Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
244<br />
RÜ 4/2012<br />
Beachte: Das OVG prüft nicht, ob eine<br />
öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben<br />
ist. Insoweit ist es an die Entscheidung<br />
des VG gebunden, § 17 a Abs. 5<br />
GVG. Es prüft aber, ob die Streitigkeit<br />
verfassungsrechtlicher Natur ist.<br />
A. Zulässigkeit der Klage<br />
Rechtsprechung<br />
I. Dann müsste zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Fraglich<br />
ist jedoch, ob das OVG die Eröffnung des Rechtsweges überhaupt prüft.<br />
1. Nach § 17a Abs. 5 GVG prüft das Rechtsmittelgericht nicht, ob der beschrittene<br />
Rechtsweg zulässig ist.<br />
„[23] § 17a Abs. 5 GVG ist aber auf das hier betroffene Verhältnis zwischen dem<br />
Verwaltungsrechtsweg und dem Bundesverfassungsgericht unanwendbar. Mit<br />
dem Begriff des Rechtswegs im Sinne von § 17 a Abs. 5 GVG wird nämlich nur die<br />
Abgrenzung der Zuständigkeiten der einzelnen (Fach-) Gerichtsbarkeiten zueinander<br />
angesprochen (z.B. § 13 GVG, § 40 VwGO, § 33 FGO, § 51 SGG), die als Gerichte<br />
eine umfassende Nachprüfungskompetenz haben, nicht hingegen das<br />
Verhältnis zu dem auf die Nachprüfung von Verfassungsrecht beschränkten Bundesverfassungsgericht.“<br />
Damit prüft das OVG (zumindest), ob eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher<br />
Art gegeben ist.<br />
Vgl. AS-Skript VwGO [2011], Rdnr. 81 ff. 2. Eine Streitigkeit ist verfassungsrechtlich, wenn am Verfassungsleben Beteiligte<br />
um die Auslegung und Anwendung von Verfassungsrecht streiten<br />
(sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit). A begehrt die Aufhebung der<br />
Immunität der Abgeordneten S. Streitentscheidend ist dafür die verfassungsrechtliche<br />
Vorschrift des Art. 46 Abs. 2 GG. A als Privatkläger ist aber nicht am<br />
Verfassungsleben beteiligtes Organ, sodass die doppelte Verfassungsunmittelbarkeit<br />
nicht gegeben ist. Daher ist – trotz der Beteiligung des Deutschen<br />
Bundestages – eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben.<br />
Zum Behördenbegriff vgl. BVerwG RÜ<br />
2012, 188, 190.<br />
Zu der streitigen Frage, ob für die allgemeine<br />
Leistungsklage eine Klagebefugnis<br />
erforderlich ist, vgl. AS-Skript VwGO<br />
[2011], Rdnr. 235 f. Das OVG hat in der<br />
vorliegenden Entscheidung die Klagebefugnis<br />
nicht angesprochen und ausschließlich<br />
das Rechtsschutzbedürfnis<br />
problematisiert.<br />
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.<br />
II. A begehrt die Verpflichtung des Bundestages, die Immunität der Abgeordneten<br />
S aufzuheben.<br />
1. Statthafte Klageart könnte die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1,<br />
2. Fall VwGO sein. Dann müsste die Aufhebung der Immunität durch den Bundestag<br />
ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG sein. Fraglich ist insofern, ob der<br />
Bundestag als „Behörde“ handelt. Behörde ist gemäß § 1 Abs. 4 VwVfG jede<br />
Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Verwaltung ist<br />
die Staatstätigkeit, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist (sog.<br />
Substraktionsmethode).<br />
„[26] Soweit ein Parlament oder seine Organe nicht funktionell Verwaltungsaufgaben<br />
wahrnehmen, sind sie keine Behörde im Sinne dieser Regelung. Die Entscheidung<br />
über die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten nach Art. 46<br />
Abs. 2 GG ist eine Maßnahme des Bundestages im Rahmen der Parlamentsautonomie,<br />
die vom Plenum durch einen verbindlichen echten Parlamentsbeschluss<br />
gefasst wird (…).“<br />
Der Bundestag wird hinsichtlich der Aufhebung der Immunität daher nicht als<br />
Behörde tätig. Demzufolge begehrt A nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes,<br />
sodass eine Verpflichtungsklage ausscheidet.<br />
2. Statthafte Klageart ist vielmehr die allgemeine Leistungsklage, die in der<br />
VwGO nicht ausdrücklich geregelt, aber an verschiedenen Stellen vorausgesetzt<br />
wird (vgl. §§ 43 Abs. 2, 111 VwGO) und gewohnheitsrechtlich anerkannt<br />
ist. Sie ist statthaft, wenn der Kläger eine Leistung begehrt, die – wie hier –<br />
nicht im Erlass oder der Aufhebung eines Verwaltungsaktes besteht.<br />
III. Zum Ausschluss von Popularklagen wird von der h.M. auch für die Leistungsklage<br />
eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO verlangt. Es erscheint<br />
zumindest nicht von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen,