Vampir - Geschlecht - Studie - J. Reum
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seiner über die Konvention erhabene Art die menschlich konstruierten Konflikte<br />
zwischen Lebendigkeit und Jenseitigkeit, Sinnlichkeit und Moral, Wissen und<br />
Unwissen, Endlichkeit und Unendlichkeit. 111<br />
Eine Figur wie Lord Byron unterstreicht die Ambivalenz des <strong>Vampir</strong>s. Er versucht<br />
sich seine Menschlichkeit zu bewahren und ist doch erhaben über deren Konflikte<br />
und Einschränkungen. Nur so kann er zu einem androgynen Wesen werden, da dieses<br />
Konzept jenseits von Klischees und Konventionen funktioniert.<br />
4.2 Der weibliche <strong>Vampir</strong> im Laufe der Zeit<br />
Laßt [sic!] uns die Wollust mit dem Tode vereinen. 112<br />
Die Geschichte der <strong>Vampir</strong>in beginnt mit Lilith, der ersten Frau Adams, die dazu<br />
verflucht wurde, ewig zu leben, Kinder zu töten und sie zu verzehren. 113 Lange Zeit<br />
wird die <strong>Vampir</strong>in nur von der männlichen Gedankenwelt hervorgebracht und<br />
unterliegt männlichen Weiblichkeitsbildern. 114 Dadurch entwickelt sich die stereotype<br />
Dichotomie von Femme fragile und Femme fatale. Die Femme fragile ist zart,<br />
zierlich, kindlich und kränklich. Sie wirkt anziehend auf sensible Männer, vor allem<br />
Künstler, und weckt deren Beschützerinstinkt. 115 Die Femme fatale hingegen „ist<br />
Erotik pur, [sie] verkörpert wohl auch die positiven, aber vor allem die<br />
zerstörerischen Aspekte der erotischen Leidenschaft.“ 116 Sie ist Abbild männlicher<br />
Wünsche und auch Ängste – Angst vor Impotenz und Verstörung angesichts der<br />
Emanzipation der Frau. 117 Männer fürchten durch die Attraktivität der Femme fatale<br />
und ihre sexuelle Macht die Kontrolle über sich selbst und sie zu verlieren.<br />
Die ausgewachsene vampirische Frau ist meist eine Femme fatale – ein Vamp, eine<br />
Täterin – die menschliche Frau dagegen eine Femme fragile, ein Opfer. Für die<br />
<strong>Vampir</strong>in gilt die geschlechtliche Rollenteilung nicht zwingend. Sie tritt männlichaggressiv<br />
auf, aber auch zärtlich liebend. Der <strong>Vampir</strong> bewegt sich nur bezüglich dem<br />
biologischem <strong>Geschlecht</strong> in vorgefertigten Normen. Mann bleibt Mann und Frau<br />
bleibt Frau. Das biologische <strong>Geschlecht</strong> ist nicht austauschbar, gender durchaus. 118<br />
Das <strong>Geschlecht</strong>erproblem stellt sich in bezug [sic!] auf den <strong>Vampir</strong> nicht. Seine<br />
übersinnlichen und übermenschlichen Fähigkeiten und Talente sind geschlechtlich<br />
austauschbar. Der <strong>Vampir</strong> als Mann oder Frau ist gleichberechtigt in Macht,<br />
Grausamkeit, Schönheit und historischer, literarischer Häufigkeit des Auftretens.<br />
Seine jeweilige geschlechtliche Ausprägung richtet sich nach dem <strong>Geschlecht</strong> des<br />
menschlichen Opfers seiner blutigen Aufmerksamkeit. 119<br />
111 Zit. n. Fratz (2001): S. 43.<br />
112 Zit. n. Chateaubriand. In: Praz (1994): S. 187.<br />
113 Vgl. Ruthner (2005): S. 17.<br />
114 Vgl. Claes (1994): S. 25.<br />
115 Vgl. Cella, Ingrid (2005): „… es ist überhaupt gar nichts da.“. Strategien der Visualisierung der<br />
vampirischen Femme fatale. In: Bertschick, Julia/Tuczay, Christa Agnes (Hrsg.) (2005): Poetische<br />
Wiedergänger. Deutschsprachige <strong>Vampir</strong>ismus-Diskurse vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Narr Francke<br />
Attempto Verlag GmbH + Co. KG. Tübingen. S. 185.<br />
116 Zit. n. ebd. S. 186.<br />
117 Vgl. ebd. S. 188.<br />
118 Vgl. Grassbaugh Forry (2006): S. 260.<br />
119 Zit. n. Fratz (2001): S. 9.<br />
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