31.10.2012 Aufrufe

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rechtsprechung<br />

(2) Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie die Zielerreichung zumindest fördern<br />

kann. S trägt vor, dass sich Jugendliche verstärkt der natürlichen Sonnenstrahlung<br />

aussetzen würden, wenn die Nutzung von Solarien verboten würde.<br />

„[24] Dieser Einwand stellt die Geeignetheit des § 4 NiSG zur Erreichung des mit seiner<br />

Einführung verfolgten Zwecks schon deshalb nicht infrage, weil Sonnenstudios<br />

und ähnliche Einrichtungen jederzeit, insbesondere zu jeder Jahreszeit, und<br />

unabhängig von Witterung und Tageszeit die Möglichkeit bieten, sich der UV-<br />

Strahlung auszusetzen. Dass der Ausschluss dieser, die natürlichen Optionen ergänzenden<br />

zusätzlichen Bestrahlungsmöglichkeit zumindest unter mitteleuropäischen<br />

Witterungsbedingungen geeignet ist, eine deutliche Reduzierung der<br />

auf Kinder und Jugendliche einwirkenden UV-Strahlung zu erreichen, durfte der<br />

Gesetzgeber annehmen.“<br />

(3) Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn von mehreren gleich geeigneten<br />

Mitteln das am wenigsten belastende gewählt wird. Andere, gleich wirksame<br />

Mittel, die ebenso effektiv verhindern könnten, dass Jugendliche frühzeitig einer<br />

hohen UV-Strahlung ausgesetzt werden, sind nicht erkennbar.<br />

(4) Das Verbot müsste auch angemessen sein. Das bedeutet, dass bei einer<br />

Gesamtabwägung der Schaden des Einzelnen nicht erkennbar außer Verhältnis<br />

zu dem Nutzen der Allgemeinheit stehen darf.<br />

„[33] [Es] wird dem Minderjährigen mit dem Verbot des § 4 NiSG im Bereich privater<br />

Lebensgestaltung und damit in einem Kernbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit<br />

die Dispositionsbefugnis über die Gestaltung seines Aussehens und<br />

seiner Freizeitgestaltung teilweise genommen, ohne dass es sich dabei um ein<br />

gemeinwohlschädliches Verhalten handeln würde.“<br />

Andererseits ist der Jugendschutz als Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe<br />

im GG ausdrücklich anerkannt (z.B. in Art. 5 Abs. 2 GG). Insbesondere<br />

die mangelnde Einsichtsfähigkeit oder auch -bereitschaft von Jugendlichen<br />

spricht dafür, erst Volljährigen hinsichtlich einer Selbstgefährdung die Entscheidung<br />

zu überlassen, ob sie sich künstlicher UV-Strahlung aussetzen wollen.<br />

Zwar kann die UV-Strahlung im Hinblick auf die Vitamin-D-Bildung auch<br />

positive Effekte aufweisen. Der Vitamin-D-Haushalt kann jedoch auch über<br />

Aufenthalte im Freien ausreichend reguliert werden. Damit stellt § 4 NiSG keine<br />

unangemessene Regelung dar und ist verhältnismäßig.<br />

S ist nicht in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.<br />

II. Verfassungsbeschwerde der Eltern<br />

„[37] Es kann dahinstehen, ob das Verbot des § 4 NiSG in das grundrechtlich geschützte<br />

Erziehungsrecht der [Eltern] eingreift, weil es ihnen die Möglichkeit nimmt,<br />

nach ihren eigenen Erziehungsvorstellungen darüber zu entscheiden, ob ihr Kind<br />

ein Sonnenstudio oder eine ähnliche Einrichtung besuchen können soll. Der Eingriff<br />

wäre jedenfalls gerechtfertigt. [38] Der Eingriff in das Elterngrundrecht aus<br />

Art. 6 Abs. 2 GG wäre nur geringfügig, da es den Eltern unbenommen bleibt, ihrem<br />

Kind im privaten Lebensbereich den Zugang zu einer UV-Bestrahlung zu eröffnen,<br />

wenn sie dies für verantwortbar und richtig halten. Der Gesetzgeber war von Verfassungs<br />

wegen auch nicht gehalten, aus Verhältnismäßigkeitserwägungen ein<br />

bloßes Verbot mit elterlichem Einverständnisvorbehalt vorzusehen. Angesichts<br />

der allenfalls geringen Eingriffsintensität durfte er sich auf ein umfassendes, nicht<br />

nach Altersgruppen und daran anknüpfende Einverständnispflichten differenzierendes<br />

und damit für alle Beteiligten leicht praktikables Verbot entscheiden.“<br />

Damit sind auch die Eltern nicht in ihren Grundrechten verletzt.<br />

Ergebnis: Die Verfassungsbeschwerden bleiben erfolglos.<br />

Ralf Altevers<br />

RÜ 4/2012<br />

Im Originalfall war auch ein Betreiber<br />

eines Sonnenstudios wegen einer Verletzung<br />

der Berufsfreiheit (Art. 12 GG)<br />

gegen § 4 NiSG vorgegangen. Der Eingriff<br />

in die Berufsausübungsfreiheit war<br />

jedoch gerechtfertigt, da „von den potenziellen<br />

Kunden den Betreibern nur die<br />

Minderjährigen und diese auch nur für<br />

die Dauer ihrer Minderjährigkeit entzogen“<br />

würden. Angesichts der hohen<br />

Bedeutung des Jugendschutzes und der<br />

Gefahren für Jugendliche durch UV-<br />

Strahlen ist das Verbot auch insoweit<br />

verhältnismäßig.<br />

Art. 6 Abs. 2 GG umfasst Pflege und Erziehung<br />

der Kinder durch die Eltern und damit<br />

nach herrschendem Verständnis allgemein<br />

die Sorge für das körperliche und<br />

seelische Wohl des Kindes. Legt man dagegen<br />

einen engen Erziehungsbegriff<br />

zugrunde, wäre das Verbot auch bzgl.<br />

der Eltern an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen.<br />

251

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!