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Vampir - Geschlecht - Studie - J. Reum

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ist makellos, sein Haar sowie seine Kleidung sitzen perfekt. In modernen Worten:<br />

Den <strong>Vampir</strong> umgibt eine metrosexuelle Aura. 171<br />

Der schöne <strong>Vampir</strong> Louis, aus Interview mit einem <strong>Vampir</strong>, ist bisher der<br />

menschlichste aller <strong>Vampir</strong>e. 172 Er verkörpert Einsamkeit, Melancholie und<br />

Charisma. Er hat Gefühle, Gedanken und Sorgen, die er nicht ausschalten kann und<br />

aufgrund dessen er kein vollwertiger <strong>Vampir</strong> werden kann. Die logische<br />

Schlussfolgerung ist, dass er versucht, Tierblut zu trinkt, aber trotzdem der<br />

Versuchung unterliegt. Sein menschliches Auftreten, sein Hadern mit dem Schicksal,<br />

ermöglicht den Zuschauern eine Identifikation mit ihm. Louis‘ Monstrosität liegt nur<br />

in seinem Seelenzustand. Er ist das Gute, das dem bösen Lestat gegenübersteht.<br />

Lestat ist ein <strong>Vampir</strong> mit Hang zu Theatralik und Überschwang. Er nimmt sich ohne<br />

Hemmungen, was er braucht und will. Ihn umgibt eine stark erotische Aura, seinen<br />

Speiseplan wählt er aus ästhetischen Gründen, nicht aus geschlechtlichen. Sein Ideal<br />

und Ziel ist die vollkommene Lust. So erscheint ein Zwischenspiel mit zwei<br />

Prostituierten wie ein <strong>Geschlecht</strong>sakt und nicht wie Mord, oder bloßes Stillen seines<br />

Hungers. Eine der beiden Frauen räkelt sich stöhnend und lüstern unter Lestats Biss.<br />

Schon seit jeher hat der Biss einen sexuellen Beigeschmack, den der Regisseur<br />

bewusst hervorhebt. Genau deshalb ist das <strong>Geschlecht</strong> nicht wichtig, sondern der<br />

orgiastische Austausch von Blut. Lestat hat keine moralischen Skrupel wie Louis, er<br />

ist der vollkommene, erhabene und ewige Genussmensch, gierig nach dem Saft des<br />

Lebens.<br />

Louis, der mehr Respekt vor dem menschlichen Leben hat, streitet sich oft mit seinem<br />

Schöpfer Lestat über dessen Lebensweise. Durch das pädophile und inzestuöse<br />

Erschaffen des <strong>Vampir</strong>mädchens Claudia, wodurch Lestat Louis an sich binden will,<br />

gründen sie eine Familie der anderen Art. Lestat verkörpert den herrschsüchtigen<br />

Vater, der eigentlich nur seine eigenen Ziele durchsetzen will. Louis hingegen<br />

übernimmt Claudia gegenüber die Mutterrolle, aber auch die Rolle des Geliebten, die<br />

im Film allerdings zurückgestellt wird. Somit verkörpern sie die perfekten<br />

androgynen Wesen, die über <strong>Geschlecht</strong> und Rollenzuteilung stehen und handeln. Sie<br />

vereinen die Tragik von Liebe und Tod mit einer übersinnlichen Erotik. Außerdem<br />

bilden sie ein modernes Bild der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ab.<br />

Claudia, das einzige weibliche Wesen, das nicht nur als Opfer auftaucht, wird<br />

äußerlich engelsgleich dargestellt, aber innerlich ist sie der Teufel. Im Laufe der Jahre<br />

perfektioniert sie ihren Jagdtrieb ganz wie ihr Vater Lestat. Sie ist wie alle anderen<br />

<strong>Vampir</strong>innen keine Femme fatale, denn sie ist trotz allem noch ein Kind. Dennoch<br />

sehnt sie sich danach, Erwachsen zu werden und eine eigene Sexualität zu haben. Ihre<br />

Außenseiterrolle wird dadurch bestätigt, dass sie nicht durch <strong>Vampir</strong>jäger stirbt,<br />

sondern durch <strong>Vampir</strong>e, die sie irrtümlich für einen Verstoß ihres Ehrenkodex<br />

bestrafen wollen.<br />

171 Vgl. Grassbaugh Forry (2006): S. 253.<br />

172 Vgl. Jordan, Neil (1994): Interview mit einem <strong>Vampir</strong>. Warner Home Video.<br />

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