Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
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RÜ 4/2012<br />
Gegenstand der Feststellungsklage wäre<br />
nicht die Wirksamkeit der Norm, sondern<br />
die (drohende) Anwendung der Norm<br />
im konkreten Fall (also das der Norm<br />
nachgelagerte Rechtsverhältnis).<br />
Rechtsprechung<br />
die angegriffene Norm nicht zwingend dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen<br />
muss, sondern nur dann, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der<br />
Norm überzeugt ist. Zudem trifft das BVerfG dann auf einen in tatsächlicher<br />
und rechtlicher Hinsicht umfassend vorbereiteten Fall, sodass der Grundsatz<br />
der Subsidiarität auch für nachkonstitutionelle Parlamentsgesetze gilt.<br />
2. Den Beschwerdeführern wäre es ggf. möglich, § 4 NiSG im Rahmen einer<br />
Feststellungsklage (§ 43 VwGO) vor dem VG inzident überprüfen zu lassen.<br />
Das feststellungsfähige Rechtsverhältnis könnte aus der Frage resultieren, ob<br />
sich aus der Anwendung der Norm des § 4 NiSG im konkreten Fall konkrete<br />
Rechte und Pflichten der Beteiligten ergeben, hier bzgl. der (Nicht-)Nutzung<br />
von Solarien. Dies hängt von der Wirksamkeit des § 4 NiSG ab.<br />
3. Eine inzidente Überprüfung im Rahmen einer Feststellungsklage müsste<br />
den Beschwerdeführern auch zumutbar sein. Wenn (insbesondere) S auf einen<br />
fachgerichtlichen Rechtsschutz verwiesen würde, hätte sie vor Erschöpfung<br />
des Rechtsweges bereits das 18. Lebensjahr vollendet und dürfte vorher<br />
als Minderjährige nicht mehr das Solarium nutzen. Es käme zu einer (möglichen)<br />
Rechtsvereitelung. Damit ist eine Inzidentkontrolle nicht zumutbar. Der<br />
Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit nicht entgegen.<br />
VII. Die Form- und Fristregeln (§§ 23 Abs. 1, 92, 93 Abs. 1 BVerfGG) sind eingehalten.<br />
Damit ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.<br />
B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde<br />
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, soweit die Beschwerdeführer<br />
durch § 4 NiSG in ihren Grundrechten verletzt werden.<br />
I. Verfassungsbeschwerde der S<br />
S könnte durch das Verbot in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2<br />
Abs. 1 GG) verletzt sein.<br />
1. Art. 2 Abs. 1 GG schützt jegliches menschliches Verhalten, sodass durch das<br />
Verbot der Solariumsnutzung der Schutzbereich betroffen ist.<br />
„[17] Auch ein Verhalten, das Risiken für die eigene Gesundheit oder gar deren Beschädigung<br />
in Kauf nimmt, ist vom Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit<br />
geschützt.“<br />
2. Wie oben bereits festgestellt, stellt das Verbot der Nutzung eines Sonnenstudios<br />
ein funktionales Äquivalent eines Eingriffs dar.<br />
3. Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.<br />
a) Art. 2 Abs. 1 GG ist einschränkbar durch die verfassungsmäßige Ordnung.<br />
Darunter fallen alle verfassungsgemäßen Gesetze.<br />
b) Fraglich ist, ob § 4 NiSG eine verfassungsgemäße Konkretisierung der<br />
Einschränkungsmöglichkeit darstellt.<br />
aa) Das NiSG ist formell verfassungsgemäß.<br />
bb) § 4 NiSG müsste auch materiell verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig<br />
sein. Das ist der Fall, wenn das Gesetz zur Verfolgung eines legitimen<br />
Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist.<br />
(1) Der Gesetzgeber müsste ein legitimes Ziel verfolgen.<br />
„[21] Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es grundsätzlich<br />
ein legitimes Gemeinwohlanliegen, Menschen davor zu bewahren, sich selbst<br />
leichtfertig einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen. Insbesondere der<br />
Schutz der Jugend ist nach einer vom Grundgesetz selbst getroffenen Wertung ein<br />
Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen.“