Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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Im Dickicht von Curriculum und Institution<br />
Franz Hamburger<br />
PISA-Untersuchung wie<strong>de</strong>r, insofern sich die<br />
Kin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>utschen und gemischtnationalen<br />
Familien auf annähernd <strong>de</strong>nselben<br />
Kompetenzstufen befin<strong>de</strong>n.<br />
Die Einkommensverteilung ist ein erster Hinweis<br />
auf die differente Lage von Migrantenfamilien.<br />
Für einen erheblichen Anteil von<br />
ihnen ist die soziale Situation zu<strong>de</strong>m durch<br />
das Schicksal <strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit geprägt.<br />
Die Arbeitslosigkeit von Auslän<strong>de</strong>rn ist über<br />
einen langen Zeitraum betrachtet stets doppelt<br />
so hoch wie die Arbeitslosigkeit<br />
insgesamt. Stellt man die Arbeitslosenquoten<br />
von Aus- und Inlän<strong>de</strong>rn direkt gegenüber,<br />
kommt dieser Unterschied noch<br />
pointierter zum Ausdruck. Die Grün<strong>de</strong> für<br />
dieses Strukturmuster sind vielfältig (Ausbildungsniveau,<br />
Rechtsstatus, Einstellungsund<br />
Entlassungsverhalten <strong>de</strong>r Betriebe<br />
usw.), die Folgen aber ein<strong>de</strong>utig: Sie beeinflussen<br />
die <strong>Bildung</strong>schancen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r,<br />
das Systemvertrauen <strong>de</strong>r Eltern und die Konstellation <strong>de</strong>r Sozialisation.<br />
Die Erfahrung von Arbeitslosigkeit kann zwar auch <strong>de</strong>n Wunsch<br />
stärken, dieses Schicksal für die eigenen Kin<strong>de</strong>r vermei<strong>de</strong>n zu wollen,<br />
in erster Linie stellt die Arbeitslosigkeit aber eine systematische<br />
Enttäuschung dar und vermin<strong>de</strong>rt die Kräfte, diesen eben genannten<br />
Wunsch realisieren zu können.<br />
Daten aus einer Tabelle zur Armutshäufigkeit (aus <strong>de</strong>m früheren<br />
Armutsbericht <strong>de</strong>s DGB und <strong>de</strong>s DPWV) wierfen ein Schlaglicht auf<br />
die beson<strong>de</strong>re Armutssituation ausländischer Familien in Deutschland.<br />
Armutsgrenzen wer<strong>de</strong>n üblicherweise anhand eines bestimmten<br />
Prozentsatzes <strong>de</strong>s gewichteten durchschnittlichen Netto-<br />
Haushaltseinkommens bestimmt (so auch im Sozio-ökonomischen<br />
Panel, aus <strong>de</strong>m diese Daten stammen). Als übliche Armutsgrenze<br />
wird die Verfügbarkeit von 50 % dieses Durchschnittseinkommens<br />
angenommen. Da Armut teilweise eine episodische Erfahrung und<br />
Abbildung 5<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
10,9 10,7<br />
12,2<br />
7,2 6,3 6,6<br />
15,1<br />
16,2 16,6<br />
18,9<br />
Abbildung 4<br />
Arbeitslose in Prozent <strong>de</strong>r Erwerbspersonen,<br />
West<strong>de</strong>utschland 1990 bis 1999<br />
20,4 19,6<br />
18,4<br />
8,2 9,2 9,3 10,1 11 10,5 9,9<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999<br />
Auslän<strong>de</strong>r<br />
insgesamt<br />
Quelle: Informationsdienst <strong>de</strong>s Instituts <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft<br />
(iwd) 2/2000<br />
Haushaltsnettoeinkommen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen,<br />
binationalen und ausländischen Ehepaare, Schichtung<br />
in Prozent - Früheres Bun<strong>de</strong>sgebiet 1995<br />
Quelle: Sechster Familienbericht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung 2000, S.142.<br />
nicht unbedingt ein Dauerzustand von Haushalten<br />
in prekärer Lebenslage ist, wur<strong>de</strong> bei<br />
jener Untersuchung im Zeitraum 1984 bis<br />
1992 die Anzahl <strong>de</strong>r Jahre gemessen, in <strong>de</strong>nen<br />
Haushalte unter die Armutsgrenze abfielen.<br />
Das Ergebnis war, dass 41,9 % <strong>de</strong>r<br />
Haushalte mit einem ausländischen<br />
Haushaltsvorstand in diesem Zeitraum nie in<br />
Armut geraten, d.h. umgekehrt 58,1 % <strong>de</strong>r<br />
ausländischen Haushalte min<strong>de</strong>stens einmal.<br />
Demgegenüber gerieten nur 29,6 % aller<br />
<strong>de</strong>utschen Haushalte in diesen 9 Jahren<br />
min<strong>de</strong>stens einmal in Armut. Diese Zahlen<br />
zeigen, dass prekäre Lebenslagen, Armut<br />
o<strong>de</strong>r Bedrohung durch Armut eine kennzeichnen<strong>de</strong><br />
Situation vieler ausländischer Familien<br />
darstellt.<br />
Die Tatsache, dass Armut zu <strong>de</strong>n typischen<br />
Rahmenbedingungen gehört, unter <strong>de</strong>nen<br />
Migrantenkin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wettbewerb um Schulerfolg<br />
aufnehmen und die Schulzeit durchlaufen,<br />
hat Folgen. Wenn zum Beispiel ausländische<br />
Eltern ihre Kin<strong>de</strong>r nicht zu Schulfahrten<br />
anmel<strong>de</strong>n, wird dies in <strong>de</strong>r Regel mit<br />
„kulturellen“ Grün<strong>de</strong>n in Verbindung gebracht<br />
– auch <strong>de</strong>shalb, weil ausländische Eltern<br />
selbst auf diese Grün<strong>de</strong> zurückgreifen.<br />
Möglicherweise tun sie dies aber <strong>de</strong>shalb, weil<br />
sie um die stereotypen Zuschreibungen von<br />
kultureller Beson<strong>de</strong>rheit wissen und erfahren<br />
haben, dass solche Begründungen „anerkannt“<br />
sind. Der Hinweis auf das Interesse<br />
an familialer Kontrolle <strong>de</strong>r Mädchen fällt <strong>de</strong>shalb<br />
leichter als <strong>de</strong>r Hinweis auf die Armut<br />
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