31.10.2012 Aufrufe

Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Archiven gesichtet <strong>und</strong> aufgearbeitet; es wurde beispielhaft<br />

Vorbildliches erforscht <strong>und</strong> in einen Gesamtzusammenhang<br />

gestellt. Die wissenschaftlich betriebene "Sportgeschichte"<br />

dürfte wohl in den kommenden Jahren am Hungertuch<br />

nagen <strong>und</strong> sich zunehmend ins Museale verlagern. Noch sind<br />

Potsdam <strong>und</strong> Köln ihre letzten Bastionen, bevor die kw- <strong>und</strong><br />

ku-Vermerke in den Stellenplänen einen endgültigen Fe<strong>der</strong>strich<br />

ziehen werden. Durch das Auslaufen von Drittmitteln<br />

<strong>und</strong> wegen hochschulpolitischer Entscheidungen, die Akzente<br />

stärker auf naturwissenschaftliche För<strong>der</strong>ung mit sprudelnden<br />

externen Finanzquellen zu setzen, droht ihr langsam,<br />

aber sicher <strong>der</strong> Exitus.<br />

Wo bleibt <strong>der</strong> Aufschrei <strong>der</strong> Sportpolitik? Abwickeln <strong>und</strong><br />

abbauen - daran ist das neue Bürokratiegestrüpp <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>instituts<br />

für Sportwissenschaft (BISp) nicht ganz unschuldig.<br />

In den letzten Jahren wurden noch in relativ hohem Umfang<br />

Drittmittel für geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte<br />

bereitgestellt, <strong>der</strong> Akzent wurde jetzt endgültig zu Gunsten<br />

schnö<strong>der</strong> Anwendungsforschung für den Hochleistungssport<br />

<strong>und</strong> somit hin zur Steigerung <strong>der</strong> nationalen Repräsentanz<br />

verschoben. Wichtige Forschungsgebiete, wie etwa das <strong>der</strong><br />

"Alltagsgeschichte von Einheitsbestrebungen <strong>des</strong> deutschen<br />

Sports in Ost <strong>und</strong> West", zu Mechanismen <strong>und</strong> Drahtziehern<br />

im SED-Unterdrückungsapparat o<strong>der</strong> zur politischen Leibeserziehung<br />

an NS-Eliteschulen, werden nicht mehr geför<strong>der</strong>t -<br />

übrigens auch nicht vom organisierten deutschen Sport:<br />

För<strong>der</strong>ungsfähig, aber nicht mehr för<strong>der</strong>bar, so heißt es dann<br />

aus Bonn. Lehrkräfte im Mittelbau <strong>und</strong> Soziologen werden<br />

zukünftig an allen Hochschulen auf dieser Partitur spielen,<br />

besser: klimpern. Es droht eine Verflachung <strong>und</strong> eine Soziologisierung<br />

<strong>der</strong> Historiographie <strong>und</strong> <strong>der</strong> geschichtswissenschaftlichen<br />

Analyse <strong>des</strong> kulturellen <strong>und</strong> sozialen Phänomens<br />

Sport.<br />

Dieser absurde Nie<strong>der</strong>gang ist umso unverständlicher, als es<br />

in den letzten Jahren einen wahren Boom an populären<br />

geschichtlichen Darstellungen gab - dank <strong>des</strong> ZDF-Impresarios<br />

Guido Knopp (<strong>der</strong> zwar keinen exklusiven akademischen<br />

Anspruch erhebt, aber bei einer breiten Öffentlichkeit die<br />

Leselust für das Eintauchen in die Vergangenheit weckte),<br />

dank <strong>der</strong> deutschen Spielfilme "Der Untergang" <strong>und</strong> "Das<br />

Leben <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en", dank <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Fernsehsysteme,<br />

die TV-Projekte wie "Stauffenberg" <strong>und</strong> "Die Flucht"<br />

drehen ließen. Fatale Folgen hätte es, die Sportgeschichte<br />

Allgemeinhistorikern zu überlassen. Ihr Zugriff auf fachspezifisches<br />

Quellenmaterial ist begrenzt, ihre Bereitschaft, neue<br />

Archivalien zu bearbeiten, offenbar beschränkt. Das belegt<br />

schon allein Ian Kershews Hitler-Biographie, in <strong>der</strong> zwar <strong>der</strong><br />

Körper- <strong>und</strong> Muskelkult <strong>des</strong> Nationalsozialismus thematisiert<br />

wird, als Quellen jedoch dritt- <strong>und</strong> viertklassige internationale<br />

Wissenschaftler unter Ausblendung <strong>des</strong> deutschen Doyens<br />

Hajo Bernett zitiert werden. Der institutionelle Nie<strong>der</strong>gang<br />

<strong>der</strong> Sportgeschichte wird auch für die Ausbildung von Lehr-<br />

32<br />

amtsstudenten <strong>und</strong> Diplom-Sportlehrern Konsequenzen<br />

haben: Junge Sportstudenten besitzen heute zwar ein profun<strong>des</strong><br />

1:0-Wissen, daneben aber erschreckend schlechte<br />

sportpolitische <strong>und</strong> erst recht wenig historische Kenntnisse.<br />

Die <strong>Olympischen</strong> Spiele 1972 in München mit einem erstmals<br />

durchgeführten <strong>Olympischen</strong> Wissenschaftskongress zeitigten<br />

noch Signalwirkung. Sportwissenschaftliche Institute schossen<br />

an allen Universitäten wie Pilze aus dem Boden. Jahrelang<br />

gab es allerdings von Sportfunktionären berechtigte<br />

Kritik: Dieser junge, prosperierende Wissenschaftssektor sitze<br />

im Elfenbeinturm; praxisorientierte Beiträge seien Fehlanzeige,<br />

während im Separatstaat DDR auf hohem sportwissenschaftlichen<br />

Niveau ein weltweit beispielhaftes Knowhow für<br />

den leistungssportbezogenen Anwendungssektor resultierte<br />

(unter zugegeben bedenklichen ideologischen Maßgaben).<br />

Immerhin waren bis Mitte <strong>der</strong> neunziger Jahre im Wissenschaftlichen<br />

Beirat <strong>des</strong> DSB renommierte sportbezogene<br />

Geisteswissenschaftler tätig, die manchen Impuls zum Aufbrechen<br />

verworrener Strukturen <strong>und</strong> Befindlichkeiten setzten.<br />

Und heute? Nachfolgende Generationen melden sich allenfalls<br />

noch in Qualitätszeitungen zu Wort, vielleicht auch auf<br />

DVS-Veranstaltungen, <strong>der</strong>en Breitenwirkung gegen null<br />

tendiert.<br />

Die Sportwissenschaft läuft Gefahr, ihren akademischen<br />

Status zu verlieren. Allein nur mit anwendungsbezogener

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!