Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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Im Dickicht von Curriculum und Institution<br />
Franz Hamburger<br />
In <strong>de</strong>r Wissensgesellschaft bewegen wir uns in einem globalisierten<br />
Markt, <strong>de</strong>r nicht mehr von individuellen Akteuren, son<strong>de</strong>rn von abstrakten<br />
Systemprinzipien gesteuert wird. Die einzelnen Staaten haben<br />
an Be<strong>de</strong>utung verloren, weil sie <strong>de</strong>n ökonomischen Kreislauf<br />
nicht mehr im gleichen Ausmaß steuern können wie unter <strong>de</strong>n<br />
einstmals nationalstaatlichen Ordnungen <strong>de</strong>r Industriegesellschaften.<br />
Auch die privaten Lebenswelten <strong>de</strong>s Einzelnen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gruppe<br />
entziehen sich gewissermaßen <strong>de</strong>r Gesellschaft. Sie immunisieren<br />
sich zunehmend gegen gesellschaftliche Interventionen und koppeln<br />
sich von sozialen Zwängen und Bedingungen ab. Die Pluralität<br />
von privaten Lebensformen nimmt zu, öffentliche soziale Kontrolle<br />
<strong>reich</strong>t immer weniger in diese Lebenswelten hinein und nur gelegentlich<br />
– wenn in öffentlichen Institutionen soziale Probleme zutage<br />
treten – wer<strong>de</strong>n Mechanismen <strong>de</strong>r sozialen Kontrolle wirksam.<br />
Vereinzelte Privatheit, reduzierter Staat und globalisierter Markt<br />
stehen in einem Dreiecksverhältnis, in <strong>de</strong>ssen Zentrum das <strong>Bildung</strong>ssystem<br />
die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Zuweisungs- und Vermittlungsfunktion<br />
übernommen hat. Die einzelnen sozialen Milieus, in <strong>de</strong>nen wir uns<br />
bewegen, organisieren sich in Relation zum <strong>Bildung</strong>ssystem. Die<br />
gewachsene Pluralität <strong>de</strong>r Wissensgesellschaft bringt es mit sich,<br />
dass diese Milieus immer mehr nebeneinan<strong>de</strong>r existieren. Die von<br />
uns wahrgenommenen neuen Milieus von Migrantengruppen sind<br />
insofern nur ein beson<strong>de</strong>rer Ausdruck <strong>de</strong>ssen, was sich als allgemeines<br />
gesellschaftliches Strukturmerkmal durchgesetzt hat.<br />
In diesem System <strong>de</strong>r Wissensgesellschaft, die <strong>de</strong>r Aussage „<strong>Bildung</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>reich</strong>“ Sinn verleiht, soll nun das Feld genauer betrachtet<br />
wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m die Sozialisation von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen<br />
stattfin<strong>de</strong>t.<br />
Kind – Jugendlicher – Erwachsener<br />
Beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung für das Aufwachsen von<br />
Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen hat zunächst <strong>de</strong>r<br />
private Lebenszusammenhang, die Familie. Mit<br />
<strong>de</strong>m Älterwer<strong>de</strong>n von Kin<strong>de</strong>rn kommen neue<br />
Lebenswelten hinzu, die autonom organisiert<br />
sind, wie beispielsweise Freundschaftsgruppen.<br />
Dieser Dimension autonom<br />
organisierten Lebens stehen öffentlich verantwortete<br />
Sozialisationsbe<strong>reich</strong>e gegenüber wie<br />
die Kin<strong>de</strong>rtagesstätte, <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgarten,<br />
danach vor allem die Schule – später die Jugendhilfe<br />
in jenen Fällen, in <strong>de</strong>nen zusätzliche<br />
öffentlich verantwortete Angebote für Kin<strong>de</strong>r<br />
und Jugendliche bereitgestellt wer<strong>de</strong>n<br />
müssen. In <strong>de</strong>r Jugendphase ist die Ausbildung<br />
im Betrieb schließlich die zentrale Vermittlungsinstanz<br />
zwischen Individuum und Gesellschaft.<br />
Abbildung 2<br />
Familie<br />
Kita<br />
Kind<br />
<strong>Bildung</strong>, Ausbildung o<strong>de</strong>r Studium sollen gewährleisten,<br />
dass die Integration <strong>de</strong>s Individuums<br />
in die Wissensgesellschaft in einer<br />
Weise möglich ist, dass die Bedürfnisse <strong>de</strong>s<br />
Einzelnen nach Zugehörigkeit wie auch gleichzeitig<br />
<strong>de</strong>r gesellschaftliche Bedarf nach qualifizierten<br />
Arbeitskräften und nach <strong>de</strong>mokratiebewussten<br />
Bürgern erfüllt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Immer dann, wenn dieses Verhältnis zwischen<br />
<strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Einzelnen und<br />
<strong>de</strong>m Bedarf <strong>de</strong>r Gesellschaft aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht<br />
kommt, sprechen wir von sozialen<br />
Problemen, die durch neue Institutionen, Interventionen,<br />
Anstrengungen und Verän<strong>de</strong>rungen<br />
bewältigt wer<strong>de</strong>n sollen.<br />
Bezogen auf die Situation von Migrantenkin<strong>de</strong>rn<br />
gibt es in diesem Zusammenhang<br />
<strong>de</strong>rzeit zwei Diskussionsstränge. Der erste<br />
Diskussionsstrang hebt darauf ab, dass sich<br />
die Familien und unmittelbaren Lebenswelten<br />
<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen auf Integrationsanfor<strong>de</strong>rungen<br />
einzustellen haben. Daher<br />
wird vor allem von <strong>de</strong>n Eltern ein verän<strong>de</strong>rtes<br />
Verhalten, Orientierung an <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Gesellschaft und zielstrebige Integration <strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>r in diese Gesellschaft verlangt. Die<br />
Ursachen für das soziale Problem eines geringen<br />
<strong>Bildung</strong>sstatus ausländischer Kin<strong>de</strong>r<br />
wer<strong>de</strong>n in dieser Diskussionslinie bei <strong>de</strong>n Familien<br />
verortet.<br />
Der an<strong>de</strong>re Diskussionsstrang betont die Verantwortung<br />
<strong>de</strong>r <strong>Bildung</strong>s- und Sozialisationsinstitutionen<br />
und fokussiert auf dort<br />
wirken<strong>de</strong> Mechanismen, die dafür verantwortlich<br />
seien, dass Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund nicht <strong>de</strong>n gleichen<br />
<strong>Bildung</strong>serfolg er<strong>reich</strong>en wie einheimische<br />
Kin<strong>de</strong>r.<br />
Gesellschaft<br />
Peers<br />
Schule<br />
Staat<br />
Jugendlicher<br />
Ausbildung<br />
Betrieb<br />
Jugendhilfe<br />
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