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Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

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RÜ 4/2012<br />

Zu den unterschiedlichen Anforderungen<br />

an Freiheitsbeschränkungen und Freiheitsentziehungen<br />

vgl. AS-Skript Grundrechte<br />

[2011], Rdnr. 177 ff.<br />

Zum identischen Landesrecht vgl. Art. 19<br />

Abs. 3 S. 3 PAG Bay; § 32 Abs. 3 S. 3 ASOG<br />

Bln; § 19 Abs. 3 S. 3 BbgPolG; § 15 Abs. 4<br />

S. 2 BremPolG; § 13 b Abs. 3 S. 3 SOG<br />

Hmb; § 34 Abs. 3 S. 3 HSOG; § 56 Abs. 4<br />

SOG MV; § 20 Abs. 4 S. 3 Nds SOG; § 37<br />

Abs. 3 S. 3 PolG NRW; § 16 Abs. 3 S. 3 POG<br />

RP; § 15 Abs. 3 S. 3 SPolG; § 22 Abs. 6 S. 1<br />

SächsPolG; § 39 Abs. 3 S. 3 SOG LSA; § 205<br />

Abs. 4 LVwG SH; § 21 Abs. 3 S. 3 Thür PAG.<br />

Ob dem K mit einer Entscheidung fast<br />

acht Jahre nach den Vorfällen wirklich<br />

noch gedient ist, dürfte indes zweifelhaft<br />

sein.<br />

Rechtsprechung<br />

V. Weitere besondere Sachurteilsvoraussetzungen bestehen bei der allgemeinen<br />

Feststellungsklage nicht, insbesondere ist vor Klageerhebung kein Vorverfahren<br />

durchzuführen und auch keine Klagefrist zu beachten.<br />

Die Klage des K ist damit als allgemeine Feststellungsklage zulässig.<br />

B. Begründetheit der Klage<br />

Die (negative) Feststellungsklage ist begründet, wenn das streitige Rechtsverhältnis<br />

nicht besteht, die Behörde also nicht berechtigt war, die Ingewahrsamnahme<br />

in der vorliegenden Art und Weise durchzuführen.<br />

I. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Eingriffen in die Freiheit der<br />

Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) hängen wegen der unterschiedlichen Intensität<br />

davon ab, ob eine Freiheitsbeschränkung oder eine Freiheitsentziehung<br />

vorliegt.<br />

„[44] Während eine Freiheitsbeschränkung nur dann vorliegt, wenn jemand durch<br />

die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder<br />

Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich zugänglich ist, ist<br />

der Tatbestand einer Freiheitsentziehung dann verwirklicht, wenn die – tatsächlich<br />

und rechtlich an sich gegebene – körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche<br />

Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (…). Einer derartigen<br />

Freiheitsentziehung war der Kläger durch das mehrstündige Sitzen im Gefangentransportbus<br />

unterworfen. Er konnte sich nicht frei bewegen. Sein Bewegungsradius<br />

war auf engsten Raum beschränkt. Nach den dem Senat vorliegenden Plänen<br />

beträgt der Grundriss einer Einzelkabine in einem derartigen Bus lediglich 77 cm x<br />

95 cm. … [Der Gefangene] kann sich in keiner Richtung bewegen und hat wohl<br />

bis auf einen kleinen Sehschlitz keine Möglichkeit, nach draußen zu sehen, was die<br />

Beengtheit und das Gefühl des Eingesperrtseins noch erheblich verstärkt. Angesichts<br />

dieser extremen Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist das Sitzen im Gefangentransporter,<br />

wie oben bereits dargelegt wurde, nicht durch den Gewahrsam<br />

an sich mit umfasst, sondern stellt einen darüber hinausgehenden schweren<br />

Eingriff in das Recht der Freiheit der Person dar. “<br />

II. Nach Art. 19 Abs. 3 S. 3 PAG dürfen festgehaltenen Personen nur solche Beschränkungen<br />

auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder<br />

die Ordnung im Gewahrsam erfordert. Die Erforderlichkeit könnte hier fehlen,<br />

weil die Möglichkeit bestanden hat, K früher in eine Haftzelle zu verbringen.<br />

„[47] Der Beklagte hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass am Tag der Gewahrsamnahme<br />

des Klägers mehrere Personen aufgegriffen wurden, die an verschiedenen<br />

Veranstaltungen teilgenommen hatten und aus unterschiedlichen<br />

Gründen festgehalten worden sind. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Ingewahrsamnahme<br />

zahlreicher Personen im Rahmen von größeren Veranstaltungen<br />

eine spezifische Problematik aufweist, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die<br />

personelle und sachliche Ausstattung von Behörden und Gerichten begrenzt und<br />

das Ausmaß des notwendigen außergewöhnlichen Einsatzes nur beschränkt<br />

planbar ist und es demzufolge zu Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung<br />

der Ingewahrsamnahmen kommen kann.“<br />

Hier hätte K jedoch nach Abschluss der Vernehmung um 19.00 h in die nahegelegene<br />

Polizeiwache verbracht werden können. Das weitere mehrstündige<br />

Festhalten des K im Gefangenentransportbus war danach nicht erforderlich<br />

und rechtswidrig. Die zulässig Feststellungsklage ist damit auch begründet.<br />

Ergebnis: Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass das mehrstündige Festhalten<br />

des K in einem Gefangenentransportbus, ohne transportiert zu werden,<br />

rechtswidrig war.<br />

Horst Wüstenbecker

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