Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
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RÜ 4/2012<br />
Der BGH ist in der vorliegenden Entscheidung<br />
bei der Rücktrittsprüfung – seiner<br />
ständigen Rechtsprechung entsprechend<br />
– von der Gesamtbetrachtungslehre<br />
ausgegangen, ohne die hiervon divergierenden<br />
Ansätze zum Rücktritt bei<br />
mehraktigen Geschehensabläufen zu erörtern<br />
(vgl. hierzu im Einzelnen AS-Skript<br />
Strafrecht AT 2 [2011], Rdnr. 186 f.). Er<br />
konnte dabei die Frage des Fehlschlags<br />
offenlassen, da ein strafbefreiender Rücktritt<br />
aus den unten erörterten Gründen<br />
scheiterte. In einer Klausur ist ein derartige<br />
vorgreifliche Prüfung nicht zulässig<br />
und eine saubere Fehlschlagprüfung damit<br />
unerlässlich. Da nach dem Vorstellungsbild<br />
des A nach Abschluss der letzten<br />
Ausführungshandlung durchgehend<br />
kein Fehlschlag vorlag, musste die Frage,<br />
ob sein zwischenzeitlich geändertes Vorstellungsbild<br />
überhaupt eine relevante<br />
Korrektur seines ursprünglichen Rücktrittshorizonts<br />
in Richtung eines Fehlschlags<br />
bewirken konnte, an dieser Stelle<br />
noch nicht erörtert werden.<br />
Der BGH hat eine erforderliche grundlegende<br />
Tatplanänderung und damit<br />
einen Fehlschlag in einer jüngeren Entscheidung<br />
ausdrücklich bejaht, wenn der<br />
Täter nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung<br />
erkennt, dass die ursprünglich<br />
zur Tatbestandverwirklichung<br />
eingeplante Unterstützungshandlung einer<br />
anderen Person nicht erbracht wird<br />
und er stattdessen den Widerstand dieser<br />
Person überwinden muss (vgl. BGH<br />
RÜ 2010, 505 f.). In der vorliegenden<br />
Konstellation hat A im Unterschied hierzu<br />
von vornherein mit dem Widerstand<br />
des G gerechnet.<br />
Rechtsprechung<br />
liche Rücktrittsalternativen des § 24 StGB begriffsnotwendig voraus, dass der<br />
Versuch nicht fehlgeschlagen ist (vgl. BGHSt 35, 90, 94, Sch/Sch/Eser, StGB,<br />
28. Aufl. 2010, § 24 Rdnr. 7 ff.).<br />
Ein Fehlschlag liegt auf Grundlage der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre<br />
vor, wenn der Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung<br />
erkennt oder annimmt, dass er den von seinem Vorsatz umfassten<br />
Tatbestand entweder überhaupt nicht, nur mit einer zeitlichen Verzögerung<br />
(Zäsur) oder nur mit einer grundlegenden Änderung des ursprünglichen<br />
Tatplans vollenden kann (vgl. BGH NStZ 2007, 91; NStZ 2008, 393).<br />
A ging sowohl unmittelbar nach den Messerstichen als auch nach dem Zusammenbruch<br />
des K aufgrund des lauten Stöhnens davon aus, dass K ohne<br />
weitere Tathandlungen sterben werde. Als Anknüpfungspunkt für einen Fehlschlag<br />
kommt folglich allein sein geändertes Vorstellungsbild während seiner<br />
zwischenzeitlichen Fixierung durch K und G in Betracht. Denn während<br />
dieses Zeitraums hielt A es zwar für möglich, K und G schnell überwältigen und<br />
beide unmittelbar anschließend – also ohne zeitliche Zäsur – erstechen zu<br />
können. Hierin könnte jedoch eine einen Fehlschlag begründende grundlegende<br />
Änderung des ursprünglich allein auf die Tötung des K gerichteten<br />
Tatplans liegen.<br />
Hiergegen spricht, dass K bereits vor den Messerstichen die Rückkehr des G<br />
und dessen Widerstand für möglich hielt. Auch während seiner Fixierung<br />
musste er folglich zur Tatbestandsvollendung nach seinem Vorstellungsbild<br />
keinen völlig neuen abweichenden Tatplan entwickeln und umsetzen. Sein<br />
Versuch war folglich auch in dieser Zeitspanne nicht fehlgeschlagen.<br />
2. Fraglich ist jedoch, ob zum Zeitpunkt der Flucht des A aus der Wohnung<br />
überhaupt ein unbeendeter Versuch i.S.v. § 24 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. StGB vorlag<br />
und er daher durch den schlichten Verzicht auf weitere Messerstiche strafbefreiend<br />
zurücktreten konnte.<br />
„[7] Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt<br />
sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen<br />
Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont (…).<br />
Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem<br />
allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt<br />
vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat,<br />
was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest<br />
ausreichend ist (…). Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem er für einen strafbefreienden<br />
Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen<br />
verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen<br />
muss, ist hingegen anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits<br />
für möglich hält (…) oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns<br />
macht (…).“<br />
a) Wie dargestellt, dachte A unmittelbar nach den Messerstichen zunächst,<br />
dass K auch ohne weitere Messerstiche sterben werde, er also alles Erforderliche<br />
zu seiner Tötung getan habe. Nach seinem Vorstellungsbild lag somit im<br />
unmittelbaren Anschluss an seine letzte Ausführungshandlung zunächst ein<br />
beendeter Versuch vor.<br />
b) Fraglich ist jedoch, ob dieser ursprüngliche Rücktrittshorizont zugunsten<br />
des A in einen unbeendeten Versuch zu korrigieren ist, da er hiervon abweichend<br />
während seiner Fixierung durch G und K davon ausging, zur Tötung des<br />
K weitere Messerstiche verüben zu müssen.<br />
Zweifel an einer derartigen Korrektur des Rücktrittshorizonts bestehen insbesondere<br />
vor dem Hintergrund, dass A nach dem Zusammenbruch des K auf-