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Vortrag Jochen Reitnauer, Kompetenzen ... - Pro Qualifizierung

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<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong><br />

Conseiller en formation continue<br />

GIP FCIP Alsace / Académie de Strasbourg (Ministère de l’Education nationale)<br />

jochen.reitnauer@ac-strasbourg.fr<br />

<strong>Kompetenzen</strong> entwickeln und managen.<br />

Strategien und Perspektiven neuen Lernens in Nordrhein-<br />

Westfalen. Fachkongress am 31. Oktober 2005.<br />

11h15 –13h Europäische Impulse<br />

Inputreferat Frankreich :<br />

Qualifizierende Anerkennung beruflich und ausserberuflich<br />

erworbener <strong>Kompetenzen</strong><br />

Gliederung<br />

1 Das System der Qualifikationen in Frankreich<br />

2 Qualifizierende Anerkennung beruflich und ausserberuflich<br />

erworbener <strong>Kompetenzen</strong><br />

3 Anerkennungsverfahren und <strong>Kompetenzen</strong>twicklung/-management<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 1


Die Frage nach <strong>Kompetenzen</strong>twicklung und –managment ist im französischen<br />

Kontext besonders aktuell, da in Frankreich seit einiger Zeit Erfahrungslernen eine<br />

gleichwertige Komponente zu formalem Lernen ist.<br />

So ist gesetzlich festgeschrieben :<br />

„Jede Person, die mindestens seit drei Jahren in das Arbeitsleben eingetreten ist, hat das<br />

Recht, ihre beruflich, aber auch ausserberuflich erworbenen <strong>Kompetenzen</strong> anerkennen zu<br />

lassen, um einen Abschluss der beruflichen Bildung ganz oder teilweise zu erlangen…“ 1<br />

Um die aus dem französischen Bildungssystem entwickelten Ansätze verständlich zu<br />

machen, soll zunächst kurz das französische Qualifikationssystem beschrieben<br />

werden. Anschliessend wird das Verfahren zur Qualifizierenden Anerkennung<br />

beruflich und ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong> dargestellt. Abschliessend<br />

wird nach der Bedeutung im Hinblick auf Kompetenz-erwerb und –management<br />

gefragt.<br />

1.1. Das System der Qualifikationen in Frankreich<br />

Ein Qualifikationsrahmen in 5 Niveaustufen<br />

Das französische staatliche Bildungssystem beruht auf Qualifikationen /<br />

Abschlüssen‚ “Diplômes“, die auf 5 Niveaustufen angesiedelt sind. Die Stufe 1<br />

ist die höchste. Diese Stufen können vom Einzelnen durchlaufen werden. Im<br />

Rahmen des Lebenslangen Lernens ist das „Überspringen“ von Stufen<br />

möglich.<br />

Diese Grundstruktur der Qualifikationsstufen und Diplome gilt auch für die<br />

berufliche Bildung, die nicht auf einem „Berufs“-Konzept beruht. In der<br />

Arbeitswelt ist das Lohnniveau in aller Regel abhängig von der erreichten<br />

Qualifikationsstufe.<br />

Les niveaux de qualification Qualifikationsstufen<br />

Niveaux / Diplôme<br />

Funktion im Unternehmen<br />

I et II<br />

Diplômes d’ingénieur. Maîtrise. Licence.<br />

III<br />

DUT, BTS, Brevet de maîtrise.<br />

IV<br />

Baccalauréat.<br />

Brevet de technicien. Brevet professionnel<br />

V<br />

CAP<br />

BEP, Brevet de compagnon<br />

V bis<br />

Diplôme national de brevet.<br />

Certificat de formation générale<br />

VI<br />

Ingénieur. Cadre<br />

« Ingenieur ».<br />

Technicien supérieur. Grande maîtrise.<br />

« Meister »<br />

Technicien. Chef équipe.<br />

Ouvrier Hautement qualifié<br />

«Technikerr»<br />

Ouvrier professionnel<br />

employé<br />

« Facharbeiter »<br />

Ouvrier spécialisé<br />

« Angelernt »<br />

Sans spécialité /<br />

« Ungelernt »<br />

J.<strong>Reitnauer</strong> 2005<br />

1 Loi du 17 janvier 2002 de modernisation sociale, Übersetzung : JR.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 2


Enstprechung zu den deutschen Berufsqualifikationen<br />

Kürzlich hat eine deutsch-französische Erklärung festgelegt, dass die deutsche<br />

zweijährige Lehre mit der Stufe „V“ / (Diplom „CAP“) zu vergleichen sei, die dreijährige<br />

Lehre mit der Stufe IV (Diplom „Baccalauréat professionnel“), der Meisterbrief mit der<br />

Stufe III (Diplom „BTS“) 2 .<br />

Insgesamt geht die Entwicklung hin zu immer höheren Qualifikationen (1980-2002),<br />

aber hohe Zahl von Unqualifizierten :<br />

Zunahme der Zahl der „Bacheliers“ sowie der Zahl der Absolventen der nachgelagerten<br />

höheren Qualifikationen. Dennoch etwa 150.000 Abgänger ohne Qualifikation oder nur<br />

mit dem „brevet de collège“ der Mittelstufe (immerhin rund 20% eines Jahrganges).<br />

Folgende Zahlen belegen dies :<br />

Zahl der Absolventen (Schule und Erstausbildung) nach erhaltenem Diplom<br />

Quelle : MEN<br />

2 Gemeinsame Erklärung des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten<br />

im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit, der Bundesministerin für Bildung und<br />

Forschung der Bundesrepublik Deutschland und des Ministers für Bildung, Hochschulwesen und Forschung der<br />

Französischen Republik auf dem Gebiet der beruflichen Bildung übe die generelle Vergleichbarkeit von<br />

französischen Abschlusszeugnissen in der Berufsausbildung und deutschen Abschlusszeugnissen in der<br />

Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung sowie Schulrecht der Lânder.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 3


„Outputorientierte Bildungsstandards“<br />

Die Festlegung der Bildungsstandards und -inhalte sowie die Zertifizierung sind<br />

staatliche Aufgaben. Das Gros der Diplômes im beruflichen und technischen<br />

Bereich gehören zum Zertifizierungsbereich des Bildungsminsteriums -<br />

Ministère de l’Education nationale 3 .<br />

Jedes „Diplôme“ wird definiert durch einen « Référentiel » - also ein<br />

Referenzdokument, das die Inhalte des Abschlusses und die<br />

Prüfungsmodalitäten beschreibt. Das „Référentiel“ beruht auf der Beschreibung<br />

eines Berufsfeldes mit typischen Arbeitsinhalten sowie einer Referenzliste von<br />

nachzuweisenden <strong>Kompetenzen</strong>. Durch die Formulierung der Abschlüsse als<br />

national einheitliche Bildungsstandards ist das Gesamtsystem der beruflichen<br />

Bildung heute „outputorientiert“ : es kommt nicht mehr so sehr auf<br />

Bildungsdauer und den –weg an als vielmehr auf die erworbenen Kenntnisse,<br />

Fähigkeiten, <strong>Kompetenzen</strong>, die nachgewiesen werden können. Daher ist es auf<br />

allen Qualifikationsebenen möglich :<br />

o Die Bildungsdauer verkürzt zu bekommen<br />

o Prüfungen erlassen zu bekommen<br />

o Den Abschluss zu erwerben aufgrund des Nachweises, dass die<br />

verlangten Kenntnisse und <strong>Kompetenzen</strong> im Beruf oder ausserberuflich<br />

erworben worden sind.<br />

Verschiedene Nachweisverfahren existieren. Dabei ist es möglich<br />

Qualifikationsebenen zu „überspringen“, etwa von Stufe V direkt auf Stufe III<br />

zu gelangen.<br />

Zugangswege zur Qualifikation<br />

Die Qualifikationen der fünf Niveaustufen können über folgende Zugangswege<br />

erworben werden :<br />

o Erstausbildung (vollzeit-schulisch oder „alternierend“ mit „Lehrvertrag“)<br />

o Weiterbildung<br />

o Möglichkeit des Erwerbes einer Qualifikation durch die Anerkennung<br />

beruflich und ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong> (siehe unten)<br />

Die drei Wege führen also zum gleichen Abschluss.<br />

So kann etwa das BTS „Assistant de direction“ (Leitungs-Sekretariat) über diese Wege erlangt<br />

werden.<br />

3 Auf die branchenspezifischen Zertifikate soll hier nicht eingegangen werden.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 4


Chemins d’accès à la<br />

qualification<br />

Zugangswege zur <strong>Qualifizierung</strong><br />

Diplôme / Qualification (CAP, BEP, Bac pro, BTS, DUT,<br />

Licence professionnelle etc etc.)<br />

Formation scolaire<br />

Schulische Vollzeit-<br />

Erstausbildung<br />

= 75% des jeunes qui sont en<br />

formation professionnelle initiale /<br />

betreffen 75% aller Jugendlichen,<br />

die in Berufsausbildung sind<br />

Apprentissage<br />

Erstausbildung in « Alternance »<br />

mit Ausbildungsvertrag<br />

= 25% des jeunes qui sont en formation<br />

professionnelle initiale / 25% aller<br />

Jugendlichen, die in Berufsausbildung<br />

sind<br />

Formation Continue / Weiterbildung<br />

dont « contrat de professionnalisation »<br />

darunter auch : Arbeitsvertrag mit<br />

Qualifizerungsziel<br />

Validation des acquis de l’expérience<br />

VAE<br />

Qualifizierende Anerkennung beruflich oder<br />

ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong><br />

min. 3 ans d’expérience professionnelle /<br />

min. 3 Jahre Berufserfahrung<br />

J.<strong>Reitnauer</strong> 2005<br />

Vollschulisch<br />

Die Teilnehmer sind Schüler oder Studenten. Die Ausbildungen beinhalten benotete<br />

Pflichtpraktika in Unternehmen.<br />

„Lehrvertrag“<br />

Generell gilt, dass alle beruflichen Qualifikationen von Stufe V („CAP“, „BEP“) bis hin<br />

zu Ingenieursqualifikationen der Stufe I auch auf der Grundlage eines<br />

„Lehrvertrages“ zwischen einem Arbeitgeber und einem „Auszubildenden“ erworben<br />

werden können. Dabei muss als zweite Schiene ein Ausbildungszentrum besucht<br />

werden. Ein Viertel aller Jugendlichen, die eine berufliche Qualifikation anstreben,<br />

befinden sich in dieser „Alternance“.<br />

Weiterbildung<br />

Alle Qualifikationen können auch im Rahmen der Weiterbildung erworben werden.<br />

Zielgruppen sind v.a. Arbeitnehmer und Arbeitssuchende. Zahlreiche<br />

Finanzierungsmöglichkeiten und Massnahmen existieren (Umlagefinanzierung durch<br />

Unternehmensabgabe für Weiterbildung, Bildungsurlaub, etc.).<br />

Eine neue Einrichtung sind „Lycées des métiers“, ein Qualitätslabel für berufliche Schulen : Berufliche<br />

Sekundarschulen, die alle Qualifikationen eines Berufsfeldes von Stufe V (CAP) bis Stufe II (Licence<br />

professionnelle“) anbieten. Neben Vollzeitschülern sind die Zielgruppe Lehrlinge („apprentis“ /<br />

alternierende Bildungsschiene) sowie Erwachsene in Weiterbildung. Die erwerbbaren Abschlüsse sind<br />

für alle die gleichen. Neben Bildung besteht für diese Zielgruppen ein Beratungsangebot (siehe<br />

Schaubild).<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 5


Formation professionnelle Berufliche Bildung<br />

Le lycée des métiers Das « Lycée des métiers »<br />

Tous publics<br />

Zielgruppenmix<br />

• lycéens / Schüler (in<br />

Vollzeitausbildung)<br />

• apprentis /<br />

Auszubildende<br />

• étudiants / Studenten<br />

• salariés en formation<br />

continue / Weiterbildung<br />

• adultes en VAE<br />

Zielgruppen VAE<br />

Un lycée<br />

Un Label qualité<br />

- Ein Qualitäts-Label<br />

Acteur du<br />

développement local<br />

Offre de formation<br />

complète<br />

Vollständige<br />

Qualifikationspalette in<br />

einem Berufsfeld<br />

CAP =><br />

Licence<br />

professionnelle<br />

Lokaler Partner für<br />

wirtschaftliche und<br />

soziale Entwicklung<br />

J.<strong>Reitnauer</strong> 2005<br />

2. Qualifizierende Anerkennung beruflich und ausserberuflich erworbener<br />

<strong>Kompetenzen</strong> 4<br />

„Jede Person, die mindestens seit drei Jahren in das Arbeitsleben eingetreten ist, hat das<br />

Recht, ihre beruflich, aber auch ausserberuflich erworbenen <strong>Kompetenzen</strong> anerkennen zu<br />

lassen, um einen Abschluss der beruflichen Bildung ganz oder teilweise zu erlangen…“ 5<br />

Damit ist die Anerkennung beruflich oder ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong> ein<br />

eigenständiger Zugangsweg zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation, gleichwertig mit<br />

den bisher bestehenden Zugangswegen Erstausbildung und berufliche Weiterbildung.<br />

Potentiell sind alle Diplome, Abschlüsse, Zertifikate der beruflichen Bildung diesem neuen<br />

Zugangsweg geöffnet. Damit wird postuliert, dass Wissen auch ausserhalb des<br />

Bildungssystemes erworben und innerhalb des Bildungsysstemes anerkannt werden kann.<br />

Die „validation des acquis de l’expérience“ (VAE) ist ein individuelles Jedermannsrecht,<br />

das seit 2002 im Arbeitsgesetzbuch festgeschrieben ist und bereits seit 1992 in ähnlicher<br />

wenn auch eingeschränkterer Form bestand (validation des acquis professionnels) 6 . Der<br />

Bewerber muss zwei Zugangsvoraussetzungen erfüllen : seine Berufserfahrung muss<br />

mindestens drei Jahre umfassen ; die angestrebte Qualifikation muss sich auf diese<br />

Berufserfahrung beziehen. Beruflich und ausserberuflich erworbene <strong>Kompetenzen</strong> können<br />

anerkannt werden. Ein Abschluss kann teilweise oder sogar ganz anerkannt werden – ein<br />

Abschluss kann also ausschliesslich über das Nachweisverfahren erworben werden.<br />

4 dazu vertiefend : <strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong> : Erfahrungslernen als gleichwertige Komponente im Bildungssystem. Das<br />

französische System der qualifizierenden Anerkennung beruflich und ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong>,<br />

in Rothe, Georg : Alternanz - die EU-Konzeption für die Berufsausbildung : Erfahrungslernen Hand in Hand mit<br />

Abschnitten systematischer Ausbildung ; dargestellt unter Einbeziehung von Ergebnissen aus Ländervergleichen,<br />

Universitätsverlag Karlsruhe 2004, S.132-136.<br />

5 Loi du 17 janvier 2002 de modernisation sociale, Übersetzung : JR.<br />

6 Livre IX du Code du travail, ausserdem festgehalten im Code de l'éducation<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 6


Berufsbezogene Abschlüsse<br />

Das Nachweisverfahren variiert je nach zertifizierendem Ministerium. Prinzipiell gibt<br />

es zwei konkurrierende Modalitäten : Beobachtungsverfahren und „Dossier“-<br />

Ansätze.<br />

Das Arbeitsminsterium etwa hat für seine Qualifikationen Testsituationen erarbeitet<br />

– der Bewerber weist seine <strong>Kompetenzen</strong> in simulierten Arbeitssituationen nach, in<br />

denen er beobachtet wird 7 .<br />

Näher eingegangen werden soll hier auf das Nachweisverfahren des Ministeriums<br />

für Bildung und Erziehung. Die Grundlage liegt in der arbeitsfeld- und<br />

kompetenzorientierten Struktur der berufsqualifizierenden Abschlüsse<br />

(„Référentiel“) des Ministeriums, sozusagen der „Ausbildungsverordnungen“. Die<br />

Kernfrage ist : Kann der Kandidat die verlangten Arbeitsinhalte und <strong>Kompetenzen</strong><br />

nachweisen, d.h. hat er sie in seiner Arbeitspraxis zur Anwendung gebracht ?<br />

Dieser Nachweis basiert auf einer schriftlich zu erbringenden Beschreibung. Hier<br />

muss der Bewerber in einem detaillierten Fragebogen typische Tätigkeitssituationen<br />

beschreiben und analysieren. Leitfragen sind : Werden die im „Référentiel“<br />

verlangten Arbeitsinhalte abgedeckt ? Konnten die verlangten <strong>Kompetenzen</strong> zur<br />

Anwendung gebracht werden ? in welchen Arbeitssituationen ? etc.<br />

Prinzip<br />

Référentiel de diplôme (« Anforderunsgprofil » / « Ausbildungsverordnung »)<br />

Activité<br />

Compéténces +<br />

professionnelle<br />

Activité<br />

Savoirs Compétences associés+<br />

professionnelle<br />

Activité<br />

? Savoirs Compétences associés et<br />

professionnelle<br />

savoirs associés<br />

?<br />

?<br />

Nachweis<br />

Epreuves / Prüfung<br />

Epreuves / Prüfung<br />

Epreuves / Prüfung<br />

!<br />

Erlass<br />

Expérience / Erfahrung (beruflich + ausserberuflich)<br />

JR, Hattingen 2005<br />

7 Vgl. La validation des acquis de l’expérience en pratique, Actualité de la formation permanente, n° 182, janvierfévrier<br />

2003.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 7


Dieses Nachweisverfahren kann sich über mehrere Monate hinziehen. Der<br />

Bewerber kann sich dabei beraten und begleiten lassen : über die Machbarkeit der<br />

Anerkennung im Hinblick auf seine Berufserfahrung, aber auch bei der konkreten<br />

Analyse, der Verschriftlichung der Erfahrung.<br />

Die Anerkennungsentscheidung wird von einer Prüfungskommission getroffen, an<br />

der auch Berufsvertreter mitwirken. Aufgrund des Vergleichs zwischen vorgelegtem<br />

Material und den Anforderungen der jeweiligen Qualifikation kann die<br />

Prüfungskommission prinzipiell drei Entscheidungen treffen :<br />

1. Anerkennung der Gesamtheit der angestrebten Qualifikation, die Qualifikation<br />

gilt dann als erhalten.<br />

2. Anerkennung von Teilen der Qualifikation : teilweiser Prüfungserlass. Die<br />

erlassenen Prüfungen sind dem Bewerber auf fünf Jahre gutgeschrieben. Um<br />

den Abschluss zu erlangen, muss der Bewerber innerhalb dieses Zeitraumes<br />

die nicht erhaltenen Teilprüfungen auf traditionellem Wege ablegen.<br />

3. Ablehnung der Anerkennung<br />

Die Prüfungskommission kann den Bewerber ausserdem zu einem Gespräch laden,<br />

das der Vertiefung des bisher vorgebrachten Materials dienen soll.<br />

Einige Zahlen verdeutlichen die aktuelle Bedeutung der „VAE“ :<br />

Die „VAE“ in aktuellen Zahlen 8 :<br />

VAE : Anzahl der Antragssteller<br />

Jahr 2000 2001 2002 2003<br />

Antragssteller 4609 5377 7549 14374<br />

Steigerung zum Vorjahr 16,7% 40,4% 90, 4%<br />

VAE : Kandidaten nach Alter<br />

Alter 2002 2003<br />


VAE : Erlangte Abschlüsse (2003)<br />

Diplôme Anzahl<br />

Antragssteller<br />

Diplom<br />

gesamt<br />

Teilweise<br />

erhalten<br />

abgelehnt<br />

erhalten<br />

BTS 6168 45,4% 39,9% 14,7%<br />

Bac pro 2763 50,1% 41,0% 8,9%<br />

CAP 2013 62,8% 28,2% 9,0%<br />

Gesamt 12891<br />

(ohne Académie de<br />

Bordeaux)<br />

48,2% 39,7% 12,1%<br />

• 1997 hatten 22% der Kandidaten zum Zeitpunkt der Antragsstellung keinen Berufsabschluss,<br />

waren also unqualifiziert. 44% hatten bereits einen Berufsabschluss der geringsten<br />

Qualifikationsstufe, Stufe V; 32% der Kandidaten hatten sogar ein baccalauréat 9 .<br />

Diese Zahlen verdeutlichen, dass dieses Anerkennungsverfahren nicht die<br />

Erstausbildung verdrängt und auch nicht Jugendliche ohne Berufsabschluss<br />

anspricht. Vielmehr geht es um Erwachsene mit Berufserfahrung, die, ausgehend<br />

von einer geringen Qualifikationsstufe – jedoch meist schon mit einem<br />

Berufsabschluss –, einen Abschluss erwerben möchten, der auf einer höheren<br />

Qualifikationsstufe angesiedelt ist. Es handelt sich also um ein Instrument der Umund<br />

Weiterqualifizierung. Das Verfahren wird auch, in geringerem Umfang, von Unund<br />

Angelernten genutzt, die nach langjähriger Berufserfahrung einen<br />

Berufsabschluss nachholen möchten : 1997 waren immerhin 68% der Kandidaten,<br />

die einen Abschluss der geringsten Qualifikationsstufe V anstrebten, unqualifiziert.<br />

Das zeigt, dass die real ausgeübten Arbeitsinhalte und die in langjähriger<br />

Arbeitserfahrung erlangten <strong>Kompetenzen</strong> das ursprüngliche Qualifikationsniveau,<br />

also den Schul- und Ausbildungsabschluss, überholt haben.<br />

Universitäre Abschlüsse<br />

Die Möglichkeit zur Anerkennung beruflich und ausserberuflich erworbener<br />

<strong>Kompetenzen</strong> gilt auch für die universitären Abschlüsse 10 . Die Nachweisverfahren<br />

werden direkt von den Universitäten organisiert. Betroffen sind allle universitären<br />

Qualifikationsstufen bis hin zum Master.<br />

Die Universitäten zeigen sich allerdings im Herangehen insgesamt zögerlicher :<br />

VAE an der Universität (incl. CNAM) (2003) 11<br />

Anträge Positive Bescheide Davon Abschlüsse gesamt<br />

erhalten<br />

3919 2469 777<br />

9 Zahlen 1997 nach Ministère de l’Education nationale : Ministère de l’Education nationale, de la recherche et de<br />

la technologie, Direction de l’enseignement scolaire : Validation des acquis professionnels 1994/1997. Bilan et<br />

perspectives, novembre 1998, S.12-19.<br />

10 MEN, Bilan de la validation des acquis dans l’enseignement supérieur en 2003. Note d’information 05.03.<br />

www.education.gouv.fr/stateval.<br />

11 Ibid.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 9


Zudem ist es bereits seit 1985 auch möglich, durch ein Bewertungsverfahren der<br />

Vorerfahrungen und <strong>Kompetenzen</strong> folgende Anerkennungen zu erhalten 12 :<br />

• Verkürzung der Studiendauer : ein Antragssteller kann etwa direkt ins<br />

Hauptstudium eingestuft werden, wenn entsprechende Vorerfahrungen oder<br />

<strong>Kompetenzen</strong> nachgewiesen werden<br />

• Teilprüfungserlasse (etwa Erlass von „Scheinen“ etc.)<br />

So wurden etwa 2003 insgesamt 19.960 Anträge auf Zulassung oder<br />

Ausbildungsverkürzung gestellt und 14.930 positive Bescheide erteilt.<br />

3. Anerkennungsverfahren und <strong>Kompetenzen</strong>twicklung und -management<br />

Welche Auswirkungen hat nun das beschriebene Verfahren auf die in der<br />

Fachtagung diskutierte <strong>Pro</strong>blemstellung von Kompenzentwicklung und<br />

–management ?<br />

Potentielle Vorteile für Einzelne, Bildungsträger, Unternehmen<br />

Die Anerkennung beruflich und ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong> entspricht<br />

dabei einer Bildungs-Konzeption des lebenslangen Lernens, wobei es für den<br />

Einzelnen immer wieder Übergänge zwischen Arbeits- und Bildungsbiographie gibt.<br />

Die Bilanzen zeigen, dass das Anerkennungsverfahren die Erstausbildung nicht<br />

verdrängt, sondern im Gegenteil neue Zielgruppen an den Bildungsmarkt<br />

heranbringt: Erwachsene mit Berufserfahrung, die im Arbeitsleben de fakto<br />

<strong>Kompetenzen</strong> angesammelt haben, die ihre Erst-Qualifikation bei weitem<br />

überschreiten. Das Anerkennungssystem erlaubt es ihnen, sich höher zu<br />

qualifizeren, ohne lange Bildungsstrecken zu durchlaufen, in denen ihnen vermittelt<br />

wird, was sie „eh schon können“.<br />

Die „VAE“ ist damit potentiell ein Instrument zur angepassteren Konstruktion von<br />

Bildungsangeboten. Die verschiedenen Filter und Kontrollpunkte im<br />

Nachweisverfahren – von der Erstberatung, der Machbarkeitsanalyse bis hin zur<br />

Arbeitsanalyse und der Entscheidung der Prüfungskommission – tragen zur Qualität<br />

und Transparenz der Anerkennung bei.<br />

So unterstreichen Beobachter die möglichen Vorteile des Anerkennungsverfahrens<br />

auf drei Ebenen :<br />

• Für die Antragssteller : <strong>Qualifizierung</strong> mit geringeren Bildungsdauer und –<br />

kosten; soziale und berufliche Anerkennung mit eventuell höherer, der neuen<br />

Qualifikation entsprechende Entlohnung; Arbeitsplatzsicherheit, bei Mobilität mehr<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt.<br />

12 Ibid.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 10


• Für den Bildungsträger : Erschliessung neuer Zielgruppen, eine neue « Brücke »<br />

zwischen Bildungssystem und Entwicklung der Arbeitswelt, ein Weg zum<br />

lebenslangen Lernen, Lernerzentriertheit, Individualisierung und<br />

„massgeschneiderte Angebote“.<br />

• Ist die „VAE“ auch als individuelles Recht an einen individuellen Antrag und damit<br />

an das Einverstândnis des Antragsstellers gebunden, so kann sie doch auch von<br />

Unternehmen als ausgehandeltes Instrument zu <strong>Qualifizierung</strong> und<br />

Kompetenzmanagement eingesetzt werden. Stichworte sind auch hier :<br />

<strong>Qualifizierung</strong> der Arbeitnehmer und des Betriebes, geringere Bildungsdauer,<br />

Entwicklung von Arbeitsplatz- und Organisationsanalysen, Förderung von<br />

Mobilität und Motivation. Doch noch zeigen sich viele Betriebe abwartend, wohl<br />

oft aus Furcht vor der Forderung nach Gehaltserhöhungen 13 . Doch die Betriebe<br />

werden von manchen Beobachtern als der beste Vektor hin zu jenen schwach<br />

qualifizierten, bildungsfernen Arbeitnehmergruppen gesehen, die von dem<br />

Instrument „VAE“ potentiell profitieren dürften. Jedoch scheint es aus<br />

Unternehmenssicht angebracht, die „VAE“ als Instrument in eine globale<br />

Bildungsstrategie zu integrieren 14 .<br />

Auswirkungen auf das Bildungssystem<br />

Französische Beobachter sprechen von „tiefgreifenden Auswirkungen“ einer „stillen<br />

Revolution“ im Bildungssystem 15 . In der Tat sind einige der Systemparameter in<br />

Bewegung geraten :<br />

• Die Qualifikationsstruktur – Die nationale Zertifizierungs-Kommission hat sich<br />

nach ihrer Gründung durch das Gesetz zur Sozialen Modernisierung von 2002 an<br />

die Arbeit gemacht, die unübersichtliche Qualifikationslandschaft zu strukturieren,<br />

in Form einer nationalen online zugänglichen Qualifikations-Datenbank 16 . Jede in<br />

der Datenbank eingetragene Qualifikation muss in Verbindung mit den<br />

Berufsverbänden und Sozialpartnern erarbeitet worden und auch über die<br />

Anerkennung beruflich und ausserberuflich erworbener <strong>Kompetenzen</strong> zugänglich<br />

sein.<br />

• Das Netzwerk der Bildungs- und Berufsberatung öffnet sich neuen<br />

Zielgruppen und wird über die traditionelle Beratung in der beruflichen<br />

Erstausbildung auch mit <strong>Pro</strong>blemstellungen des Lebenslangen Lernens<br />

konfrontiert. Entsprechende integrierte Beratungsangebote werden aufgebaut und<br />

vor allem durch verstärkte Zusammenarbeit und Verzahnung der bestehenden<br />

13 Vgl. dazu François Leplâtre, « VAE et entreprises » sowie Nathalie Cognet, « La VAE : quels enjeux pour les<br />

entreprises ? », in Actualité de la formation permanente, n°195, mars-avril 2005, S.14-16 und 17-22.<br />

14 Ibid., S.20-22.<br />

15 In Actualité de la formation permanente, n°177, März-April 2002, S. 96.<br />

16 Siehe www.cncp.gouv.fr<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 11


• Die Struktur des Bildungsangebotes diversifiziert sich. Potentiell neu entsteht<br />

ein modularisierbares, individualisieres Bildungsangebot, um den Antragsstellern<br />

zu ermöglichen, die nicht erlassenen Teilqualifikationen zu erwerben. Zudem wird<br />

die Begleitung der Antragssteller im Kompetenz-Anerkennungsverfahren als<br />

Dienstleistung angeboten. Die Anerkennungsinstrumentarien werden in das<br />

Angebot an Bildung integriert, wobei auch weitere bestehende Instrumentarien<br />

wie der beratungsorientierte Bilan de compétence oder die Verkürzung der<br />

Bildungsdauern durch Nachweis der nötigen Vorerfahrungen – ohne Erlass von<br />

Teilprüfungen – verzahnt werden können.<br />

Evaluation / Zertifizierung kann so von Bildungs“gängen“ getrennt werden. Im<br />

Endeffekt ist nicht mehr wichtig, welchen Bildungsweg der Einzelne geht, sondern<br />

welche Kompetenz-Resultate dabei erzielt werden, wobei die jeweiligen Resultate<br />

evaluiert und « umgemünzt » werden können.<br />

<strong>Jochen</strong> <strong>Reitnauer</strong>, GIP FCIP Alsace – Fachtagung IfQ 31. Oktober 2005 12

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