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Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

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Rechtsprechung<br />

RÜ 4/2012<br />

Art. 3 Abs. 1; 38 Abs. 1 S. 2; 46 Abs. 2 GG; § 40 VwGO; § 17a Abs. 5 GVG; § 383 StPO<br />

Kein Anspruch eines Privaten auf Aufhebung der Immunität<br />

eines Abgeordneten<br />

OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.09.2011 – 3 a B 5.11<br />

Fall<br />

Frau S ist Abgeordnete des Deutschen Bundestages und war von 2001–2009<br />

Bundesministerin für Gesundheit. Im Zuge eines Ärzteprotestes äußerte sich S<br />

im Rahmen eines Interviews: „ … Mich ärgert vielleicht, wenn Patienten oder<br />

kranke Menschen in Geiselhaft genommen werden für Forderungen nach<br />

mehr Geld. …“<br />

A ist Arzt und fühlte sich durch diese Äußerung persönlich verleumdet. Seine<br />

Privatklage (§ 374 StPO wegen Verleumdung und übler Nachrede wiesen sowohl<br />

das Amtsgericht als auch das Landgericht als unzulässig mit der Begründung<br />

zurück, A habe nicht zuvor als Privatkläger die Aufhebung der Immunität<br />

der S beantragt. A stellte daraufhin beim Bundestag einen Antrag auf Aufhebung<br />

der Immunität der Abgeordneten S. Der Sekretär des Ausschusses für<br />

Immunitätsangelegenheiten wies A darauf in, dass auf den Antrag eines Privatklägers<br />

die Immunität eines Abgeordneten nicht aufgehoben werden<br />

könne.<br />

Anfang Februar 2009 „erneuerte“ A seine Privatklage gegen die Abgeordnete<br />

S beim Amtsgericht. Das Amtsgericht beantragte im März 2009 die Aufhebung<br />

der Immunität der Abgeordneten S für das Privatklageverfahren. Es vertrat<br />

darin die Auffassung, dass vor Aufhebung der Immunität eine materiellrechtliche<br />

Vorprüfung der mit der Privatklage erhobenen Vorwürfe durch das<br />

Gericht nicht stattzufinden habe. Mit Schreiben vom 04.05.2009 teilte der Vorsitzende<br />

des Immunitätsausschusses dem Amtsgericht mit, dass der Ausschuss<br />

über den Aufhebungsantrag erst dann beraten werde, wenn das Gericht<br />

eine Entscheidung nach § 383 StPO – zunächst ohne Berücksichtigung<br />

der Immunität – getroffen habe. Eine Befassung des Bundestages mit dem Antrag<br />

auf Aufhebung der Immunität der Abgeordneten ziehe erhebliche öffentliche<br />

Aufmerksamkeit auf sich. Die Befassung des Bundestags könne erst nach<br />

einer gerichtlichen Vorprüfung des Privatklagevorbringens erfolgen.<br />

A erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht und beantragte, den<br />

Deutschen Bundestag zu verurteilen, über den Antrag auf Aufhebung der Immunität<br />

der Bundestagsabgeordneten zu entscheiden und dabei auf eine Vorprüfung<br />

der Privatklage durch das Amtsgericht zu verzichten. Das Verwaltungsgericht<br />

hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, A fehle für die<br />

Klage schon das Rechtsschutzbedürfnis. Er habe aber jedenfalls keinen Anspruch<br />

auf Aufhebung der Immunität.<br />

Gegen diese Entscheidung hat A zulässigerweise Berufung zum Oberverwaltungsgericht<br />

erhoben. Ist die zulässige Berufung begründet?<br />

Entscheidung<br />

Die Berufung ist begründet, wenn das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts<br />

fehlerhaft ist. Dies ist bei einem – wie hier – klageabweisenden Urteil<br />

der Fall, wenn die Klage des A vor dem Verwaltungsgericht zulässig und begründet<br />

war.<br />

Leitsätze<br />

1. Ein Privatkläger hat gegen den Deutschen<br />

Bundestag kein subjektives Recht<br />

darauf, dass dieser über den Antrag eines<br />

Strafgerichts auf Aufhebung der Immunität<br />

(Artikel 46 Abs. 2 GG) eines Bundestagsabgeordneten<br />

entscheidet oder das<br />

Parlament die Entscheidung im Hinblick<br />

auf die Belange eines Privatklägers frei von<br />

Willkür trifft. Der Bundestag ist nicht verpflichtet,<br />

bei Beweisklagen ohne rechtliche<br />

Vorprüfung des Strafvorwurfes durch<br />

das zuständige Gericht eine Entscheidung<br />

über die Aufhebung der Immunität<br />

eines Abgeordneten zu treffen.<br />

2. Die Regelung des § 17 a Abs. 5 GVG zur<br />

Prüfung des Rechtsweges ist auf das Verhältnis<br />

zwischen dem Verwaltungsrechtsweg<br />

und dem Bundesverfassungsgericht<br />

unanwendbar.<br />

3. Berechtigt zur Stellung eines Antrags<br />

auf Aufhebung der Immunität ist nach<br />

der enumerativen Regelung in A. Ziff. 1<br />

Buchst. b der Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten<br />

im Privatklageverfahren<br />

nur das Gericht, bevor es nach § 383 StPO<br />

das Hauptsacheverfahren eröffnet. Der<br />

Privatkläger ist nicht antragsberechtigt.<br />

4. Die Entscheidung des Deutschen Bundestages<br />

über die Aufhebung der Immunität<br />

eines Abgeordneten nach Artikel 46<br />

Abs. 2 GG ist als Maßnahme im Rahmen<br />

der Parlamentsautonomie, die vom Plenum<br />

durch echten Parlamentsbeschluss<br />

gefasst wird, kein Verwaltungsakt.<br />

Die Berufung bedarf nach § 124 Abs. 1<br />

VwGO der Zulassung durch das Verwaltungsgericht<br />

oder durch das OVG.<br />

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