Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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„Bin Immigrant, biete Vielfalt“<br />
Tarek Badawia<br />
b) Selbstverortung im transkulturellen<br />
Überbau<br />
Die Orientierung an einem bikulturellen<br />
Überbau ist so konzipiert, dass <strong>de</strong>r heranwachsen<strong>de</strong><br />
Immigrantenjugendliche die kulturell<br />
unterschiedlich geprägten Lebenswelten<br />
einem transkulturellen Orientierungssinn<br />
unterordnet. Diesem Überbau wird die<br />
Rolle zugeordnet, das Selbst aus <strong>de</strong>m Engpass<br />
<strong>de</strong>r Diversität bei<strong>de</strong>r partikularen Kulturen<br />
zu befreien. Die wichtigste Bedingung<br />
für die Konstruktion eines Überbaus ist die<br />
transkulturelle Gültigkeit <strong>de</strong>s Inhaltes bzw.<br />
seine ethno-nationale Unabhängigkeit. Dabei<br />
spielen Kategorien wie Nationalität und<br />
Ethnizität eine untergeordnete Rolle. Diese<br />
beschränken sich auch lediglich auf die Gegebenheit<br />
<strong>de</strong>r elterlichen Herkunft. Dagegen<br />
wird individuell ausgeformten, spirituellen<br />
Glaubensinhalten und weltoffenen philosophischen<br />
Konzeptionen als Alternativorientierungskomponenten<br />
viel größere Be<strong>de</strong>utung<br />
eingeräumt. (Abb. 2).<br />
Abbildung 2<br />
Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s transkulturellen Überbaus<br />
Selbstverortung<br />
jenseits ethno-nationaler, kultureller Partikularität<br />
Transkulturelles Orientierungssystem als Überbau<br />
K ultur<br />
A<br />
Die konkrete Praxis <strong>de</strong>r partikularen Kulturen<br />
erscheint weniger relevant zu sein. Dagegen<br />
stellt die Prägung <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns durch<br />
<strong>de</strong>n Glauben und die Verfolgung transzen<strong>de</strong>ntaler<br />
Ziele im Umgang mit Kulturen und<br />
Menschen im Alltag die wichtigste Eigenschaft<br />
<strong>de</strong>s gesamten Selbstentwurfs dar –<br />
Kultur<br />
B<br />
Diese Vorstellung setzt unbedingt voraus, dass <strong>de</strong>r Immigrantenjugendliche<br />
<strong>de</strong>m Alter angemessen genug über Grundkenntnisse<br />
aus <strong>de</strong>r jeweiligen Kultur sowie über die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r transkulturellen<br />
Orientierungs-folie (Glaubensinhalte, Philosophie) verfügt.<br />
Die Überbaustrategie verhilft <strong>de</strong>m Heranwachsen<strong>de</strong>n zum<br />
„Über-Status“ und <strong>de</strong>r Selbstverortung jenseits partikularer ethnonationaler<br />
Kategorien.<br />
c)„Ich bin auf bikultureller Kompromisssuche“<br />
Der an <strong>de</strong>r Leiti<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Kompromisses orientierte Immigrantenjugendliche<br />
verzichtet im Vergleich zum zweiten Mo<strong>de</strong>ll auf die mo<strong>de</strong>rieren<strong>de</strong><br />
Funktion einer dritten Instanz. Er spielt als „Kulturmediator“<br />
in eigener Regie die Mo<strong>de</strong>rationsrolle und versucht, bei sämtlichen<br />
Erfahrungen von Ambivalenzen die Einigung zwischen <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Kulturelementen herbeizuführen. Im Mittelpunkt dieser<br />
Orientierungsleistung steht <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>r Einigung bzw.<br />
<strong>de</strong>r partiellen Einigung zwischen <strong>de</strong>n unterschiedlichen, teilweise<br />
sogar einan<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>n Ansprüchen und Verpflichtungen<br />
bei<strong>de</strong>r Kulturen. Entschei<strong>de</strong>nd ist auf je<strong>de</strong>n Fall die individuelle Entschlossenheit<br />
zur positiven Lösungsfindung. Im Gegensatz zum Bild<br />
vom „lei<strong>de</strong>nsvollen und zerreißen<strong>de</strong>n Zwischen <strong>de</strong>n Kulturen“ ist<br />
die mehr o<strong>de</strong>r weniger bewusste Selbstverortung zwischen zwei<br />
Kulturen eine kreativere Variante. Hier versteht man sich als aktives<br />
Bin<strong>de</strong>glied, das in bei<strong>de</strong>n Kulturen fest<br />
verankert ist (Abb. 3) und versucht dadurch, einen<br />
Auftrag <strong>de</strong>r Verständigung und Zukunftsgestaltung<br />
zu erfüllen – wie die folgen<strong>de</strong> Aussage<br />
<strong>de</strong>r 20-jährigen Deutsch-Türkin zum Ausdruck<br />
bringt:<br />
„Na ja wenn die älteren Generationen lieber<br />
auseinan<strong>de</strong>r bleiben wollen, dann soll es auch<br />
so bleiben, <strong>de</strong>nke ich, aber die jüngere Generation<br />
hat ein viel stärkeres Selbstbewusstsein und<br />
wird die Annäherung besser schaffen, guck mal<br />
/!/ heute sind das die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schule o<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>r Universität, die mit <strong>de</strong>n Deutschen gemeinsam<br />
ihre Zukunft machen wollen, wer nach<br />
vorne in die Zukunft guckt, muss möglichst viel<br />
mitnehmen, Konflikte kann man nicht mitnehmen,<br />
sie begleiten <strong>de</strong>n einen immer, aber man<br />
nimmt sie nicht so bewusst mit /../“.<br />
Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Einigung durch Kompromisssuche<br />
„/hm/ ja, also ich verletze nicht die Leute,<br />
also ich schaue einen Mensch zuerst als<br />
Mensch an, und dann vielleicht die Religion<br />
und dann als dritte Position die Nationalität,<br />
also bei mir ist die Antwort so: zuerst als<br />
Mensch, dann Religion und dann Nationalität,<br />
das kommt am En<strong>de</strong> /../ wenn<br />
überhaupt“.<br />
Kultur<br />
A<br />
Abbildung 3<br />
A<br />
Orientierung am Leitgedanken <strong>de</strong>s<br />
Kompromisses (A,B)<br />
B<br />
Kultur<br />
B<br />
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