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Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

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210<br />

RÜ 4/2012<br />

Der BGH prüft nur den Anspruch aus<br />

§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, da es in<br />

einem Urteil ausreicht, wenn der Anspruch<br />

aus einer Anspruchsgrundlage<br />

besteht. In einem Gutachten sind die<br />

konkurrierenden Anspruchsgrundlagen<br />

ebenfalls anzusprechen.<br />

Der BGH geht auf die deliktischen Verkehrssicherungspflichten<br />

der Bahn nicht<br />

ein und auch die Vorinstanz (OLG Düsseldorf,<br />

Urt. v. 20.04.2011 – 18 U 158/10,<br />

lässt diese Frage sogar ausdrücklich offen.<br />

Bei entsprechender Argumentation ist<br />

sicherlich auch eine deliktische Verkehrssicherungspflicht<br />

der Bahn vertretbar.<br />

Rechtsprechung<br />

II. Die Klägerin könnte gegen die Deutsche Bahn AG ferner einen Anspruch<br />

auf Schadensersatz gemäß § 1 Abs. 1 HaftPflG haben.<br />

Dies würde allerdings voraussetzen, dass die Klägerin „bei Betrieb“ einer<br />

Schienenbahn verletzt wurde. Der Sturz der Klägerin steht jedoch mit einem<br />

Verkehrsvorgang nicht unmittelbar in Zusammenhang, sodass eine Haftung<br />

nach § 1 HaftPflG ausscheidet.<br />

III. Die Klägerin könnte gegen die Deutsche Bahn AG einen Anspruch auf<br />

Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB haben.<br />

1. Die Klägerin hat sich bei dem Sturz verletzt, sodass eine Rechtsgutsverletzung<br />

i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB vorliegt.<br />

2. Die Verletzung der Klägerin ist nicht durch aktives Tun der Deutschen Bahn<br />

AG kausal verursacht worden. Allerdings könnte die Deutsche Bahn AG die<br />

Verletzung durch ein pflichtwidriges Unterlassen verursacht haben. Dies<br />

würde jedoch voraussetzen, dass die Deutsche Bahn AG verpflichtet gewesen<br />

wäre, das Glatteis auf den Bahnsteig zu beseitigen. Dies wäre der Fall, wenn<br />

der Bahn eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht oblegen hätte.<br />

Verkehrssicherungspflichtig ist im Allgemeinen derjenige, der eine Gefahrenquelle<br />

eröffnet, sie also beherrscht. Dies ist bei Grundstücken in erster Linie<br />

der jeweilige Grundstückseigentümer, hier also nicht die Deutsche Bahn AG,<br />

sondern die Deutsche Bahn Station & Service AG. Mithin bestand keine (deliktische)<br />

Verkehrssicherungspflicht der Deutschen Bahn AG.<br />

Ergebnis: Die Klägerin hat gegen die Deutsche Bahn AG keinen Anspruch auf<br />

Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB.<br />

IV. Schließlich könnte die Klägerin einen Anspruch gegen die Deutsche<br />

Bahn AG gemäß § 831 BGB haben.<br />

Dann müsste die Deutsche Bahn Station & Service AG Verrichtungsgehilfin der<br />

Deutsche Bahn AG sein. Verrichtungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen<br />

des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig und von dessen Weisungen abhängig<br />

ist. Selbstständige Unternehmen fallen aus dem Anwendungsbereich<br />

heraus, da sie für ihr Verhalten selbst verantwortlich und deshalb auch nicht<br />

weisungsgebunden sind.<br />

Ergebnis: Die Klägerin hat gegen die Deutsche Bahn AG keinen Anspruch auf<br />

Schadensersatz gemäß § 831 BGB.<br />

V. Gesamtergebnis: Die Klägerin hat gegen die Deutsche Bahn AG einen Anspruch<br />

auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.<br />

Die vertragliche Haftung für Pflichtverletzungen des Erfüllungsgehilfen ist ein<br />

„Klassiker“ in Examensklausuren. Die Entscheidung des BGH wendet bekannte<br />

Strukturen an: Eine vertragliche Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ist<br />

wegen § 278 BGB zu bejahen, während im Deliktsrecht eine derart weite<br />

Zurechnung nicht möglich ist. Die „Weichen“ für die Entscheidung werden<br />

bei der Frage gestellt, ob die Deutsche Bahn AG auch die sichere Benutzung<br />

der Bahnsteige als Nebenpflicht zum Beförderungsvertrag schuldet. Dies ist<br />

– auch nach rechtlicher Trennung von Beförderungsunternehmen und Infrastruktur<br />

– vom BGH zu Recht bejaht worden. Ein schönes Motiv für eine Examensklausur,<br />

das Sie – einschließlich der sicherlich nicht allgemein bekannten<br />

Anspruchsgrundlage aus § 1 Abs. 1 HaftPflG – kennen sollten.<br />

Dr. Till Veltmann

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