Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
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RÜ 4/2012<br />
Gegenbegriff ist der Willkürstaat, etwa in<br />
faschistischen oder kommunistischen Diktaturen.<br />
III. Rechtsstaatsprinzip<br />
1. Rechtliche Herleitung<br />
Repetitorium<br />
Die weitaus größte Bedeutung in der Klausur haben die Ausprägungen des<br />
Rechtsstaatsprinzips. Obwohl dieses Prinzips in Art. 20 GG nicht ausdrücklich<br />
erwähnt wird, ist allgemein anerkannt, dass es zu den grundlegenden <strong>Staatsstrukturprinzipien</strong><br />
zählt. Vorausgesetzt wird das Rechtsstaatsprinzip z.B. in<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG („rechtsstaatlichen … Grundsätzen“) und Art. 28 Abs. 1<br />
S. 1 GG („Rechtsstaates“). Die wichtigsten Ausprägungen finden sich in Art. 1<br />
Abs. 3 GG (Bindung an die Grundrechte), in Art. 20 Abs. 2 S. 2, 3. Fall GG (Gewaltenteilung)<br />
und Art. 20 Abs. 3 GG (Bindung an Recht und Gesetz).<br />
2. Definition<br />
Rechtsstaat ist ein Staat, dessen Ziel die Gewährleistung von Freiheit und Gerechtigkeit<br />
im staatlichen und staatlich beeinflussbaren Bereich ist und dessen<br />
Machtausübung durch Recht und Gesetz geregelt und begrenzt wird. Im<br />
Rechtsstaat ist das Recht primärer Ordnungsfaktor (Primat des Rechts).<br />
a) Gewaltenteilung (Funktionentrennung)<br />
Rechtsgrundlage des Gewaltenteilungsprinzips ist Art. 20 Abs. 2 S. 2, 3. Fall GG.<br />
Danach wird die Staatsgewalt vom Volk durch besondere Organe „der Gesetzgebung,<br />
der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung“ ausgeübt.<br />
Der Gedanke der Gewaltenteilung geht zurück auf den englischen Rechtsphilosophen<br />
Locke (1632–1704) und wurde später von dem französischen Staatstheoretiker Montesquieu<br />
(1689–1755) fortentwickelt.<br />
Grundlegend für die Gewaltenteilungslehre ist die Unterscheidung zwischen<br />
drei materiellen Staatsfunktionen: Legislative (Gesetzgebung), Exekutive<br />
(Verwaltung), Judikative (Rechtsprechung). Durch wechselseitige Begrenzung<br />
und Kontrolle der Machtausübung („checks and balances“) wird verhindert,<br />
dass eine der drei Funktionen eine übergeordnete Stellung erlangt.<br />
Die Regierung ist vom Vertrauen des Parlaments abhängig (Art. 63, 67, 68 GG). Verwaltung<br />
und Rechtsprechung sind an die vom Parlament erlassenen Gesetze gebunden<br />
(Art. 20 Abs. 3 GG). Die Gerichte kontrollieren die Verfassungsmäßigkeit der vom Parlament<br />
erlassenen Gesetze und die Rechtmäßigkeit einzelner Exekutivakte (Art. 92, 93,<br />
19 Abs. 4 GG) u.v.m.<br />
Ausfluss der Gewaltenteilung ist auch die sog. Inkompatibilität (auch personelle<br />
Gewaltenteilung). Niemand darf zwei Ämter innehaben, die sich gegenseitig<br />
kontrollieren oder hemmen sollen.<br />
Vgl. beispielhaft Art. 55 Abs. 1 GG (Bundespräsident), Art. 66 GG (Regierungsmitglieder),<br />
Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG (Richter des BVerfG), Art. 137 GG (Beamte).<br />
Durchbrechungen des Gewaltenteilungsprinzips sind zulässig, wenn ein besonderer<br />
sachlicher Grund besteht (vgl. z.B. Art. 80 Abs. 1 GG, wonach die Exekutive<br />
Rechtsverordnungen als Gesetze im materiellen Sinne erlassen darf).<br />
Unzulässig ist in jedem Fall ein Eingriff in den Kernbereich einer anderen Gewalt,<br />
auch darf eine Gewalt kein deutliches Übergewicht gegenüber den anderen<br />
Gewalten erhalten.<br />
b) Bindung an Recht und Gesetz<br />
Die Legislative ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden (Art. 20<br />
Abs. 3, 1. Halbs. GG), d.h. Gesetze müssen verfassungsgemäß sein. Exekutive<br />
und Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3,<br />
2. Halbs. GG). Die Legislative kann die beiden anderen Gewalten daher durch<br />
Gesetze binden. Die Gesetzesbindung bezieht sich auf das Grundgesetz (insbesondere<br />
die Grundrechte, Art. 1 Abs. 3 GG) und alle sonstigen einfachrechtlichen<br />
Normen des Bundes- und Landesrechts.