Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Staatsstrukturprinzipien - Alpmann Schmidt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
226<br />
RÜ 4/2012<br />
§ 30<br />
Anhörung und Mitberatung<br />
bei ordentlicher Kündigung<br />
(1) Der Mitarbeitervertretung ist vor jeder<br />
ordentlichen Kündigung durch den<br />
Dienstgeber schriftlich die Absicht der<br />
Kündigung mitzuteilen. Bestand das Arbeitsverhältnis<br />
im Zeitpunkt der beabsichtigten<br />
Kündigung bereits mindestens<br />
sechs Monate, so hat er auch die<br />
Gründe der Kündigung darzulegen.<br />
…<br />
(5) Eine ohne Einhaltung des Verfahrens<br />
nach den Absätzen 1 und 2 ausgesprochene<br />
Kündigung ist unwirksam.<br />
Rechtsprechung<br />
GrO sei. Zudem verstoße die Kündigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz,<br />
da B andere geschiedene und wiederverheiratete Chefärzte durchaus<br />
eingestellt oder weiterbeschäftigt habe oder sogar derzeit beschäftige. Ferner<br />
habe er sich nicht kirchenfeindlich verhalten. Die Trennung sei nicht öffentlich<br />
geworden und sie habe auch bei der Belegschaft kein Ärgernis erregt.<br />
B ist demgegenüber der Ansicht, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. K sei<br />
eine ungültige Ehe i.S.d. katholischen Kirchenrechts eingegangen und habe<br />
dadurch in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis<br />
verstoßen. Er sei als leitender Mitarbeiter i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GrO anzusehen.<br />
Ein Großteil der von K benannten geschiedenen und wiederverheirateten<br />
Chefärzte sei nicht katholisch. Andere arbeiteten in Krankenhäusern,<br />
die nicht in ihrer Trägerschaft stünden. Herr Dr. B sei Ende 2003 ausgeschieden.<br />
Zudem habe dieser seine Wiederverheiratung erst einen Monat vor seinem<br />
altersbedingten Ausscheiden angezeigt; mit Rücksicht auf das kurz<br />
bevorstehende Ausscheiden sei in diesem Fall von einer Kündigung abgesehen<br />
worden. Allenfalls bei dem schon in den 80er Jahren verstorbenen Chefarzt<br />
Dr. S könne ein vergleichbarer Sachverhalt angenommen werden. Damals<br />
habe die Grundordnung des kirchlichen Dienstes aber noch nicht gegolten.<br />
Hat die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2009 beendet?<br />
Entscheidung<br />
B könnte das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung zum 30.09.<br />
2009 beendet haben.<br />
I. K ist seit dem Jahr 2000 bei der B beschäftigt, sodass zwischen K und B<br />
ursprünglich ein wirksamer Arbeitsvertrag vorgelegen hat.<br />
II. Eine schriftliche Kündigungserklärung i.S.v. § 623 BGB hat die B im März<br />
2009 abgegeben.<br />
III. Die gemäß § 30 MAVO (Mitarbeitervertretungsordnung) erforderliche vorherige<br />
Beteiligung der Mitarbeitervertretung ist erfolgt.<br />
IV. B hat sich für eine Kündigung des K entschieden, da dieser mit seiner erneuten<br />
Heirat eine nach der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige<br />
Ehe abgeschlossen und dadurch ihrer Ansicht nach einen schwerwiegenden<br />
Loyalitätsverstoß begangen hat. Infolgedessen könnte die Kündigungserklärung<br />
der B gemäß § 134 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Benachteiligung<br />
aus Gründen der Religion nichtig sein.<br />
Nach § 2 Abs. 4 AGG gelten für Kündigungen jedoch ausschließlich die Bestimmungen<br />
zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz, sodass<br />
das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG auf Kündigungen nach dem<br />
Wortlaut der Norm keine Anwendung findet. Da die Antidiskriminierungsrichtlinien,<br />
deren Umsetzung das AGG dient, jedoch ausdrücklich auch „Entlassungsbedingungen“<br />
erfassen, ist umstritten, ob die Regelung des § 2 Abs. 4<br />
AGG europarechtskonform ist.<br />
1. Nach einer Ansicht (ArbG Osnabrück BB 2007, 1504; Sagan NZA 2006,<br />
1257) ist die Regelung europarechtswidrig und daher unanwendbar, da die<br />
europäischen Richtlinien auch einen wirksamen Schutz vor diskriminierenden<br />
Kündigungen verlangen, den der deutsche Gesetzgeber wegen der Bereichsausnahme<br />
in § 2 Abs. 4 AGG nicht ausreichend gewährt.<br />
2. Nach h.M. (BAG, Urt. v. 06.11.2008 – 2 AZR 523/07, RÜ 2009, 297 = NZA<br />
2009, 361; Adomeit/Mohr § 2 AGG Rdnr. 199.; Bauer/Krieger NZA 2007, 674,<br />
675) kann § 2 Abs. 4 AGG dahingehend europarechtskonform ausgelegt wer-