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Bildung macht reich - inpact-rlp.de

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„Bin Immigrant, biete Vielfalt“<br />

Tarek Badawia<br />

2. Ein Rätsel, das angeblich unlösbar ist!<br />

Bezeichnungen wie Gastarbeiterkin<strong>de</strong>r, Fremdarbeiter, Auslän<strong>de</strong>r,<br />

ausländische Mitbürger, Emigranten o<strong>de</strong>r Immigrantenkin<strong>de</strong>r, Deutsche<br />

ausländischer Herkunft und auch viele diffamieren<strong>de</strong> Begriffe<br />

wie Kanaken, Knobi-Fresser u.ä. sind sozial-politische Kategorien<br />

und sprachliche Institutionen, in <strong>de</strong>nen eine Generation erfasst wer<strong>de</strong>n<br />

soll. Treffen diese Bezeichnungen auf die Immigrantenjugend<br />

noch zu? Eine Mannheimer Jugendinitiative reagiert auf diese begriffliche<br />

Irritation und auf das Fehlen eines <strong>de</strong>zidierten, für die<br />

pädagogische Praxis vor allem unverzichtbaren Menschenbil<strong>de</strong>s von<br />

einer Generation, die we<strong>de</strong>r aus „Standard-Deutschen“ noch aus<br />

typischen ausländischen Gastarbeiterkin<strong>de</strong>rn besteht, mit <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />

„die Unmündigen“. Den Namen trägt inzwischen ein Verein<br />

von Migrantenjugendlichen, <strong>de</strong>r öffentlich für die Rechte dieser<br />

Generation agiert.<br />

Es geht im Wesentlichen um die folgen<strong>de</strong> Botschaft: „Immigrant zu<br />

sein“ ist eine neue sozial-politische Kategorie, die gesellschaftlich<br />

etabliert wer<strong>de</strong>n sollte. Immigranten im Einwan<strong>de</strong>rungsland<br />

Deutschland sind „An<strong>de</strong>re Deutsche“ (Mecheril/Teo 1994). Die Entwicklung<br />

eines ausbalancierten Selbstbewusstseins in <strong>de</strong>r Migration<br />

ist ein langer Prozess, auf <strong>de</strong>n Immigrantenkin<strong>de</strong>r und -jugendliche<br />

ein Recht haben. Das wichtigste Recht dabei ist die Anerkennung<br />

<strong>de</strong>r individuellen I<strong>de</strong>ntitätsentwürfe sowie <strong>de</strong>r biographischen<br />

Erfahrungshorizonte und Bindungsnetzwerke dieser Generation.<br />

Denn die Vielfalt biographischer Schicksale und selbstwertrelevanter<br />

Schlüsselerlebnisse als Migrationsanlässe erfor<strong>de</strong>rt die Aufnahme<br />

<strong>de</strong>r innenperspektivischen Wahrnehmung von Beweggrün<strong>de</strong>n, Lebenslagen,<br />

individuellen sowie gemeinschaftlichen Ressourcen in<br />

die sozialarbeiterische Perspektive. Die bewusste Anerkennung <strong>de</strong>s<br />

Einzelnen als Individuum ist letztendlich die tragfähige Brücke zwischen<br />

<strong>de</strong>r Innensicht <strong>de</strong>r Migranten mit all ihren subjektiven und<br />

biographischen Beson<strong>de</strong>rheiten einerseits und <strong>de</strong>r professionell, an<br />

<strong>de</strong>r Lebenswelt <strong>de</strong>r Betroffenen orientierten (Thiersch 1992), fremdverstehen<strong>de</strong>n<br />

Außensicht <strong>de</strong>r <strong>Bildung</strong>sarbeit an<strong>de</strong>rerseits.<br />

3. Unser Erfolg, <strong>de</strong>n kaum Leute<br />

(an-)erkennen!<br />

Je<strong>de</strong>r Versuch, die Erfolgsperspektive von<br />

Immigrantenjugendlichen hervorzuheben, ist<br />

im Grun<strong>de</strong> genommen vorweg zum Scheitern<br />

verurteilt, wenn er mit <strong>de</strong>m Statistik-Argument<br />

konfrontiert wird. Dieses erhebt nämlich<br />

einen quasi natürlichen Anspruch auf<br />

Repräsentativität, <strong>de</strong>m die „Stimme <strong>de</strong>r erfolg<strong>reich</strong>en<br />

Min<strong>de</strong>rheit“ nicht standhalten<br />

kann. Insbeson<strong>de</strong>re wirkt dies umso effektiver,<br />

wenn dies öffentlich geschieht. Haben<br />

so Immigrantenjugendliche überhaupt noch<br />

eine Chance, dass ihr Erfolg sichtbar wird?<br />

Immigrantenjugendliche haben vor allem in<br />

dieser Phase <strong>de</strong>s gesellschaftlichen Wan<strong>de</strong>ls<br />

erst dann eine reelle Chance, dass <strong>de</strong>r „Reichtum<br />

ihres <strong>Bildung</strong>serfolges“ wahrgenommen<br />

wird, wenn die pädagogische Interaktionslogik<br />

im Umgang mit dieser Generation stärker<br />

präsent wird. Erst in einer auf die faceto-face<br />

Interaktion ausgerichteten Handlungslogik<br />

haben sie die Möglichkeit, dass ihre<br />

Stärken durch das Leben mit und in zwei Kulturen<br />

zur Geltung kommt. An<strong>de</strong>renfalls fallen<br />

sie viel zu schnell <strong>de</strong>n resistenten Vorurteilen<br />

in <strong>de</strong>r Gesellschaft gegen <strong>de</strong>n Typus<br />

„Auslän<strong>de</strong>r“ zum Opfer:<br />

„Ich – erzählt <strong>de</strong>r 20-jährige <strong>de</strong>utsch-marokkanische<br />

Mohammed – habe einmal angerufen<br />

bei einer Firma und <strong>de</strong>r Job war frei, dann<br />

wollten sie meinen Namen wissen, dann habe<br />

ich meinen Namen gesagt, und da haben sie<br />

gesagt, warte mal eine Sekun<strong>de</strong>, ich frage<br />

mal, ob <strong>de</strong>r Job wirklich noch frei ist, und da<br />

war <strong>de</strong>r Job dann nicht mehr frei“<br />

„Ich – eine 21-jährige Deutsch-Spanierin –<br />

sage mir natürlich nicht je<strong>de</strong>n Tag, wenn ich<br />

aufstehe, du bist Auslän<strong>de</strong>rin /lacht/ also bei<br />

vielen Anlässen ist das aber so /.../ muss man<br />

aufpassen /../ also da muss man sich das ins<br />

Gedächtnis rufen, weil es sonst an<strong>de</strong>re tun /<br />

.../ dann tut es mir weh /.../ man darf das<br />

nicht vergessen /../ aber das ist kein Bitternis<br />

/./ es ist einfach eine Tatsache“.<br />

Nach Marotzki (1991) liegt die Wirkung von<br />

<strong>Bildung</strong>sprozessen primär in <strong>de</strong>n ganzen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

von Interpunktions- und<br />

Konstruktionsprinzipien im Hinblick auf die<br />

2<br />

Zur ausführlichen Beschreibung dieser Aspekte vgl. Badawia 2002, S. 120ff.<br />

42

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