Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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Alles Pisa?<br />
Ursula Neumann<br />
Alles PISA?<br />
Migrantenkin<strong>de</strong>r im schiefen Turm <strong>de</strong>s Schulsystems<br />
Prof. Dr. Ursula Neumann<br />
Ich bin gebeten wor<strong>de</strong>n, in dieses Fachgespräch<br />
einzuführen, weil ich im vergangenen<br />
Jahr zusammen mit meinen Kollegen<br />
Ingrid Gogolin und Hans-Joachim Roth ein<br />
Gutachten für die Bund-Län<strong>de</strong>rkommission<br />
für <strong>Bildung</strong>splanung und Forschungsför<strong>de</strong>rung<br />
(BLK) erstellt habe (Gogolin, Neumann<br />
& Roth 2003). 1 Die In-Auftrag-Gabe <strong>de</strong>s<br />
Gutachtens sollte <strong>de</strong>r Vorbereitung eines<br />
Innovationsprogramms dienen in Konsequenz<br />
<strong>de</strong>r Erkenntnisse über das Schulwesen, die<br />
u.a. mit <strong>de</strong>r PISA-Studie erzielt wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Es ging darin um die Möglichkeiten zur<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r sprachlichen <strong>Bildung</strong> <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r von Migrantinnen und Migranten im<br />
<strong>de</strong>utschen <strong>Bildung</strong>ssystem. Die sprachliche<br />
<strong>Bildung</strong> ist sicher nur ein Teilaspekt <strong>de</strong>r gesamten<br />
Fragestellung, wie das <strong>Bildung</strong>ssystem<br />
für eine Verbesserung <strong>de</strong>r Chancen<br />
von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
sorgen könnte, jedoch <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
und auch unserer Überzeugung<br />
nach ein äußerst wichtiger Ausschnitt.<br />
1. Einleitung<br />
Sie erinnern sich an das zentrale Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r PISA-Studie, das auch von <strong>de</strong>r Grundschuluntersuchung<br />
IGLU bestätigt wur<strong>de</strong>: In<br />
Deutschland ist <strong>de</strong>r Zusammenhang zwischen<br />
sozialer Herkunft und <strong>de</strong>n wichtigsten Kompetenzen,<br />
die in <strong>de</strong>r Schule erworben wer<strong>de</strong>n,<br />
enger als in je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Land <strong>de</strong>r<br />
OECD. Dabei führt nicht <strong>de</strong>r Migrationshintergrund<br />
von Schülerinnen und Schülern direkt zu niedrigeren<br />
<strong>Bildung</strong>serfolgen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Schulerfolg hängt von <strong>de</strong>r Lesekompetenz<br />
in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache und <strong>de</strong>r Verteilung auf die<br />
Schulformen ab. Schon die Grundschule ist nicht gut in <strong>de</strong>r Lage,<br />
mit <strong>de</strong>r sprachlichen Heterogenität <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r so umzugehen, wie<br />
es nötig wäre, um soziale Herkunft und Schulleistungen zu<br />
entkoppeln. In <strong>de</strong>r Sekundarstufe, d.h. bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Pflichtschulzeit,<br />
akkumulieren sich die Effekte, und zwar in <strong>de</strong>n Kompetenzbe<strong>reich</strong>en,<br />
die erst durch die Schule aufgebaut wer<strong>de</strong>n, die also<br />
nicht etwa durch die Elternhäuser vermittelt wer<strong>de</strong>n (Mathematik,<br />
Naturwissenschaften). Die Vermittlungsprozesse in <strong>de</strong>r Schule sind<br />
also offenbar zu wenig geeignet, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen<br />
und <strong>Bildung</strong>svoraussetzungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r auszugleichen.<br />
Man hätte diesen Zusammenhang auch schon aus <strong>de</strong>n <strong>Bildung</strong>sstatistiken<br />
ermitteln können, <strong>de</strong>nn das Scheitern <strong>de</strong>r Schule an <strong>de</strong>n<br />
Migrantenkin<strong>de</strong>rn bil<strong>de</strong>t sich dort ab – sowohl in <strong>de</strong>r Verteilung <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r auf die Schulformen <strong>de</strong>r Sekundarstufe I als auch in <strong>de</strong>n<br />
er<strong>reich</strong>ten Schulabschlüssen. Dennoch ist mit <strong>de</strong>m Konstrukt<br />
„Migrationshintergrund“ nun ein Fortschritt erzielt wor<strong>de</strong>n, weil es<br />
die internationale Vergleichbarkeit ermöglicht. Die <strong>de</strong>utsche Statistik<br />
trennt bisher nur nach Staatsangehörigkeit, was verschie<strong>de</strong>ne<br />
Probleme nach sich zieht: Zum einen sind solche Schülerinnen und<br />
Schüler nicht auszumachen, die zwar die <strong>de</strong>utsche Staatsangehörigkeit<br />
besitzen, gleichwohl aber einen Migrationshintergrund haben,<br />
d.h. unter Umstän<strong>de</strong>n als Aussiedler erst seit kurzer Zeit die<br />
<strong>de</strong>utsche Schule besuchen und unter ganz ähnlichen sozialen Verhältnissen<br />
leben wie ausländische Migrantenschülerinnen und<br />
-schüler. Zum an<strong>de</strong>ren kann die Angabe von Staatsangehörigkeiten<br />
zu <strong>de</strong>m Fehlschluss führen, dass Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r <strong>Bildung</strong>sbeteiligung<br />
aus <strong>de</strong>r staatlichen Herkunft herrühren könnten, was<br />
leicht zu kulturalisieren<strong>de</strong>n Erklärungen führt, die we<strong>de</strong>r theoretisch<br />
noch empirisch haltbar sind.<br />
1 Das BLK-Gutachten „För<strong>de</strong>rung von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ ist im Internet abrufbar unter <strong>de</strong>r Adresse<br />
www.erzwiss.uni-hamburg.<strong>de</strong>/Personal/Neumann/Neumann.htm<br />
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