Vampir - Geschlecht - Studie - J. Reum
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eingebüßt und begegnet uns immer häufiger als amerikanisierter Teenieschwarm und<br />
Highschoolstar. 158<br />
David Pirie sieht den Erfolg des Leinwandvampirs darin, dass er als<br />
dreidimensionales Wesen und als Produkt unseres Wunschdenkens für den Film, der<br />
die lebhaftesten, verborgenen Triebe zeigt und befriedigt, gut geeignet ist. Auch im<br />
Film ist es unmöglich, das Phänomen <strong>Vampir</strong> von seiner Sexualität und seinem<br />
Gewaltpotenzial zu trennen. Der <strong>Vampir</strong> kennt keine Grenzen. 159<br />
Wohl kaum eine andere übernatürliche und religiöse Konzeption entspricht mehr der<br />
zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als der <strong>Vampir</strong>. Im Zusammenhang mit<br />
dem Schwinden religiöser Überzeugungen ist der <strong>Vampir</strong>ismus weiterhin die<br />
sinnlichste, am wenigsten vergeistigte aller überwirklichen Offenbarungen. Er stellt<br />
den Triumph des <strong>Geschlecht</strong>lichen über den Tod, des Fleisches über den Geist und der<br />
Materie über das Unsichtbare dar. Er negiert fast alles außer der rein physischen<br />
Sinnesbefriedigung. 160<br />
Im Verlauf des folgenden Kapitels wird ebenso, wie im Kapitel zuvor, die<br />
Entwicklung des <strong>Vampir</strong>s beschrieben, wobei vor allem die Aspekte der Sexualität,<br />
<strong>Geschlecht</strong>erkonstruktion und der Vermenschlichung hervorgehoben werden.<br />
5.1 Der klassische <strong>Vampir</strong>film – der <strong>Vampir</strong> als Monster<br />
Der klassische <strong>Vampir</strong>film ist selten geworden. Meist ist der <strong>Vampir</strong>film ein Mix aus<br />
mehreren Genres, vom ernsthaften Horrorfilm, über den pornografischen Film bis zu<br />
Splattermovies und zu Vermischungen von fantastischen Figuren. Stets unter dem<br />
Motto: jedem sein <strong>Vampir</strong>; vor allem: jedem sein sexy <strong>Vampir</strong>. Gerade im Film ist es<br />
möglich die Sexualität des <strong>Vampir</strong>s anhand freizügiger Kleidung, anrüchiger<br />
Bewegungen und Blicken, oder Geräuschen darzustellen. Doch am Anfang steht<br />
Nosferatu, der jegliche sexuelle Anziehungskraft entbehrt.<br />
5.1.1 Nosferatu<br />
Nicht so hastig mein junger Freund!<br />
Niemand enteilt seinem Schicksal. 161<br />
Friedrich Wilhelm Murnaus illegale, schlecht getarnte Draculaverfilmung Nosferatu –<br />
Eine Symphonie des Grauens von 1922, muss zwar auf Farbsymbolik und Sprache<br />
verzichten, nicht aber auf einen grauenvollen Grafen, der sich Orlok nennt.<br />
Murnau lässt die sexuelle Komponente des <strong>Vampir</strong>s außen vor und fokussiert das<br />
folkloristische Bild des abscheulichen <strong>Vampir</strong>s, der Tod und Verderben bringt. Orlok<br />
hat die literarische Schönheit eingebüßt und sieht mit seinen großen tief liegenden<br />
Augen, den buschigen Brauen, der Hakennase, den klauenartigen Fingern, dem<br />
raubtierhaften Gebiss, seinem schmalen eingefallenen Gesicht, dem kahlen Kopf und<br />
158 Vgl. Ostermann, Sandra (2004): Ein Genre mit Biss – Untersuchungen zum <strong>Vampir</strong>ismus. In: Schlicht,<br />
Corinna (Hrsg.) (2004): Sexualität und Macht. Kultur-, literatur-, und filmwissenschaftliche Betrachtungen.<br />
Verlag Karl Maria Laufen. Oberhausen. S. 47, 49.<br />
159 Vgl. Pirie, David (1977): <strong>Vampir</strong> Filmkult. Internationale Geschichte des <strong>Vampir</strong>films vom Stummfilm<br />
bis zum modernen Sex-<strong>Vampir</strong>. Prisma Verlag GmbH. Gütersloh. S. 98.<br />
160 Zit. n. ebd. S. 6.<br />
161 Zit. n. Murnau, Friedrich Wilhelm (1922): Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens. Universum Film.<br />
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