Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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Podiumsdiskussion<br />
Ich will nun einige Hauptergebnisse von PISA<br />
und IGLU in aller Kürze zusammenfassen: ein<br />
großer Fortschritt von PISA und IGLU ist, dass<br />
formal bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund nicht mehr auf <strong>de</strong>n<br />
auslän<strong>de</strong>rrechtlichen Status abgestellt wird,<br />
was lange Zeit in <strong>de</strong>r Statistik und damit auch<br />
in <strong>de</strong>r Diagnose und Analyse <strong>de</strong>r Fall war,<br />
son<strong>de</strong>rn dass tatsächlich <strong>de</strong>r Migrantenstatus<br />
<strong>de</strong>finiert wor<strong>de</strong>n ist. Dadurch haben wir<br />
erstmals Zahlen, die eine ganz an<strong>de</strong>re Größenordnung<br />
er<strong>reich</strong>en als früher, als wir über<br />
eine viel kleinere, über <strong>de</strong>n auslän<strong>de</strong>rrechtlichen<br />
Status <strong>de</strong>finierte Gruppe gesprochen<br />
haben. Jetzt sagen uns PISA und IGLU,<br />
dass wir in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
einen Bevölkerungsanteil von ungefähr 25 %<br />
haben, bei <strong>de</strong>m ein Elternteil nicht in<br />
Deutschland geboren ist – so lautet die Definition<br />
<strong>de</strong>r Studien.<br />
PISA und IGLU machen damit <strong>de</strong>utlich, dass<br />
es um eine sehr viel größere, aber auch um<br />
eine sehr viel differenziertere Gruppe geht.<br />
PISA und IGLU haben zu<strong>de</strong>m gezeigt, dass<br />
in keinem an<strong>de</strong>ren Land die <strong>Bildung</strong>serfolge<br />
und die <strong>Bildung</strong>sbeteiligung in einem so hohen<br />
Maße von <strong>de</strong>r sozialen Herkunft abhängen.<br />
Dahinter verbirgt sich auch die doppelte<br />
Benachteiligung über die soziale Herkunft<br />
und <strong>de</strong>n Migrantenstatus.<br />
Wenn wir über die Gruppe <strong>de</strong>r Risikoschülerinnen<br />
und Risikoschüler re<strong>de</strong>n, die viel größer<br />
ist als wir früher angenommen haben –<br />
bei PISA, also in <strong>de</strong>r Sekundarstufe I, sind<br />
es 20 %, bei IGLU 10 % –, dann re<strong>de</strong>n wir<br />
also vor allem über eine Gruppe von sozial<br />
benachteiligten Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen,<br />
aber auch über eine große Gruppe von Personen<br />
mit Migrationshintergrund. Welche<br />
Konsequenzen folgen daraus? Ich meine, <strong>de</strong>r<br />
Grundansatz liegt darin zu sagen, wir brauchen<br />
erstens eine sehr, sehr frühe För<strong>de</strong>rung<br />
– Stichwort ‚Kin<strong>de</strong>rtagesstätte’. Zweitens benötigen<br />
wir eine Pädagogik, die nicht primär<br />
an Defiziten ansetzt und sagt ‚das und das<br />
müsst ihr alles lernen’, son<strong>de</strong>rn die es schafft,<br />
die positiven Ressourcen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wahrzunehmen.<br />
Dabei muss auch anerkannt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass die <strong>de</strong>utsche Sprache zwar ein<br />
wesentliches Mittel <strong>de</strong>r Integration ist, jedoch<br />
nicht als ‚Entwe<strong>de</strong>r-O<strong>de</strong>r’-Konzept. Vielmehr<br />
müssen die vorhan<strong>de</strong>nen Fähigkeiten und<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r positiv aufgenommen<br />
und ergänzt wer<strong>de</strong>n. Das gilt sowohl für<br />
die Kin<strong>de</strong>rtagesstätte – wo interkulturelle<br />
Kompetenz zum zentralen Element wird – als auch für die Schule,<br />
wo es aus meiner Sicht keinen Zweifel an <strong>de</strong>r Notwendigkeit gibt,<br />
die <strong>de</strong>utsche Sprache zu erlernen – aber verbun<strong>de</strong>n mit einer positiven<br />
Aufnahme und nicht in Abgrenzung zu vorhan<strong>de</strong>nen Möglichkeiten.<br />
Sie kennen meine immer wie<strong>de</strong>r geführten Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
über das rheinland-pfälzische Konzept: muttersprachlicher Unterricht<br />
plus spezielle Deutsch-För<strong>de</strong>rangebote bzw. das dagegen gestellte<br />
Konzept, <strong>de</strong>mnach das Erlernen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache<br />
muttersprachliche Elemente ersetzen soll. Wir versuchen einen Weg<br />
zu gehen, <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> Komponenten – die Ressourcen, die die Kin<strong>de</strong>r<br />
besitzen, aber auch die ganz bewusste För<strong>de</strong>rung in neuen Lernbe<strong>reich</strong>en<br />
– aufnimmt.<br />
Ich sehe – das ist meine abschließen<strong>de</strong> Bemerkung – nach PISA<br />
und nach IGLU eine große, in diesem Maße zuvor nicht gesehene<br />
Chance, dass die Einsicht in die Notwendigkeit individueller<br />
För<strong>de</strong>rkonzepte wächst – auch jenseits <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Durch PISA und IGLU haben<br />
wir eine ganz an<strong>de</strong>re Diskussion über individuelle För<strong>de</strong>rung in<br />
<strong>de</strong>r Schule und wir wissen, dass es nicht <strong>reich</strong>t, Kin<strong>de</strong>r mit<br />
Migrationshintergrund zu för<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn dass die Pädagogik<br />
insgesamt gefragt ist, mehr individuelle För<strong>de</strong>rkonzepte zu entwickeln,<br />
die dann insbeson<strong>de</strong>re auch Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund zu Gute kommen.<br />
A. Becker: Dies bringt mich auf das Stichwort ‚Diversity Management’.<br />
Brauchen wir so etwas wie „Diversity Management“ in <strong>de</strong>r<br />
Schule? Wir re<strong>de</strong>n über Vielfalt, die Diskussion trägt <strong>de</strong>n Titel ‚Wie<br />
kommt die Vielfalt in die Schule?’. Die Vielfalt in <strong>de</strong>r Schule, die<br />
Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen mit Migrantenstatus, sind faktisch ja da.<br />
Die Problematik liegt offenbar eher beim Management, bei <strong>de</strong>n pädagogischen<br />
Konzepten, <strong>de</strong>n strukturellen Fragen. Gibt es eine Diskussion<br />
über, Diversity Management in <strong>de</strong>r Schule’? Gibt es Konzepte<br />
o<strong>de</strong>r vielleicht ein Beispiel, wo dies in einer Schule schon<br />
ausprobiert wur<strong>de</strong>?<br />
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