Vampir - Geschlecht - Studie - J. Reum
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geben Stefan und auch Damon ihr Gewaltpotenzial und ihre Androgynität auf, um in<br />
menschliche Rollen schlüpfen zu können.<br />
Twilight 177 ist ein asketischer Gegenentwurf zu allem, was bisher gezeigt worden ist.<br />
Auch hier handelt es sich um eine Teenieliebe zwischen dem <strong>Vampir</strong> Edward Cullen<br />
und dem menschlichen Mädchen Bella 178 .<br />
Der Film zeigt eine klassisch-stereotype <strong>Geschlecht</strong>errollenteilung und bildet die<br />
Realität ab, auf Kosten des bisherigen <strong>Vampir</strong>mythos. Er propagiert die bürgerlichen<br />
Ideale der Ehe und Liebe, die klar getrennt vom <strong>Geschlecht</strong>sakt funktioniert. Edward<br />
weigert, sich Bella zu verwandeln, bevor sie verheiratet sind – denn, wie bereits<br />
erläutert wurde, bedeutet der Biss nicht nur den Tod des Menschen, sondern auch<br />
eine Art <strong>Geschlecht</strong>sakt. Edwards veralteten moralischen Vorstellungen prägen den<br />
Film und verhindern Sex vor der Ehe.<br />
Die Frau schien durch die Emanzipation zu einer Femme complex ihre Passivität und<br />
Opferrolle abgelegt zu haben – und dann kam Bella. 179 Ihr Lebensinhalt besteht darin,<br />
ihr Menschsein aus Liebe aufzugeben und sich ganz Edward hinzugeben – sich ihm<br />
zu opfern. Damit begründet sie eine Rückentwicklung zu einer gender-konservativen,<br />
unmodernen, tugendhaften Frau, die sich klar dem Mann unterordnet. Bella ist wieder<br />
die typische Femme fragile und Edward ihr männlicher, starker Beschützer. Edward<br />
nimmt ihr Entscheidungen ab und die Verantwortung liegt ausschließlich bei ihm.<br />
Edward hindert Bella durch den verfrühten Biss an einer Emanzipation und der<br />
Entwicklung einer eigenen Sexualität. Ihr Fordern und Drängen ist nicht stark genug,<br />
deshalb wartet sie, bis Edward ihre Mündigkeit nicht weiter aufschieben kann. Bella<br />
entscheidet sich bewusst für Edward und für die Aufgabe ihres menschlichen<br />
Daseins, denn nur Edward ist ihr Lebensinhalt.<br />
Doch auch Edward entspricht nicht mehr dem bisherigen <strong>Vampir</strong>ideal. Adelheid<br />
Kegler vertritt die These, dass Edward viel mehr einem gefallenen Engel gleicht, als<br />
einem sadistisch-bösen <strong>Vampir</strong>. 180 Tatsächlich hat er mit anderen <strong>Vampir</strong>en nur die<br />
spitzen Eckzähne und die Abhängigkeit von Blut gemein. Ihn umgibt keine erotische<br />
und gewalttätige Aura mehr, auch wenn er sexy und anziehend ist. Durch Bellas<br />
Liebe wird er erlöst, doch er bleibt einer Engelsstatue aus einer Kathedrale ähnlich. 181<br />
Die Ironie der neuen Entwicklung des <strong>Vampir</strong>motivs ist, dass der <strong>Vampir</strong> nun zum<br />
Objekt der Begierde des Menschen geworden ist und nicht umgekehrt, wie es<br />
jahrhundertelang der Fall war. <strong>Vampir</strong>e sind zu Universalgenies geworden, die<br />
Mädchen dahinschmachten lassen, weshalb diese auch gerne ihre Rollen als<br />
177 Vgl. Hardwicke, Catherine (2008): Twilight. Biss zum Morgengrauen. Eurovideo Bildprogramm GmbH.<br />
178 Bella – eine Anspielung auf Die Schöne und das Biest? Auch Bella verliebt sich in ein Biest, dass aber<br />
eigentlich ein Mensch ist; bzw. im Falle Edwards sich so benimmt.<br />
179 Vgl. Kührer (2010): S. 204-205, 222.<br />
180 Vgl. Kegler, Adelheid (2009): „Wir werden verwandelt, und die Toten ersteh’n unverweslich“. Das<br />
Märchen vom steinernen Edward und der Stolper-Bella. In: Petzold, Dieter (Hrsg.) (2009): Der <strong>Vampir</strong>.<br />
Von der Dämmerung der Gothic Novel bis zum Morgen-Grauen des Teenieromans. Tagung am 2. Und 3.<br />
Oktober 2009 in Köln. Brendow Verlag. Moers. S. 111-129.<br />
181 Vgl. ebd. S. 123.<br />
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