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Tauernfenster 2003

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IM GESPRÄCH<br />

Geheiratet haben wir, wie damals üblich, an einem<br />

Werktag. Für das Mahl habe ich am Pichl ein Kalb<br />

gekauft gehabt, etwa 80 kg schwer. Gefeiert haben<br />

wir dann beim „Jaggila“. Es kam eine Köchin ins<br />

Haus, um für uns Hochzeiter, alles in allem sicher<br />

nicht mehr als 20 Leute, aufzukochen. Als wir<br />

allerdings anfangen wollten, hieß es alsbald einmal:<br />

„Das Fleisch ist fertig!“ Die Köchin, eine herzensgute,<br />

freigebige Frau, hat einfach allen, die auf der<br />

Straße vorbeikamen, durchs Fenster ein Stück<br />

Fleisch angeboten. Nun kann man sich vorstellen,<br />

was das für ein Auflauf war: Damals, während des<br />

Krieges, an einem helllichten Werktag Fleisch für<br />

Voltan Steinhauser, 1944 in der Uniform der „Brixner Polizei“<br />

jeden, soviel er mochte! Ich musste dann beim Auer<br />

noch ein halbes Schwein kaufen, damit die Hochzeitsgesellschaft<br />

nicht leer ausging.<br />

Und der Auer hatte ein halbes Schwein einfach nur<br />

so herzunehmen?<br />

Voltan Steinhauser: Ja, der hat damals so eine Art<br />

Schlachtbank geführt und eigentlich immer etwas<br />

vom Fleisch gehabt. Auf alle Fälle musste ich halt<br />

vom Vater 100 Lire leihen, sonst hätten wir die Feier<br />

nicht bezahlen können. Wir sind dann bald einmal<br />

nach der Hochzeit zum Innerpichler ins Quartier<br />

gezogen. Dort hatte ich bereits vorher ein paar Kühe<br />

eingestellt. Die und ein Stück Feld hatte ich von den<br />

Innerpichl-Erben gepachtet. Schließlich konnten wir<br />

dort in einer Kammer und im „Stibile“ Quartier<br />

beziehen.<br />

Einrücken musstest du nicht? Es war doch Krieg.<br />

Voltan Steinhauser: Zuerst nicht. Es war so, dass<br />

der dritte Sohn einer Familie – zuerst zumindest –<br />

frei gegangen ist. Nun war bei uns schon der Seppl,<br />

mein älterer Bruder, und „do Möisa“, den sie auch<br />

zur Familie gezählt haben, eingerückt. So bin ich<br />

frei gegangen.<br />

Vorher schon hieß es optieren...<br />

Voltan Steinhauser: Ja, 1939. Wir, die älteren<br />

Buben aus der Familie, haben für Deutschland<br />

optiert, der Vater dagegen für’s Dableiben. Die<br />

Geschwister aus der zweiten Ehe meines Vaters<br />

waren ja noch zu jung zum Wählen.<br />

Das heißt, die älteren Söhne haben anders gewählt<br />

als der Vater mit den minderjährigen Kindern.<br />

Voltan Steinhauser: Unser Vater hat gesagt: „Tut,<br />

was ihr wollt. Geht es euch draußen gut, kommen<br />

wir nach. Und sonst könnt ihr ja wieder heim.“<br />

Schließlich musstest du aber doch noch einrücken?<br />

Voltan Steinhauser: Das war 1944, nachdem die<br />

Deutschen in Südtirol einmarschiert sind. Ich kam<br />

zur sogenannten „Brixner Polizei“. Bei der Ausbildung<br />

hat uns so ein fanatischer Oberleutnant<br />

richtig geschliffen. Manchmal waren wir 24 Stunden<br />

lang in den Wäldern bei Mühlbach herum. Dann<br />

hätten wir schwören müssen. Doch in den Tagen<br />

vorher haben wir hinter vorgehaltener Hand ausgemacht,<br />

dass wir nicht schreien. 12 Kompanien zu je<br />

120 Leuten haben sich daran gehalten. Da waren<br />

einige unter uns, die haben das organisiert. Der<br />

Gauleiter Franz Hofer, der den Eid abnehmen wollte,<br />

hat sich beleidigt gefühlt. Zur Strafe kamen wir fast<br />

alle an die Ostfront.<br />

Du warst damals schon Vater einer Tochter, deine<br />

Frau erwartete das zweite Kind und du hast das<br />

riskiert? Woher der Mut zum Widerstand?<br />

Voltan Steinhauser: Wir haben einfach ausgemacht<br />

zusammenzuhalten – alle. „Do Leita Hansl“ der<br />

spätere „Leita Papa“ war auch dabei und aus St.<br />

Peter einige und aus dem ganzen Tal. „Do<br />

Stäiklhaisla“ aus St. Johann zum Beispiel, den treff’<br />

ich immer wieder. Ich bin dann nach Schlesien<br />

gekommen als Granatwerfer. Eines Morgens hieß es:<br />

„Striggau angreifen!“ Doch es dauerte nur wenige<br />

Stunden, dann kam wohl Wetter: Der Russe hat mit<br />

aller Kraft zurückgeschossen. Wir lagen in den<br />

Schützengräben und sollten immer wieder einmal<br />

„hinausgicken“, wo der Russe sei. Die meisten, die<br />

„hinausgegickt“ haben, traf ein Kopfschuss. Ich hab’<br />

mir gedacht, der hinter mir schreit, soll nur selber<br />

„hinausgicken“.<br />

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