Tauernfenster 2003

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30.05.2014 Aufrufe

GESUNDHEIT STRESS - EIN ZIVILISATIONSPHÄNOMEN Aus medizinischer Sicht bedeutet Stress die Versetzung des Organismus in eine Alarmbereitschaft, die den Körper befähigt, bei außergewöhnlichen Belastungen Höchstleistungen zu erbringen. Während einer Stresssituation werden im Körper sogenannte „Stresshor- Dr. med. Marlene Notdurfter mone“ (die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin sowie körpereigenes Kortison) freigesetzt, sie bewirken einen Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz und stellen im Blut schnell verwertbare Energieträger wie Zucker und Fette bereit, damit der Körper der Belastung oder einer Bedrohung effizient begegnen kann. Somit ist Stress im Grunde ein wertvoller und notwendiger Mechanismus: er versetzt uns in die Lage, kritische Situationen zu bewältigen und außergewöhnliche Leistungen zu erbringen (Eustress = Positivstress). In unserer Zeit hat das Wort Stress aber eine neue Bedeutung erhalten. Neben seiner ursprünglichen Funktion als Notfallsystem des Organismus ist Stress zunehmend zu einem chronischen Belastungsfaktor geworden (Dysstress = Negativstress). Der viel zitierte und viel strapazierte Begriff ist heute vorwiegend von psychosozialen Faktoren geprägt. Man assoziiert damit den übervollen Terminkalender vieler Politiker und Manager und - gerade jetzt – die Hektik und den Konsumzwang der Vorweihnachtszeit. Man denkt aber auch an die Schulkinder, die in ihrer Freizeit von einer Aktivität zur anderen hetzen, an die Jugendlichen, die neben den Anforderungen in Schule oder Beruf noch diversen Modetrends gerecht werden müssen, an die Frauen mit der Doppelbelastung Familie und Beruf, aber auch an die Frauen, die sich in ihrer Rolle als „nur“- Hausfrau und Mutter zu wenig anerkannt und gewürdigt fühlen. Und schließlich sind da die älteren Mitbürger, die zwar viel Zeit haben, aber mit oft wenig beachteten Belastungen umgehen müssen: mit Einsamkeit, Verlust von Bezugspersonen, Angst vor völliger Isolation und Krankheit. Der Wohlstand hat uns viele existentielle Probleme genommen, er hat aber eine Reihe von Konfliktsituationen im sozialen Bereich geschaffen: hohe Leistungsanforderungen, Mobbing, Konkurrenzdenken, Konflikte, soziale Zwänge, Reizüberflutung und nicht zu unterschätzen die Verschuldung. Dazu gesellen sich neue seelische Belastungen: Selbstunsicherheit trotz Selbstverwirklichung, Werteverlust und Werteumkehr, Sinnentleerung, Isolation, Kränkungen, Beziehungsschwierigkeiten, ... STRESS ALS KRANKHEITSFAKTOR Sowohl körperliche als auch psychosoziale Dauerbelastungen führen zu schädlichem Dauer-stress, der auf lange Sicht krankheitsfördernd ist. Es ist unumstritten, dass Dauerstress verschiedene körperliche Erkrankungen hervorrufen oder begünstigen kann. Dazu zählen •Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre •Bluthochdruck •Arteriosklerose mit den möglichen Folgen Schlaganfall und Herzinfarkt. Vorbestehende chronische Krankheiten können durch Dysstress im Verlauf ungünstig beeinflusst werden. Betroffene bemerken häufig Zusammenhänge von Belastungen mit dem Auftreten von Migräneattacken oder Asthmaanfällen, psychosozialer Stress kann akute Schübe von Neurodermitis oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auslösen. Schließlich stehen auch psychische Erkrankungen in enger Korrelation mit chronischen Spannungszuständen: •Depressive Störungen • Angst- und Zwangserkrankungen • Chronische Erschöpfungszustände (Burn out - Syndrom) •Störungen im Essverhalten: sowohl die in erschreckender Weise zunehmende Magersucht (Anorexia nervosa) und Ess-Brechsucht (Bulimie) als auch die Fettsucht können Stresskompensationsmechanismen sein. •Psychosomatische Störungen: psychisch ausgelöste Beschwerden ohne organische Ursache. 48 5

GESUNDHEIT MECHANISMEN DER STRESSBEWÄLTIGUNG 1. NICHT GEEIGNETE BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN: •Alkoholüberkonsum (Entlastungs-, Erleichterungstrinken) •Kettenrauchen als Entspannungsmethode •Drogen als Rezept gegen Leistungszwang und Sinnentleerung • Beruhigungsmittel: so unentbehrlich sie in akuten Krisensituationen sind, so wenig geeignet, trügerisch und gefährlich sind sie bei Dauerspannungszuständen: sie distanzieren vom Problem, lösen es aber nicht und haben ein hohes Abhängigkeitspotential. •Regression: darunter versteht man medizinisch die Rückkehr in eine kindliche Entwicklungsstufe, praktisch bedeutet es, dass man die Verantwortung für seine Situation aufgibt und sich in körperliche Symptome flüchtet. 2. GEEIGNETE BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN: • Körperliche Aktivität: Sport, körperliche Arbeit, Wandern, Spazierengehen • Entspannungsübungen: Autogenes Training, Yoga, Meditation, aber auch Gebet, gute Lektüre •Sinnvolle Freizeitnutzung: Aktivitäten mit guten Freunden, Hobbies, Musik •Mitgefühl und Verständnis statt Aggressionen und Kritik •Naturheilmethoden: Wechselbäder nach Kneipp, Naturheilmittel (Baldrian, Johanniskraut) • Bei gelegentlichem akuten Stress einfache Rezepte: ein Telefonat mit Freunden, eine Tasse Tee, ein entspannendes Bad, ein Spaziergang ... • Frustessen Negativstress ist also ein nicht zu unterschätzender Krankheitsfaktor (organisch und psycho-somatisch). Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Eustress , die „gesunde“ Form, im Prettauerischen der “Giniet“ auch der „Motor“ unseres Lebens ist, der uns leistungsfähig macht und dass ein Leben ganz ohne Stress auch ein Leben in Trägheit und Stillstand ist. Dr. med. Marlene Notdurfter Abt. für Innere Medizin – KH Bruneck Prettau, am 23. November 2003 49 5

GESUNDHEIT<br />

MECHANISMEN DER STRESSBEWÄLTIGUNG<br />

1. NICHT GEEIGNETE BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN:<br />

•Alkoholüberkonsum (Entlastungs-, Erleichterungstrinken)<br />

•Kettenrauchen als Entspannungsmethode<br />

•Drogen als Rezept gegen Leistungszwang und<br />

Sinnentleerung<br />

• Beruhigungsmittel: so unentbehrlich sie in<br />

akuten Krisensituationen sind, so wenig geeignet,<br />

trügerisch und gefährlich sind sie bei<br />

Dauerspannungszuständen: sie distanzieren<br />

vom Problem, lösen es aber nicht und haben<br />

ein hohes Abhängigkeitspotential.<br />

•Regression: darunter versteht man medizinisch<br />

die Rückkehr in eine kindliche Entwicklungsstufe,<br />

praktisch bedeutet es, dass man die<br />

Verantwortung für seine Situation aufgibt und<br />

sich in körperliche Symptome flüchtet.<br />

2. GEEIGNETE BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN:<br />

• Körperliche Aktivität: Sport, körperliche Arbeit,<br />

Wandern, Spazierengehen<br />

• Entspannungsübungen: Autogenes Training,<br />

Yoga, Meditation, aber auch Gebet, gute Lektüre<br />

•Sinnvolle Freizeitnutzung: Aktivitäten mit guten<br />

Freunden, Hobbies, Musik<br />

•Mitgefühl und Verständnis statt Aggressionen<br />

und Kritik<br />

•Naturheilmethoden: Wechselbäder nach<br />

Kneipp, Naturheilmittel (Baldrian, Johanniskraut)<br />

• Bei gelegentlichem akuten Stress einfache Rezepte:<br />

ein Telefonat mit Freunden, eine Tasse<br />

Tee, ein entspannendes Bad, ein Spaziergang ...<br />

• Frustessen<br />

Negativstress ist also ein nicht zu unterschätzender<br />

Krankheitsfaktor (organisch und psycho-somatisch).<br />

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Eustress ,<br />

die „gesunde“ Form, im Prettauerischen der “Giniet“<br />

auch der „Motor“ unseres Lebens ist, der uns<br />

leistungsfähig macht und dass ein Leben ganz ohne<br />

Stress auch ein Leben in Trägheit und Stillstand ist.<br />

Dr. med. Marlene Notdurfter<br />

Abt. für Innere Medizin – KH Bruneck<br />

Prettau, am 23. November <strong>2003</strong><br />

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