31.10.2012 Aufrufe

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

240<br />

RÜ 4/2012<br />

Notwehr im Showdown<br />

Kretschmer Jura 2012, 189<br />

Der Begriff des Showdowns ist dem Pokerspiel<br />

entlehnt: Niederlegen und Zeigen<br />

der Karten.<br />

Aktuelle Diskussion<br />

Der Titel des Beitrags von Kretschmer bezieht sich auf Lebenssachverhalte, in<br />

denen es zwischen zwei oder mehr Kontrahenten zu einer Zuspitzung kommt.<br />

Anlass zur Beschäftigung mit dem Thema sind zwei neuere Beschlüsse des<br />

Zweiten Strafsenats des BGH zur Frage des Gebotenseins einer Notwehr in Fällen<br />

der Notwehrprovokation.<br />

BGH 2 StR 118/10, RÜ 2010, 779 I. In dem seinem Beschl. v. 04.08.2010 zugrunde liegenden Fall hatte der Vater<br />

eines Sechzehnjährigen, der mit einem polizeilich bekannten Intensivtäter im<br />

Streit lag, diesen mit seinem Sohn vor einer Gaststätte aufgesucht, um ihn zum<br />

Einlenken zu bewegen. Jedoch eskalierte dort der Streit derart, dass der als gewaltbereit<br />

bekannte Kontrahent den Vater durch einen mit einem Knüppel auf<br />

den Kopf zielenden Schlag angriff, sodass sich der Vater gezwungen sah, sich<br />

mit einem mitgebrachten Butterflymesser durch einen lebensgefährlichen<br />

Stich in den Oberkörper des Angreifers zu verteidigen.<br />

BGH NStZ 2001, 143, RÜ 2001, 78; ausführlich<br />

auch AS Skript Strafrecht AT 1<br />

[2011], 94 ff.<br />

Die Lehre von der actio illicta in causa<br />

lehnt dagegen eine Einschränkung der<br />

Notwehr ab und sieht ein strafbares Verhalten<br />

zwar nicht in der Verteidigungshandlung,<br />

wohl aber in der vorsätzlichen<br />

oder fahrlässigen Provokation der<br />

Notwehrlage.<br />

1. Die Vorinstanz hatte den darin liegenden versuchten Totschlag gemäß<br />

§§ 212, 22, 23 StGB und die gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB<br />

für durch Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt gehalten, in der Provokation<br />

der Notwehrlage jedoch eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229<br />

StGB gesehen. Der BGH teilte die Ansicht des Schwurgerichts, dass der Messerstich<br />

durch Notwehr geboten gewesen sei, hob jedoch die Verurteilung wegen<br />

fahrlässiger Körperverletzung auf. Das Mitführen des Butterflymessers sei<br />

weder im Hinblick auf die vom Vater als möglich vorhergesehene körperliche<br />

Auseinandersetzung noch deshalb pflichtwidrig gewesen, weil er über die für<br />

das Führen des Messers erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis nicht verfügte.<br />

Denn „es wäre ein Widerspruch, wenn die Rechtsordnung zum einen die<br />

Befugnis erteilte, das Notwehrrecht auszuüben, zum anderen aber gerade für<br />

diesen Fall die Bestrafung aufgrund eines Delikts androhte, dessen tatbestandliche<br />

Voraussetzungen mit der Ausübung dieser Befugnis erfüllt werden“.<br />

Dies gelte jedenfalls dann, wenn für den Fahrlässigkeitserfolg nicht an<br />

eine vorwerfbare Provokation der Notwehrlage angeknüpft werden könne.<br />

2. Diese Beurteilung steht in gewissem Widerspruch zu der Entscheidung des<br />

Dritten Strafsenats im sog. „Schrotflintenfall“. Dort hatte der Täter das Opfer in<br />

den Wald gelockt, um ihm als Racheakt mit einer abgesägten Schrotflinte ins<br />

Knie zu schießen. Als er das Opfer von hinten niederschlagen wollte, kam es jedoch<br />

zu einem Kampf, in dessen Verlauf das Opfer den unterlegenen Täter totzuschlagen<br />

drohte, sodass dieser das Opfer in äußerster Not mit der bis dahin<br />

versteckt gehaltenen Waffe erschoss. Der BGH hielt den Totschlag für durch<br />

Notwehr geboten, sah jedoch in der Notwehrprovokation eine fahrlässige Tötung<br />

gemäß § 222 StGB.<br />

3. Kretschmer teilt die in den Entscheidungen vertretene Ansicht, dass die jeweilige<br />

Verteidigung erforderlich und die Notwehr jeweils geboten gewesen<br />

sei. Die Begründung des Zweiten Senats für die Ablehnung einer fahrlässigen<br />

Körperverletzung hält er jedoch für vorgeschoben, um einer Divergenzvorlage<br />

gemäß § 132 Abs. 2 GVG zu entgehen.<br />

a) Die sog. sozialethischen Schranken der Notwehr werden üblicherweise an<br />

der Voraussetzung der Gebotenheit gemäß § 32 Abs. 1 StGB festgemacht. Als<br />

Fallgruppen anerkannt sind Fälle krassen Missverhältnisses, Angriffe durch<br />

Schuldlose, soziale Näheverhältnisse und Fälle der Notwehrprovokation. Eine<br />

solche hatte der BGH für diesen Fall abgelehnt. Das Aufsuchen der Gaststätte<br />

durch den Vater habe zwar „dem Gebot der Vorsicht und der Lebensklugheit<br />

widersprochen“, sei aber sonst nicht zu missbilligen gewesen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!