31.10.2012 Aufrufe

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

256<br />

RÜ 4/2012<br />

Rechtsprechung<br />

Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 u. Abs. 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 104 GG; § 17 a GVG; Polizeirecht<br />

Rechtswidrigkeit des mehrstündigen Festhaltens in einem<br />

Polizeibus<br />

BayVGH, Urt. v. 27.01.2012 – 10 B 08.2849<br />

Leitsätze<br />

1. Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit<br />

der konkreten Art und Weise<br />

des polizeilichen Gewahrsams eines Betroffenen<br />

ist auch nach Beendigung der<br />

Maßnahme zur Gewährleistung effektiven<br />

gerichtlichen Rechtsschutzes zulässig,<br />

wenn eine schwerwiegende Beeinträchtigung<br />

von Grundrechten geltend<br />

gemacht wird.<br />

2. Ein mehrstündiges Festhalten in einem<br />

abgestellten Gefangenentransporter<br />

verletzt den Betroffenen in seinem<br />

Grundrecht auf Freiheit der Person, wenn<br />

in der konkreten Situation eine andere<br />

Möglichkeit bestanden hat, die besonders<br />

belastende Form der Freiheitsentziehung<br />

früher zu beenden.<br />

Fall<br />

Am 29.05.2004 beteiligte sich K mit mehreren anderen Personen an einer Art<br />

Straßentheater in M. Diese Aktion wurde von der Polizei als nicht angemeldete<br />

Versammlung angesehen und deshalb aufgelöst. Da davon ausgegangen<br />

wurde, dass K auch am nächsten Tag nicht angemeldete Demonstrationen<br />

durchführen werde, wurde er um ca. 17.00 h von der Polizei in Gewahrsam<br />

genommen, zu einer Gefangenensammelstelle verbracht und dort zunächst<br />

in einer Einzelzelle in einem Gefangenentransportbus festgehalten (Größe 77<br />

x 95 cm). Um 18.00 h wurde K verhört sowie erkennungsdienstlich behandelt.<br />

Anschließend wurde er wieder in den vor der Sammelstelle geparkten Transportbus<br />

gebracht. Erst um 22.30 h wurde K zur Polizeiwache gefahren. Dort<br />

konnte er den Bus verlassen. Die Nacht verbrachte er in einer Haftzelle. Am<br />

Vormittag des 30.05.2004 wurde K dem zuständigen Richter beim Amtsgericht<br />

vorgeführt. Dieser hob die Freiheitsentziehung auf mit der Begründung,<br />

eine weitere Gewahrsamnahme sei unverhältnismäßig, da die Gefahr einer<br />

Störung der öffentlichen Sicherheit durch K nicht mehr bestehe. K wurde daraufhin<br />

gegen 11.00 h vormittags aus dem Gewahrsam entlassen.<br />

Mit Schriftsatz vom 06.06.2004 beantragte K beim zuständigen Amtsgericht<br />

die Feststellung, dass die Ingewahrsamnahme dem Grunde nach ebenso<br />

rechtswidrig war wie die Behandlung während des Gewahrsams. Mit Urteil<br />

vom 06.05.2005 stellte das Landgericht im Beschwerdeverfahren fest, dass die<br />

Freiheitsentziehung rechtswidrig war. Zwar sei die vorläufige Festnahme des<br />

K zunächst zu Recht erfolgt, da zu befürchten gewesen sei, dass er weitere<br />

Straftaten nach § 26 VersG begehen werde. Jedoch sei das Unverzüglichkeitsgebot<br />

des Art. 104 Abs. 2 S. 2 GG verletzt worden, weil die Polizei nicht umgehend<br />

eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der<br />

Freiheitsentziehung herbeigeführt habe. In Bezug auf die Rüge des K über die<br />

Behandlung während des Gewahrsams erklärte das Landgericht den beschrittenen<br />

Rechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht.<br />

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragt K festzustellen, dass das<br />

mehrstündige Festhalten im Gefangenentransporter, ohne transportiert zu werden,<br />

rechtswidrig war. Jedenfalls nach Abschluss der Vernehmung um 19.00 h<br />

wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, ihn in eine nahegelegene Polizeiwache<br />

zu überführen. Die Behörde verweist demgegenüber darauf, dass der<br />

mehrstündige Aufenthalt des K im Gefangenenbus erforderlich gewesen sei,<br />

da noch weitere in Gewahrsam genommene Personen hätten erkennungsdienstlich<br />

behandelt und vernommen werden müssen. Erst nachdem diese<br />

Maßnahmen abgeschlossen gewesen seien, seien alle festgenommenen Personen<br />

zur Polizeiwache transportiert worden. Wie wird das Verwaltungsgericht<br />

entscheiden?<br />

Hinweis: Im Land L ist von den Ermächtigungen in §§ 61 Nr. 3, 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO<br />

kein Gebrauch gemacht worden. Ein Widerspruchsverfahren findet im Land L (abgesehen<br />

von hier nicht einschlägigen Ausnahmen) nicht statt (68 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs.<br />

VwGO).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!