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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Vor 56 Jahren in Johannesburg geboren, schloss sich Helen<br />

Zille früh <strong>der</strong> Anti-Apartheidbewegung an. Gegen Rassismus<br />

zu sein, das war Gesetz ihrer Familie, <strong>und</strong> das hat sie mit <strong>der</strong><br />

Muttermilch eingesogen. Als Journalistin sorgte sie weltweit<br />

für Schlagzeilen, als sie das Verbrechen am Bürgerrechtler<br />

Steve Bikko enthüllte: Kein Selbstmord, wie es die rassistische<br />

weiße Regierung darzustellen versuchte, son<strong>der</strong>n Tod durch<br />

Erschlagen.<br />

Getroffen hat Helen Zille im Nach-Apartheid-Staat <strong>der</strong> Vorwurf<br />

aus dem ANC, die Bürgermeisterin <strong>und</strong> seit dem Frühjahr<br />

auch DA-Vorsitzende, spiele die rassistische Karte durch<br />

Benachteiligung <strong>des</strong> schwarzen Bevölkerungsteils: "Genau das<br />

Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall. Die Partei, die in Südafrika wie<strong>der</strong><br />

rassistisch argumentiert, ist <strong>der</strong> ANC. Sie sehen nur die Hautfarbe."<br />

In Desmond Tutu hat Helen Zille einen starken Sympathisanten<br />

<strong>und</strong> Unterstützer. Sie solle sich einen Stahlhelm<br />

besorgen <strong>und</strong> sich notfalls in seine Kirche flüchten, hat <strong>der</strong><br />

ehemalige Erzbischof von Kapstadt <strong>und</strong> Friedensnobelpreisträger<br />

schon mal gescherzt.<br />

Den Stahlhelm benötigt Helen Zille nicht, <strong>und</strong> Davonlaufen<br />

ist für sie unvorstellbar. Dank ihrer Tatkraft <strong>und</strong> Unerschrockenheit<br />

hat sie sich Bezeichnungen wie "Godzilla" <strong>und</strong><br />

"Eiserne Lady" eingehandelt. Ihr Schutzschild besteht aus<br />

Respekt <strong>und</strong> Anerkennung. Die Entlassung <strong>des</strong> Stadtdirektors<br />

unmittelbar nach ihrer Wahl zur Bürgermeisterin war ein<br />

Signal gegen Korruption, Vetternwirtschaft <strong>und</strong> Bürokratie.<br />

Der Provinzregierung in Kapstadt hat sie wegen unbezahlter<br />

Rechnungen kurzfristig Strom <strong>und</strong> Wasser abgeschaltet. Ihre<br />

weiße Wählerschaft konfrontierte sie mit einer deutlichen<br />

Anhebung <strong>der</strong> Gebühren auf Haus- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>besitz. Bei <strong>der</strong><br />

schwarzen Bevölkerung hat sie zunehmend an Sympathie<br />

gewonnen. Durch eine Zuwendung, die Helen Zille auch in<br />

Xhosa auszudrücken versteht. Die Sprache <strong>der</strong> Schwarzen<br />

spricht sie inzwischen besser als Deutsch.<br />

Und dennoch, Helen Zille steht erst am Anfang. Sie sagt, es<br />

werde 30 Jahre dauern, bis langfristige Maßnahmen für die<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Armut greifen würden. Ihre Zahlen sprechen<br />

für sich: Im letzten Jahrzehnt ein jährlicher Zuwachs von<br />

80.000 Menschen. 400.000 Familien, "die Ärmsten <strong>der</strong><br />

Armen", die auf ein Heim warten mit einem jährlich wachsenden<br />

Bedarf um 14.000. 135.000 Menschen, die in Behausungen<br />

ohne Wasser <strong>und</strong> Strom leben müssen. Während<br />

Nachschlagewerke die Einwohnerzahl von Kapstadt noch mit<br />

drei Millionen angeben, spricht Helen Zille längst von 3,5<br />

Millionen. Und sie spricht von einer durch Reichtum <strong>und</strong><br />

Armut "zerrissenen Stadt".<br />

Der ANC wirkt dabei eher als Blockierer. Zuständig für den<br />

Bau von Häusern für die Armen ist vor allem die Regierung in<br />

Pretoria. Kapstadt selbst kann nur für die Infrastruktur sorgen.<br />

Kapstadt ist auch nicht in <strong>der</strong> Lage, die notwendigen<br />

28<br />

Investitionen für eine bessere Versorgung mit Trinkwasser <strong>und</strong><br />

Strom aufzubringen. Kapstadt ist schier ohnmächtig gegen<br />

den kollabierenden Straßenverkehr <strong>und</strong> die eskalierende<br />

Gewalt. Kapstadt hat sogar die Mord-Metropole Johannesburg,<br />

statistisch gesehen, überholt. Täglich kommen in Südafrika<br />

mehr als 50 Menschen gewaltsam ums Leben. Die<br />

Zuwan<strong>der</strong>ungsarmut verschärft die Arbeitslosigkeit, die im<br />

Land offiziell bei 26 Prozent liegt, tatsächlich aber wesentlich<br />

höher ist. Und sie verschärft auch in Kapstadt die Aids-<br />

Problematik. Etwa 5,5 Millionen Menschen unter 47,4 Millionen<br />

Südafrikanern sind HIV-infiziert.<br />

Die Fußball-WM 2010 wirkt in all <strong>der</strong> Trübnis wie ein Silberstreif<br />

am Horizont. Als Helen Zille ihr Bürgermeisteramt<br />

antrat, fand sie "eine fast ruinierte <strong>und</strong> demoralisierte" Stadt<br />

vor. Und so schien es ihr obszön zu sein, für die Weltmeisterschaft<br />

gemäß dem Diktat <strong>des</strong> Fußball-Weltverban<strong>des</strong> FIFA mit<br />

h<strong>und</strong>erten Millionen Euro einen Stadionpalast zu bauen,<br />

anstatt das Geld in Häuser für die Armen zu investieren. Dies<br />

umso mehr, als die FIFA einen - weitaus billigeren - Ausbau<br />

<strong>des</strong> Athlone-Stadions ablehnte. Doch dieses Stadion hat ein<br />

großes Handikap. Es liegt in einem Armutsviertel. Und weil<br />

die FIFA für ihr Hochglanzprodukt nur schöne Bil<strong>der</strong> in die<br />

Welt versenden will, stellte sie ein Ultimatum: Entwe<strong>der</strong><br />

Greenpoint am Wasser <strong>und</strong> vor <strong>der</strong> prächtigen Kulisse <strong>des</strong><br />

Tafelbergs, o<strong>der</strong> keine WM in Kapstadt.<br />

Helen Zille machte aus <strong>der</strong> Not eine Tugend. Zunächst stoppte<br />

sie den Bau. Und erst als sie die Beteiligung <strong>der</strong> Stadt an<br />

dem 68.000-Zuschauer-Stadion auf maximale 42 Millionen<br />

Euro heruntergehandelt hatte, gab sie grünes Licht. Nun<br />

müssen die Regierung von Ministerpräsident Thabo Mbeki<br />

<strong>und</strong> die Kap-Provinz den Löwenanteil <strong>der</strong> 280 Millionen Euro<br />

tragen - <strong>und</strong> 630 Millionen Euro für den Ausbau <strong>der</strong> Transport-Infrastruktur<br />

noch dazu. "Nun bekommen wir eine<br />

unglaubliche Gegenleistung", sagt Helen Zille <strong>und</strong> rechnet<br />

dazu auch die weltweite Aufmerksamkeit für ihre Stadt. Neun<br />

<strong>der</strong> 64 WM-Spiele sollen in Kapstadt über die Bühne gehen,<br />

darunter ein Halbfinale.<br />

"Wir brauchen Jobs, Jobs, Jobs, um zu einer wirklichen Weltklasse-Stadt<br />

zu werden", sagt Helen Zille, <strong>und</strong> das ginge nur<br />

über eine Verdoppelung <strong>des</strong> jährlichen Wachstums auf acht<br />

Prozent. Doch ob die Impulse <strong>der</strong> WM als Wachstumsmotor<br />

ausgerechnet den Armen zugute kommen, bezweifeln zumin<strong>des</strong>t<br />

Fachleute. 16.000 Menschen arbeiten gegenwärtig am<br />

Bau <strong>der</strong> fünf neuen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Renovierung von fünf alten<br />

Stadien, die gemäß <strong>der</strong> FIFA-Or<strong>der</strong> bis Oktober 2009 fertig<br />

gestellt sein müssen. Es ist keine nachhaltige Beschäftigung.<br />

Die geplanten Investitionen <strong>der</strong> Regierung in Straßen, Schienen<br />

<strong>und</strong> Stadien von 1,8 Milliarden Euro könnten Ressourcen<br />

abschöpfen, die dringend an<strong>der</strong>weitig benötigt werden,<br />

vermutet das Wirtschaftsblatt "Business Day". Wegen großer<br />

Knappheit muss jede Menge Zement eingeführt werden. Zu

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