31.05.2014 Aufrufe

Bildung macht reich - inpact-rlp.de

Bildung macht reich - inpact-rlp.de

Bildung macht reich - inpact-rlp.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im JUZ alles paletti?<br />

Albert Scherr<br />

suchungen zur Diskriminierung von Migranten in Schulen haben<br />

aber nachgewiesen, dass Diskriminierung auch ein Effekt institutioneller<br />

Strukturen und guter Absichten sein kann. Der Lehrer, <strong>de</strong>r<br />

etwa einer jungen Türkin trotz guter Noten davon abrät zu studieren,<br />

gibt diesen Rat in guter Absicht. Er will sie vor Selbstüberfor<strong>de</strong>rung<br />

und <strong>de</strong>n Risiken <strong>de</strong>s Scheiterns schützen und verhin<strong>de</strong>rt<br />

möglicherweise gera<strong>de</strong> dadurch eine erfolg<strong>reich</strong>e <strong>Bildung</strong>skarriere.<br />

Die zu unterstellen<strong>de</strong> gute Absicht von Jugendarbeiter/innen allein<br />

genügt also nicht.<br />

Zu<strong>de</strong>m ist festzustellen, dass die Jugendarbeit ein strukturell schwacher<br />

Akteur ist: Jugendarbeit kann fehlen<strong>de</strong> <strong>Bildung</strong>sabschlüsse<br />

nicht kompensieren und keine Ausbildungsplätze zuweisen; sie ist<br />

damit darauf verwiesen, einen „unmöglichen Auftrag“ zu bearbeiten.<br />

Das heißt, gera<strong>de</strong> das was ihre benachteiligten Adressaten eigentlich<br />

benötigen, kann sie nicht zur Verfügung stellen, son<strong>de</strong>rn<br />

„nur“ sekundäre Hilfen, die an die zentralen Problemursachen nicht<br />

heran<strong>reich</strong>en.<br />

3.<br />

Im Unterschied zum Schulsystem („PISA“) liegt für die Jugendarbeit<br />

keine repräsentative empirische Studie vor, die verlässliche<br />

Aussagen darüber ermöglicht, wer die Angebote nutzt und was diese<br />

bewirken. Die Datenlage ist insgesamt recht dünn. Gleichwohl lassen<br />

es vorliegen<strong>de</strong> Studien und Beobachtungen (siehe dazu Scherr<br />

2002) zu, einige diskussionswürdige Annahmen zu formulieren, die<br />

hier thesenartig zusammengefasst wer<strong>de</strong>n:<br />

· Einrichtungen <strong>de</strong>r offenen Jugendarbeit können ihren Auftrag, für<br />

alle Teilgruppen von Jugendlichen zugänglich und attraktiv zu sein,<br />

in <strong>de</strong>r Regel nicht einlösen. Ein Verständnis von Jugendarbeit als<br />

Ort <strong>de</strong>r Begegnung von Heranwachsen<strong>de</strong>n aus unterschiedlichen<br />

Sozialgruppen, mit unterschiedlicher ästhetischer, politischer o<strong>de</strong>r<br />

religiöser Orientierung und damit als Ort eines Abgrenzungen auflösen<strong>de</strong>n<br />

sozialen Lernens, ist insofern nicht realitätsangemessen.<br />

· Sofern Einrichtungen <strong>de</strong>r offenen Jugendarbeit, wie dies vielfach<br />

<strong>de</strong>r Fall ist, sich als Rückzugsorte, Treffpunkte o<strong>de</strong>r sozialpädagogische<br />

Einrichtungen für benachteiligte Jugendliche verstehen,<br />

ist keineswegs klar, ob diese tatsächlich in <strong>de</strong>r Lage sind, zur<br />

Öffnung <strong>de</strong>r sozialen und beruflichen Perspektiven dieser Jugendlichen<br />

beizutragen – o<strong>de</strong>r sich aber faktisch darauf<br />

beschränken, das Leben unter Benachteiligungsbedingungen<br />

etwas erträglicher zu machen. An<strong>de</strong>rs<br />

formuliert: Es ist nicht erkennbar, welchen spezifischen<br />

Beitrag die offene Jugendarbeit zur Überwindung <strong>de</strong>r<br />

Benachteiligung von Migranten erbringen kann.<br />

· Es wird angenommen, dass Migrantenjugendliche in<br />

<strong>de</strong>r verbandlichen Jugendarbeit, von <strong>de</strong>n Sportverbän<strong>de</strong>n<br />

abgesehen, unterrepräsentiert sind. Aktuelle<br />

Studien hierzu liegen jedoch nicht vor, und es gibt<br />

Hinweise darauf, dass die These, Jugendverbandsarbeit<br />

sei Jugendarbeit mit <strong>de</strong>utschen Mittelschichtsjugendlichen,<br />

überprüfungsbedürftig ist. Ein spezifischer<br />

Beitrag <strong>de</strong>r verbandlichen Jugendarbeit zur<br />

Überwindung <strong>de</strong>r Benachteiligung von Migranten ist<br />

gleichwohl bislang nicht erkennbar.<br />

· In Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen über Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

und Probleme einer Jugendarbeit mit<br />

Migrantenjugendlichen verschränken sich in<br />

vielfach unklarer Weise kulturbezogene<br />

Sichtweisen <strong>de</strong>r Lebenssituation und<br />

Lebenspraxis von Migranten mit Problemlagen,<br />

<strong>de</strong>ren Ursachen durch soziale Ungleichheiten,<br />

Benachteiligung und<br />

Marginalisierung bedingt sind. Ein naiver<br />

Kulturalismus, <strong>de</strong>r Probleme von Migrantenjugendlichen<br />

als Folge ihrer nationalen bzw.<br />

ethnischen Herkunft o<strong>de</strong>r als Ausdruck eines<br />

Kulturkonflikts interpretiert, ist in <strong>de</strong>r<br />

Praxis <strong>de</strong>r Jugendarbeit immer noch nicht<br />

überwun<strong>de</strong>n.<br />

Vor <strong>de</strong>m skizzierten Hintergrund können folgen<strong>de</strong><br />

For<strong>de</strong>rungen formuliert wer<strong>de</strong>n:<br />

· Es besteht ein Bedarf an empirischen Studien,<br />

die dazu beitragen, die Diskussion um<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Jugendarbeit für<br />

Migrantenjugendliche auf eine verlässlichere<br />

Basis zu stellen.<br />

· Bezogen auf diejenigen Teilgruppen <strong>de</strong>r<br />

Migrantenjugendlichen, die an <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

schulischer und beruflicher Ausbildung<br />

scheitern und damit in <strong>de</strong>r Gefahr<br />

stehen, dauerhaft auf prekäre Arbeitsverhältnisse<br />

verwiesen zu wer<strong>de</strong>n bzw. in<br />

Armutslagen zu geraten, genügt es nicht,<br />

diese auf die offene Jugendarbeit sowie<br />

Formen <strong>de</strong>r aufsuchen<strong>de</strong>n Jugendarbeit mit<br />

auffälligen Cliquen zu verweisen. Erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind empirisch fundierte und konzeptionell<br />

qualifizierte Kooperationen zwischen<br />

Schulen, Betrieben, <strong>de</strong>r Jugendarbeit und<br />

Jugendsozialarbeit.<br />

32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!