Vampir - Geschlecht - Studie - J. Reum
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
wiederum zehrt Lord Byron in seinem Opus The Giaur von 1816. 81 Diese ersten<br />
Werke lösen eine große Debatte ob des literarischen Wertes der <strong>Vampir</strong>figur aus.<br />
Im Laufe der Literaturgeschichte ändert sich die Perspektive der Erzählung, was<br />
wiederum auf die zunehmende Vermenschlichung des <strong>Vampir</strong>s zurückzuführen ist.<br />
Die früheren Geschichten und Gedichte schildern die Vorfälle aus der Sicht des<br />
Opfers oder der <strong>Vampir</strong>jäger und unterstreichen damit den scheusalhaften Charakter<br />
des <strong>Vampir</strong>s. Wohingegen neuere Erzählungen aus der Sicht der <strong>Vampir</strong>e erzählen<br />
und sie somit zu Sympathieträgern werden. 82 Der <strong>Vampir</strong> wird zur Metapher der<br />
eigenen, inneren und menschlichen Monstrosität und erhält eine Subjektivität.<br />
Die <strong>Vampir</strong>e entwickeln sich von den „(…) halb verwesten Underdogs, die auf<br />
bosnischen Friedhöfen hausten (…) zu verruchten Objekt[en] der Begierde, auf d[ie]<br />
die Massen fliegen.“ 83 Diese Entwicklung – diese Menschwerdung – sei anhand<br />
literarischer Beispiele im Folgenden genauer dargestellt, indem ihre Rollen näher<br />
betrachtet werden.<br />
4.1 Der männliche <strong>Vampir</strong> im Laufe der Zeit<br />
Die großen Klassiker kommen aus Großbritannien, Frankreich und auch Russland,<br />
doch die Vorreiter stammen ursprünglich aus Deutschland. Deutsche Quellen machen<br />
den <strong>Vampir</strong> bekannt, doch die meisten davon sind heute verschollen. 84 Als Begründer<br />
des modernen <strong>Vampir</strong>mythos sind drei Autoren zu nennen, nämlich Lord Byrons<br />
Leibarzt John William Polidori (1795-1821) und die beiden Iren J. Sheridan Le Fanu<br />
(1814-1873) und Bram Stoker (1847-1912). Polidori und Le Fanu wecken das<br />
Interesse für das Sujet, doch Stoker prägt das literarische Bild, das wir noch heute<br />
von einem typischen <strong>Vampir</strong> haben. 85<br />
Der Boden wurde von einer literarischen Bewegung, der Gothic Novel [Hervorhebung<br />
im Original], bereitet, die Horace Walpole mit The Castle of Otranto (1764)<br />
[Hervorhebung im Original] initiiert wurde. Er hat die Landschaftselemente in die<br />
literarische Mode eingeführt, die wir noch heute in <strong>Vampir</strong>geschichten antreffen: alte,<br />
verfallene Schlösser, Kapellenruinen, verlassene Friedhöfe (…). 86<br />
Die Heimat der gothic novel entpuppt sich als fruchtbarer (oder eher als furchtbarer)<br />
Boden für die <strong>Vampir</strong>literatur. 87 Sämtliche Autoren orientieren sich noch heute daran<br />
und an Lord Byron, der sein literarisches Bild des gothic villain selbst zu verkörpern<br />
schien. 88<br />
4.1.1 Anfänge in England – Lord Byron und John William Polidori<br />
Das Treffen großer Literaten in Lord Byrons Villa Diodati in Genf, 1816, ist ein<br />
Meilenstein in der Entwicklung des <strong>Vampir</strong>motivs. Byrons dort entstandene<br />
81 Vgl. Ruthner (2004): S. 140.<br />
82 Vgl. Duchek (2006): S. 241.<br />
83 Zit. n. Köppl (2010): S. 50.<br />
84 Vgl. Schaub (2008): S. 167. Nicht erhalten ist u.a. Ignaz Ferdinand Arnolds Buch Der Vampyr (1801).<br />
85 Vgl. Lecouteux (2008): S. 19.<br />
86 Vgl. ebd. S. 19.<br />
87 Vgl. Schaub (2008): S. 171.<br />
88 Vgl. Praz (1994): S. 84.<br />
17