Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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„Wir bil<strong>de</strong>n aus“<br />
Dagmar Beer-Kern<br />
Zu <strong>de</strong>r im Vergleich zu <strong>de</strong>utschen Jugendlichen <strong>de</strong>utlich geringeren<br />
Ausbildungsbeteiligung kommt hinzu, dass das faktische Berufsspektrum<br />
<strong>de</strong>r Jugendlichen ausländischer Herkunft viel enger ist<br />
als das <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Gleichaltrigen. Die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n mit ausländischem<br />
Pass sind auf wenige Berufe konzentriert. Sie haben<br />
am ehesten in <strong>de</strong>n Berufen eine Ausbildungschance, die für Deutsche<br />
weniger attraktiv sind. Diese Berufe sind in <strong>de</strong>r Regel gekennzeichnet<br />
durch vergleichsweise<br />
• ungünstige Arbeitszeiten bzw. Arbeitsbedingungen,<br />
• geringere Verdienstmöglichkeiten,<br />
• geringere Aufstiegschancen,<br />
• geringere Übernahmechancen bzw. ein höheres Arbeitsplatzrisiko.<br />
Die Mädchen fin<strong>de</strong>n am häufigsten als Friseurin (17 %), Arzt- bzw.<br />
Zahnarzthelferin (jeweils ca. 11 %) und als Einzelhan<strong>de</strong>lskauffrau<br />
(10 %) einen Ausbildungsplatz. Demgegenüber hatten nur 4,9 %<br />
<strong>de</strong>r Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n in Büroberufen einen ausländischen Pass. Bei<br />
<strong>de</strong>n Jungen sind es die Berufe <strong>de</strong>s Kraftfahrzeugmechanikers (9 %),<br />
Malers und Lackierers (11 %) und <strong>de</strong>s Gas- und Wasserinstallateurs<br />
(11 %). Demgegenüber sind sie in <strong>de</strong>n neuen Service-Berufen (6 %),<br />
<strong>de</strong>n neuen Medienberufen (3 %) und in <strong>de</strong>n neuen IT-Berufen (3 %)<br />
nur unterdurchschnittlich beteiligt. Nach wie vor ist es jedoch <strong>de</strong>r<br />
Öffentliche Dienst, <strong>de</strong>ssen Ausbildungsleistung mit 2,6 % beson<strong>de</strong>rs<br />
niedrig ist.<br />
Heute wie früher wer<strong>de</strong>n die Grün<strong>de</strong> für das Scheitern <strong>de</strong>r jungen<br />
Auslän<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Ausbildungsstellenmarkt in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Jugendlichen<br />
gesucht (schlechtere Schulabschlüsse, unzu<strong>reich</strong>en<strong>de</strong><br />
Sprachkenntnisse, falsche Berufswahl, mangeln<strong>de</strong>s Interesse etc.).<br />
Für einen Teil <strong>de</strong>r Jugendlichen mag dies auch zutreffen. Ein erheblicher<br />
Teil verfügt jedoch über die notwendigen Schulabschlüsse,<br />
ist zweisprachig und bikulturell aufgewachsen, hat eine hohe<br />
<strong>Bildung</strong>smotivation und ist <strong>de</strong>nnoch beim Übergang in eine berufliche<br />
Ausbildung im Vergleich zu Deutschen benachteiligt. Neben <strong>de</strong>n<br />
<strong>Bildung</strong>svoraussetzungen <strong>de</strong>r Jugendlichen und ihrem Nachfrageverhalten<br />
sind die Zugangschancen zur Berufsausbildung auch vom<br />
Angebots- und Auswahlverfahren <strong>de</strong>r Betriebe abhängig. Vorurteile<br />
und Barrieren gegen die Ausbildung von Jugendlichen ausländischer<br />
Herkunft sind immer wie<strong>de</strong>r festzustellen. Von<br />
Chancengleichheit und beruflicher Integration kann erst<br />
dann gesprochen wer<strong>de</strong>n, wenn Menschen ausländischer<br />
Herkunft in allen Berufen und Branchen, aber<br />
auch auf allen Hierarchieebenen, entsprechend ihres<br />
Bevölkerungsanteils vertreten sind. Um dieses zu er<strong>reich</strong>en,<br />
sind sowohl Aspekte <strong>de</strong>r positiven Diskriminierung<br />
auf <strong>de</strong>m Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt<br />
umzusetzen als auch differenzierte Betrachtungsweisen<br />
<strong>de</strong>r Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Gang<br />
zu setzen.<br />
Anhand von zwei Beispielen lassen sich die<br />
gesellschaftlichen Mechanismen benennen,<br />
die eine Diskriminierung von jungen Menschen<br />
ausländischer Herkunft beim Zugang<br />
zu Ausbildung und Beruf zur Folge haben:<br />
• Die Jugendlichen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel als<br />
<strong>de</strong>fizitär wahrgenommen. Es besteht Einigkeit<br />
darüber, was sie nicht können o<strong>de</strong>r<br />
über welche Fähigkeiten sie nicht verfügen.<br />
Betriebe sind interessiert, homogene<br />
Arbeitsgruppen zu bil<strong>de</strong>n, damit Reibungsverluste<br />
gering bleiben. Ausländischen und<br />
insbeson<strong>de</strong>re türkischen Jugendlichen wer<strong>de</strong>n<br />
stören<strong>de</strong> Verhaltensweisen, unzu<strong>reich</strong>en<strong>de</strong><br />
Kenntnis <strong>de</strong>r Sprache sowie <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen (Betriebs-)Kultur, aber auch spezifische<br />
Schwierigkeiten aufgrund einer an<strong>de</strong>ren<br />
Kultur unterstellt. Hinzu kommt die<br />
vermutete mangeln<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong>nakzeptanz,<br />
insbeson<strong>de</strong>re bei Klein- und Mittelbetrieben.<br />
• Bei Großbetrieben spielen solche Zuschreibungen<br />
eine weniger große Rolle.<br />
Dass Großbetriebe trotz<strong>de</strong>m verhältnismäßig<br />
wenige ausländische Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> haben,<br />
ist weniger auf mangeln<strong>de</strong> Qualifikation<br />
o<strong>de</strong>r auf falsche Berufsorientierung <strong>de</strong>r<br />
ausländischen Bewerber zurückzuführen,<br />
als vielmehr auf ihre mangeln<strong>de</strong> Einbindung<br />
in betriebliche soziale Netzwerke. Der Zutritt<br />
zu diesen Netzwerken ist <strong>de</strong>n meisten<br />
Migranten verwehrt und somit ist auch ihr<br />
Zugang zu hoch bewerteten Arbeits- und<br />
Ausbildungsstellen in Großbetrieben häufig<br />
blockiert.<br />
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