Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
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Repetitorium<br />
Der Grundsatz der Gesetzesbindung wird durch zwei Grundsätze konkretisiert:<br />
� Nach dem Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes darf keine staatliche Maßnahme<br />
gegen Rechtsnormen verstoßen („kein Handeln gegen Gesetz“).<br />
� Nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes ist eine hoheitliche<br />
Maßnahme grundsätzlich nur zulässig, wenn das Handeln in einer Rechtsnorm<br />
gestattet ist („kein Handeln ohne Gesetz“).<br />
Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt allerdings nicht für die gesamte Staatstätigkeit,<br />
sondern nur für den Bürger belastende Maßnahmen und wesentliche Entscheidungen<br />
(Wesentlichkeitstheorie). Wesentlich in diesem Sinne sind vor allem Maßnahmen,<br />
die den Grundrechtsbereich tangieren, sowie Angelegenheiten, die erhebliche<br />
Auswirkungen für die Allgemeinheit haben (z.B. friedliche Nutzung der Atomkraft).<br />
c) Bindung an Grundrechte<br />
Ein weiteres bedeutsames Element des Rechtsstaatsprinzips ist das Bestehen<br />
von Grundrechten des Bürgers, die das staatliche Handeln begrenzen (Art. 1<br />
Abs. 3 GG) und dem Bürger eine gesicherte Freiheitssphäre einräumen. Deshalb<br />
kann sich aus Grundrechten auch eine Schutzpflicht des Staates gegenüber<br />
Eingriffen Dritter ergeben.<br />
d) Effektiver Rechtsschutz<br />
Im Rechtsstaat muss die Gesetzesbindung vom Bürger durchgesetzt werden<br />
können. Deshalb gehört die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes<br />
gegenüber Hoheitsakten (Art. 19 Abs. 4 GG) ebenso zum Rechtsstaatsprinzip<br />
wie die Existenz von Justizgrundrechten (Art. 101, 103, 104 GG). Auch im Verhältnis<br />
der Bürger untereinander muss ausreichender Rechtsschutz durch<br />
staatliche Gerichte gewährleistet sein.<br />
e) Bestimmtheit<br />
Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist der Bestimmtheitsgrundsatz. Gesetze<br />
können ihre Funktion, das Verhalten des Bürgers zu steuern, nur erfüllen,<br />
wenn sie hinreichend bestimmt sind (Grundsatz der Normenklarheit). Dasselbe<br />
gilt für sonstige hoheitliche Maßnahmen (z.B. für Verwaltungsakte, § 37<br />
Abs. 1 VwVfG). Der Bürger muss wissen, was von ihm verlangt wird und nicht<br />
Gefahr laufen, sich anzustrengen und trotzdem seine Pflichten nicht oder<br />
nicht ausreichend zu erfüllen. Der Grad der Bestimmtheit lässt sich allerdings<br />
nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.<br />
Ausreichend ist, dass sich der Inhalt der staatlichen Maßnahme durch Auslegung<br />
ermitteln lässt.<br />
f) Verhältnismäßigkeit<br />
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird (zumindest auch) aus dem<br />
Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. Danach muss jede (belastende) staatliche Maßnahme<br />
zur Verfolgung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen<br />
sein.<br />
� Geeignet ist die Maßnahme, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg<br />
zumindest gefördert werden kann (er muss also nicht unbedingt erreicht<br />
werden).<br />
Bei Gesetzen billigt das BVerfG der Legislative einen Prognosespielraum zu. Zu prüfen<br />
ist nur, ob das Gesetz zum erstrebten Zweck „objektiv untauglich“ oder „schlechthin<br />
ungeeignet“ sei. Die Verwaltung ist demgegenüber an die gesetzlichen Vorgaben<br />
gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG), ohne dass ihr ein solcher Spielraum zusteht.<br />
� Erforderlich ist eine Maßnahme nur, wenn zur Verfolgung des Zwecks kein<br />
anderes gleich wirksames, aber den Bürger weniger belastendes Mittel zur<br />
Verfügung steht.<br />
RÜ 4/2012<br />
Besondere Ausprägungen des Bestimmtheitsgrundsatzes<br />
finden sich in Art. 80<br />
Abs. 1 S. 2 GG (für Rechtsverordnungen)<br />
und Art. 103 Abs. 2 GG (für Strafgesetze).<br />
Im Grundrechtsbereich ergibt sich der<br />
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in<br />
erster Linie aus dem betroffenen Grundrecht<br />
selbst.<br />
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