen.<br />

Rot-Grün hat mit der Weigerung,<br />

die härtesten rechtlichen Aspekte<br />

<strong>des</strong> Flughafenverfahrens zu ändern, zu<br />

verantworten, daß im März 1999 beispielsweise<br />

ein 40jähriger Afghane, erklärter<br />

Talibangegner und für die Wartung<br />

von Kriegsflugzeugen der Anti-Taliban-Streitkräfte<br />

zuständig, nach Kabul<br />

abgeschoben wurde. Der Bun<strong>des</strong>grenzschutz<br />

sorgte sogar noch dafür, daß er in<br />

den Vereinigten Arabischen Emiraten ins<br />

Flugzeug der afghanischen Fluggesellschaft<br />

umgeladen wurde. Rot-Grün hat<br />

es zu verantworten, daß ebenfalls im<br />

März eine unterernährte Somalierin nach<br />

Äthiopien abgeschoben wurde, obwohl<br />

die Verdachtsdiagnose einer offenen Tuberkulose<br />

noch nicht abgeklärt war und<br />

die mittellose Frau in Äthiopien Medikamente<br />

und ärztliche Hilfe kaum erlangen<br />

kann.<br />

Zur sozialen Situation<br />

auf dem Flughafen<br />

Sowohl Bun<strong>des</strong>innenminister Schily als<br />

auch die Ausländerbeauftragte der Bun<strong>des</strong>regierung<br />

Marieluise Beck kritisierten<br />

im Dezember 1998 die untragbaren Unterbringungsverhältnisse.<br />

Die politisch<br />

nötige Konsequenz aus den langjährigen<br />

Mißständen wäre gewesen: Die Bun<strong>des</strong>regierung<br />

beendet die juristische Auseinandersetzung<br />

mit dem Land Hessen,<br />

wer die Kosten der Unterbringung von<br />

Flüchtlingen am Flughafen trägt und<br />

sorgt in eigener Regie für eine menschenwürdige<br />

Unterbringung. Die Realität:<br />

Die Einsetzung einer Arbeitsgruppe und<br />

die Fortführung <strong>des</strong> <strong>Pro</strong>zesses bis hin<br />

zum Bun<strong>des</strong>gerichtshof. Und dieser entschied<br />

im Februar 1999: Das Land Hessen<br />

sei weiter für die Kosten der Unterbringung<br />

und Versorgung von Flüchtlingen<br />

im Rahmen <strong>des</strong> Flughafenverfahrens<br />

zuständig. Die politische Konsequenz ist<br />

vorhersehbar: Rot-Grün wird nun von<br />

Ministerpräsident Koch eine menschenwürdige<br />

Unterbringung am Frankfurter<br />

Flughafen fordern. Ob sich nun in absehbarer<br />

Zeit etwas ändert?<br />

Die Liste <strong>des</strong>sen, was im Kompetenzbereich<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>ministeriums <strong>des</strong> Innern<br />

zu regeln wäre, ist lang. Aus Platzgründen<br />

wurden hier nur einige Beispiele dargestellt.<br />

Doch eines soll hier erschöpfend<br />

und umfassend dargestellt werden: die<br />

konkreten Änderungen. Das Ergebnis ist:<br />

Fehlanzeige – mit einer einzigen Ausnahme:<br />

Prallten früher die Positionen von<br />

PRO ASYL und dem BMI in der Öffentlichkeit<br />

unversöhnlich aufeinander, so<br />

gibt es nun immerhin einen Diskurs. Vertreter<br />

<strong>des</strong> BMI stellen sich bei Akademieveranstaltungen<br />

der Diskussion. Minister<br />

Schily lädt Vertreter von UNHCR, amnesty<br />

international, PRO ASYL und Verbänden<br />

zum Diskurs ein. Es ist zu früh,<br />

über die Ergebnisse zu urteilen. Doch eines<br />

muß deutlich formuliert werden: Gespräche<br />

sind kein Selbstzweck. Sie sollten<br />

zu Verbesserungen führen.<br />

Verantwortungsbereich<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>außenministers<br />

(Joschka Fischer)<br />

Der Flüchtlingsbereich sei einer der<br />

am härtesten verhandelten Bereiche<br />

der Koalitionsverhandlungen<br />

gewesen. So hieß es von verschiedenen<br />

Politikerinnen und Politikern von Bündnis<br />

90/Die Grünen. Nimmt man dies den<br />

grünen Regierungsmitgliedern ab, ist die<br />

Erwartung berechtigt und naheliegend,<br />

daß sich vor allem in dem Bereich etwas<br />

tut, in dem Grüne selbst zuständig sind:<br />

dem Auswärtigen Amt.<br />

Doch auch hier scheint Kontinuität<br />

Trumpf. Der notwendige Politikwechsel<br />

wurde auch im Auswärtigen Amt nicht<br />

eingeleitet. Von zentraler Bedeutung im<br />

<strong>Asyl</strong>verfahren sind die Lageberichte <strong>des</strong><br />

Auswärtigen Amtes. Diese weisen nach<br />

wie vor erhebliche Mängel auf. Mängel,<br />

die zum Teil wohl auch darauf zurückzuführen<br />

sind, daß abgeordnete Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes<br />

für die Anerkennung ausländischer<br />

Flüchtlinge in verschiedenen Deutschen<br />

Botschaften sitzen und an Lageberichten<br />

mitschreiben. Diese Mitarbeiter sind<br />

zwar nicht im rechtlichen Sinne verantwortlich<br />

für die Lageberichte, sie wirken<br />

aber an entscheidender Stelle mit. Diese<br />

skandalöse Praxis hat unter den Ministern<br />

Kanther und Kinkel begonnen und<br />

wird auch unter grüner Regie fortgesetzt.<br />

Die Lageberichte <strong>des</strong> Auswärtigen Amtes<br />

weisen im übrigen nach wie vor erhebliche<br />

Ungereimtheiten und Brüche auf.<br />

Nach zum Teil richtigen außenpolitischen<br />

Einschätzungen werden – wenn<br />

man dies überhaupt für die Aufgabe<br />

<strong>des</strong> Auswärtigen Amtes halten soll – fragwürdige<br />

Äußerungen zur <strong>Asyl</strong>relevanz<br />

getan. So heißt es im Lagebericht zur<br />

Bun<strong>des</strong>republik Jugoslawien vom 18.<br />

November 1998 (Außenminister Fischer<br />

war bereits im Amt)bezüglich der Flüchtlinge<br />

aus dem Kosovo: »Als inländische<br />

Fluchtalternative kommen vor allem<br />

Zentralserbien (hier insbesondere Belgrad)<br />

und Montenegro in Betracht.«<br />

Demgegenüber hat UNHCR bereits am<br />

29. Juni 1998 ausführlich die Situation<br />

im Kosovo analysiert und gefolgert: »Vor<br />

diesem Hintergrund gibt es aus Sicht <strong>des</strong><br />

UNHCR keine interne Fluchtalternative<br />

für Kosovo-Albaner in der Bun<strong>des</strong>republik<br />

Jugoslawien einschließlich Montenegro.«<br />

Der Hintergrund u.a.: Die<br />

Abschiebung von Kosovo-Albanern aus<br />

Montenegro nach Albanien. Die Konsequenz<br />

für Flüchtlinge: Mit Hinweis auf<br />

die angebliche inländische Fluchtalternative<br />

scheitern sie im <strong>Asyl</strong>verfahren.<br />

Besonders brisant ist nach wie vor die<br />

Situation in der Türkei. Der Flüchtlingsrat<br />

Niedersachsen hat eine Vielzahl von<br />

Fällen dokumentiert, in denen abgeschobene<br />

Flüchtlinge nach ihrer Abschiebung<br />

gefoltert wurden. Der Lagebericht vom<br />

18. September 1998 ging noch von der<br />

Einzelfalltheorie aus, sah also kein strukturelles<br />

Muster bei der Verfolgung Abgeschobener.<br />

Ein neuer Lagebericht, der aus<br />

Sicht von PRO ASYL zu einer grundlegenden<br />

anderen Einschätzung der Situation<br />

in der Türkei kommen müßte, steht<br />

aus. Immerhin heißt es in einem sogenannten<br />

Ad-hoc-Lagebericht vom 25. Februar<br />

1999, der sich allerdings auf eine<br />

einzige Seite beschränkt: »Angesichts der<br />

zur Zeit hoch emotionalisierten Atmosphäre<br />

im Zusammenhang mit der Inhaftierung<br />

Öcalans ist jedoch zu bedenken,<br />

daß ein erhöhtes Risiko einer<br />

besonderen Gefährdung für abzuschiebende<br />

Türken kurdischer Volkszugehörigkeit<br />

besteht.« Dieser vorsichtige Hinweis<br />

ändert an der Praxis kontinuierlicher<br />

Abschiebungen nicht das geringste.<br />

Die Länderinnenministerien sehen diese<br />

Kontinuität. In einem Erlaß <strong>des</strong> niedersächsischen<br />

Innenministeriums vom<br />

5. März 1999 heißt es: »Das Auswärtige<br />

Amt bestätigt seine bisherige Lageein-<br />

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