Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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Podiumsdiskussion<br />
D. Ahnen: Die Ganztagsschule ist im Kern nichts an<strong>de</strong>res als ein<br />
neues Konzept <strong>de</strong>r individuellen För<strong>de</strong>rung. Da kann man auch <strong>de</strong>n<br />
englischen Begriff nehmen, aber im Prinzip meine ich mit <strong>de</strong>m Begriff<br />
‚individuelle För<strong>de</strong>rung’ nichts an<strong>de</strong>res. Wenn wir nicht von<br />
<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen ausgehen, von ihren Potenzialen,<br />
aber auch von ihren Problemen, und auf dieser Basis individuelle<br />
För<strong>de</strong>rpläne entwickeln, wenn es uns nicht gelingt, tatsächlich die<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen in <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>r Maßnahmen zu stellen<br />
und dabei auch Institutionengrenzen zu überschreiten, in<strong>de</strong>m<br />
wir die Eltern, die Jugendarbeit und Jugendbildung mit einbeziehen,<br />
dann wer<strong>de</strong>n wir nicht erfolg<strong>reich</strong> sein.<br />
Für solche Ansätze <strong>de</strong>r Öffnung aber auch <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von Individualität<br />
gibt es gute Beispiele. Ich will bewusst zwei ganz verschie<strong>de</strong>ne<br />
nennen und positiv herausstellen, ohne damit irgen<strong>de</strong>ine<br />
Schule in Rheinland-Pfalz zurücksetzen zu wollen. Das eine<br />
Beispiel ist die Goethe-Grundschule in <strong>de</strong>r Mainzer Neustadt, die<br />
einerseits versucht, sehr individuell mit <strong>de</strong>r großen Heterogenität<br />
<strong>de</strong>r Schülerinnen und Schüler umzugehen und an<strong>de</strong>rerseits als eine<br />
sehr offene Schule konzipiert ist, die ganz bewusst mit Kammern<br />
zusammen arbeitet, die sich ganz bewusst in ein Projekt ‚Soziale<br />
Stadt’ einbin<strong>de</strong>t, die ganz bewusst versucht, die sozialen Institutionen<br />
im Umfeld zu integrieren.<br />
Ein an<strong>de</strong>res Beispiel ist die regionale Schule in Sohren-Büchenbeuren<br />
im Hunsrück, die sehr überrascht davon wur<strong>de</strong>, von einem Tag auf<br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren einen sehr hohen Anteil an Kin<strong>de</strong>rn mit Migrationshintergrund<br />
zu haben – zeitweilig bis zu 60 % – und die von heute<br />
auf morgen eine völlig neue Struktur aufbauen musste. Dies hat<br />
sie in einem hohen Maße bewältigt, mit Unterstützung <strong>de</strong>r Jugendarbeit,<br />
aber auch durch eine ganz bewusste Politik, auf die Zuwan<strong>de</strong>rinnen<br />
und Zuwan<strong>de</strong>rer<br />
zuzugehen und sie in<br />
das pädagogische Konzept,<br />
übrigens auch als<br />
Lehrkräfte, mit einzubeziehen.<br />
Bei<strong>de</strong> Schulen sind<br />
inzwischen Ganztagsschulen,<br />
wodurch ich natürlich<br />
neue Chancen sehe, die<br />
heute angesprochenen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
zu bewältigen.<br />
Es gibt durchaus noch weitere<br />
positive Beispiele und<br />
‚Leuchttürme’, die sich<br />
durch ein hohes Maß an Individualität<br />
und ein hohes<br />
Maß pädagogischer Offenheit<br />
auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit an<strong>de</strong>ren Berufsgruppen<br />
auszeichnen.<br />
A. Becker: Das Stichwort Ganztagsschule passt sehr gut in unseren<br />
Diskussionsrahmen, <strong>de</strong>nke ich. Sie bietet an<strong>de</strong>re Möglichkeiten<br />
nicht nur für <strong>de</strong>n Unterricht in <strong>de</strong>r Schule, son<strong>de</strong>rn auch – sagen<br />
wir – für ein an<strong>de</strong>res Zusammenleben von Schülern und Lehrern.<br />
Vielleicht könnten Sie, Frau Ministerin, gleich anfügen, welche Chancen<br />
die Ganztagsschulen im Hinblick auf die Verbesserung <strong>de</strong>r Integration<br />
von Migrantenkin<strong>de</strong>rn und die För<strong>de</strong>rung von Vielfalt in<br />
<strong>de</strong>r Schule Ihrer Meinung nach bieten.<br />
D. Ahnen: Nun, ‚Diversity Management’ –<br />
in Ihrer Begrifflichkeit – bzw. individuelle<br />
För<strong>de</strong>rung – in meiner Begrifflichkeit – erfor<strong>de</strong>rt<br />
natürlich Zeit in <strong>de</strong>r Schule. Wenn ich<br />
bewusst die positiven Ressourcen aufnehmen<br />
will, die z.B. Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund in unsere Schulen einbringen,<br />
dann brauche ich Zeit, um das aufzunehmen.<br />
Genauso wie ich Zeit brauche, um<br />
zusätzliche För<strong>de</strong>rangebote zu machen in <strong>de</strong>n<br />
Be<strong>reich</strong>en, in <strong>de</strong>nen es Defizite gibt. Es liegt<br />
auf <strong>de</strong>r Hand, dass die Ganztagsschule dazu<br />
viel mehr Möglichkeiten bietet. Deswegen<br />
werbe ich gera<strong>de</strong> auch bei <strong>de</strong>n Eltern von<br />
Kin<strong>de</strong>rn mit Migrationshintergrund, dass sie<br />
die Chancen <strong>de</strong>r Ganztagsschule mit ihren erweiterten<br />
Angeboten nutzen. Aber auch die<br />
Ganztagsschule muss die Chance nutzen, im<br />
Rahmen dieses erweiterten Zeitraums tatsächlich<br />
eine neue Lehr- und Lernkultur zu<br />
entwickeln, die ganz bewusst Unterschiedlichkeit<br />
zulässt und diese nicht so sehr als<br />
Problem son<strong>de</strong>rn als Chance empfin<strong>de</strong>t. Das<br />
ist für die Schule eine immens große Umstellung.<br />
Ein weiterer Vorteil <strong>de</strong>r Ganztagsschule<br />
ist, dass man viel mehr als in <strong>de</strong>r<br />
Halbtagsschule die Chance hat, an<strong>de</strong>re außerschulische<br />
Gruppen mit einzubeziehen. Es<br />
ist dann eben kein Problem, ganz bewusst<br />
auch Sozialarbeiter o<strong>de</strong>r Sozialarbeiterinnen<br />
in <strong>de</strong>r Schule haben zu wollen.<br />
Es ist dann kein Problem,<br />
zum Beispiel ein Kooperationsprojekt<br />
mit <strong>de</strong>m Ausbil<strong>de</strong>r<br />
eines Betriebs zu machen,<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
zu einem viel früheren<br />
Zeitpunkt Berufsorientierung<br />
nahe bringt. Insofern<br />
hoffe ich, dass aus <strong>de</strong>r<br />
Ganztagsschule neue positive<br />
Ansätze entstehen, die<br />
dann auch in die Halbtagsschule<br />
hinein <strong>reich</strong>en.<br />
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