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Tauernfenster 2003

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IM GESPRÄCH<br />

kleine Mädchen sehr gefehlt. Wir haben sie lange<br />

vermisst. Sie war eine richtige Schmeichlerin.<br />

Welche Arbeit hast du denn nach dem Krieg<br />

gefunden?<br />

Voltan Steinhauser: Zuerst habe ich einige Zeit als<br />

Taglöhner gearbeitet. Auch bei der Forst und bei der<br />

Straße ausgeholfen. „Do Schocha oder Böitn Todl“<br />

war damals Hauptstraßenwärter und hat immer<br />

wieder einmal Hilfe gebraucht. Dann war ich zehn<br />

Jahre bei der Lawinenverbauung. Die ist ja erst nach<br />

dem schrecklichen Lawinenjahr 1951 richtig in<br />

Schwung gekommen. 1963 bin ich dann zum Bergwerk.<br />

Dort war es am besten: Da hat man gut und<br />

vor allem regelmäßig verdient. Es fielen keine<br />

Wetterschichten an und die Angst hat man auch<br />

allmählich verloren.<br />

Du hattest Angst im Berg?<br />

Voltan Steinhauser: Ja, am Anfang schon: Die Enge,<br />

die Dunkelheit haben bei mir Platzangst ausgelöst.<br />

Aber daran gewöhnt man sich und die Arbeit im<br />

Bergwerk war sehr abwechslungsreich.<br />

Was hast du nach der Schließung des Bergwerks<br />

gemacht?<br />

Voltan Steinhauser: Danach war ich Handlanger<br />

beim Reichegger bis zu meiner Pensionierung. Das<br />

war dann aber schon wieder stressiger als im Berg.<br />

Du hast gesagt, du hast drei Kinder verloren...<br />

Voltan Steinhauser: ... und die Frau. Die kleine Erna<br />

ist 1947 gestorben. Der Adolf dann 1967 und wieder<br />

20 Jahre später, 1987, starb meine Frau und zuletzt<br />

1997 die Johanna. Wenn wir zusammen sind, stellen<br />

wir oft fest, dass wir’s mit den Siebenern haben...<br />

Das war alles nicht gut. Frau und Kinder sterben<br />

sehen, war schlimmer als der Krieg, viel schlimmer.<br />

Die Erna ist als Kind gestorben, der Adolf bei einem<br />

Unfall, die Johanna an Brustkrebs nach unvorstellbar<br />

langem Leiden. Die war eine richtige Märtyrerin.<br />

Nein, das war alles nicht gut. Der plötzliche Unfall<br />

nicht und der Krebs ebenso wenig. Auch die Loise<br />

ist unerwartet gestorben.<br />

Wie ist der Adolf verunglückt?<br />

Voltan Steinhauser: Es war ein Arbeitsunfall am<br />

Bau. Einen Tag danach ist er dann im Spital den<br />

schweren Verletzungen erlegen. Mit dem Adolf<br />

haben wir überhaupt viel mitgemacht. Er hatte ja<br />

Klumpfüße, seit seiner Geburt. Wie oft wir den<br />

Buben nach Steinhaus getragen haben, kann sich<br />

heute niemand mehr vorstellen. Es gab ja kein Auto,<br />

Voltan und Loise auf der Hausbank<br />

auch kein Postauto. Erst in Innsbruck haben sie uns<br />

irgendwann gesagt, dass es für seine Behinderung<br />

keine Hilfe gibt. Dr. Rosatti hat ihm vorher in<br />

Bruneck sogar die Füße gebrochen, damit sie richtig<br />

zusammenwachsen. Doch kaum war der Gips weg,<br />

war die Missbildung wieder da. Dabei mussten wir<br />

den Arzt immer selber bezahlen.<br />

Finanzielle Hilfe gab es keine?<br />

Voltan Steinhauser: Nein, zumindest ganz lange<br />

nicht. Zuletzt hat uns der Benedikter Alfons zu einer<br />

monatlichen Rente von 5000 Lire verholfen. Einmal,<br />

weiß ich, hat uns die Weiherin eine Rechnung im<br />

Brixner Krankenhaus bezahlt und ein anderes Mal<br />

hat uns „do Goschpo“ – er war ein Bruder meiner<br />

Frau – sein Kassenbüchl geschenkt. Das war schon<br />

hart. Auch weil wir in der Zeit gerade Haus gebaut<br />

haben und auch da waren wir auf uns allein gestellt.<br />

Lediglich 400.000 Lire haben wir als Beitrag bekommen<br />

und das auch nur, weil uns der damalige<br />

Pfarrer von St. Georgen dazu verholfen hat.<br />

Frage: Zum Schluss: Welchen Rat würdest du den<br />

jungen Leuten mit geben?<br />

Voltan Steinhauser: Da weiß ich jetzt nicht, was<br />

ich sagen soll. Für solche Fragen bin ich nicht der<br />

Richtige... Vielleicht etwas: Fangt nicht an zu rauchen.<br />

Ich habe über 40 Jahre lang geraucht. Angefangen<br />

habe ich damit, dass ich vom alten<br />

„Gebaura“ heimlich die Pfeife angezündet habe, als<br />

dieser im Stall war. Dann musste ich es plötzlich<br />

lassen. Der Arzt hat es mir verboten. Das war hart.<br />

Aufhören ist schlimm. Das Beste wäre es halt, nie<br />

damit anzufangen.<br />

Eduard Tasser<br />

Stefan Steinhauser<br />

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