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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Spitzensport auf Talfahrt:<br />

Wenn För<strong>der</strong>prinzipien<br />

zur Disposition stehen<br />

Von Anno Hecker<br />

Bayer Leverkusen machte kurzen Prozess im Frühjahr:<br />

Nach Ende <strong>der</strong> Saison 2007/2008 müssen die Basketballprofis<br />

sehen, wo sie bleiben. Auch die Handball-<br />

Abteilung, die Volleyballer, die Hockeyspieler <strong>und</strong> die Leichtathleten<br />

kriegen kein Geld mehr von einem <strong>der</strong> größten<br />

privaten Sponsoren <strong>des</strong> deutschen Leistungssports. Fortan<br />

wird sich die Spitzensport-För<strong>der</strong>ung unter dem Bayerkreuz<br />

nur noch um die Pille drehen, um den Fußball. Weil die<br />

Kicker Rendite bringen - heißt es jedenfalls. Weil sich <strong>der</strong><br />

Millionenaufwand national wie international lohnt. Bayer<br />

bleibt also am Ball. Aber nicht mehr als großzügiger Mäzen,<br />

als Unternehmen von Weltrang, das über Jahrzehnte Spitzensport<br />

mit großem Erfolg för<strong>der</strong>te, weil es auch die<br />

gesellschaftspolitische Bedeutung ernst nahm: Basketball<br />

war für Generationen ein Sport, <strong>der</strong> in Leverkusen gelernt<br />

wurde, wo sich jugendliche Talente zu bew<strong>und</strong>erten Spielern<br />

entwickelten. Leichtathleten wuchsen im Schutz <strong>des</strong> Konzerns<br />

zu Olympiasiegern heran <strong>und</strong> zogen Millionen bei<br />

ihren Höhenflügen in ihren Bann. Dabei gab es eine Art<br />

Rückversicherung für das Risiko in einer Leistungssport-<br />

Karriere: Ausbildungsplätze für angehende Profis <strong>und</strong> die<br />

Chance, nach einem Fehlwurf als Spitzensportler, im Werk<br />

den Weg ins bürgerliche Leben zu finden. Die Rechnung geht<br />

nicht mehr auf. Bayer setzt heute auf die Quote. Wie das<br />

Fernsehen.<br />

Es hätte Proteste hageln müssen. Aber es geschah nicht viel.<br />

Als hätte sich mit Bayer einer unter vielen aus dem deutschen<br />

Spitzensport zurückgezogen, während <strong>der</strong> nächste<br />

schon wartet, die Position auszufüllen. Das Gegenteil ist zu<br />

befürchten. Die Entscheidung <strong>des</strong> Konzerns könnte Schule<br />

machen <strong>und</strong> die Existenz einiger Sportarten gefährden.<br />

Ersatz steht jedenfalls nicht bereit. Die großen nationalen<br />

wie internationalen Energieunternehmen setzen vorwiegend<br />

auf die Kicker. Schon klagen Sportsoziologen über den Verlust<br />

illustrer Idole als Triebfe<strong>der</strong>n einer wohl einzigartigen<br />

18<br />

deutschen Sportkultur.<br />

"Wir haben immer<br />

auch davon gelebt,<br />

dass wir Spieler hatten,<br />

die national,<br />

manchmal sogar<br />

international überragend<br />

spielten", sagt<br />

Leverkusens Basketball-Manager<br />

Otto<br />

Reintjes. "Viele<br />

Jugendliche kamen<br />

nach Leverkusen, um<br />

Harnisch o<strong>der</strong> Koch zu<br />

sehen, so zu spielen<br />

wie sie. Davon lebt <strong>der</strong><br />

Sport, auch <strong>der</strong> Breitensport.<br />

Schließlich<br />

orientieren sich die meisten an den Besten, auch wenn sie<br />

wissen, dass sie nie so weit kommen werden."<br />

Heldenschw<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Heimat? Es gibt noch die Fußball-<br />

Nationalmannschaft <strong>und</strong> drüben, in Übersee, den Basketballstar<br />

Dirk Nowitzki, ein waschechter Würzburger. Und sonst?<br />

Wie wäre es mit den Größen <strong>der</strong> Leichtathletik-WM in<br />

Osaka. Hoch dekoriert kehrte die Werfergruppe <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />

von Japan heim. Um dann festzustellen, dass man<br />

selbst mit Gold, Silber <strong>und</strong> Bronze beim berühmten Istaf in<br />

Berlin nicht glänzen kann. Jedenfalls machte <strong>der</strong> Veranstalter<br />

klar, dass er Hammer- <strong>und</strong> Diskuswerfern das Tor zu seiner<br />

Sportwelt nicht öffnen werde: Sie passten nicht in den<br />

Zeitplan. So blieb es bei <strong>der</strong> Cabrio-Tour eines verdienten<br />

Medaillengewinners. Und <strong>der</strong> Feststellung, dass selbst Leistung<br />

nicht mehr zählt. Eine olympische Kernsportart verliert<br />

mehr <strong>und</strong> mehr den Boden unter den Füßen. Im wahrsten<br />

Sinne <strong>des</strong> Wortes geschieht das nun in Stuttgart: Das Leichathletik-Stadion<br />

wird in eine reine Fußball-Arena umgewandelt.<br />

Stimmt die These vom inszenierten Vorbild als Zugpferd für<br />

die Entwicklung <strong>und</strong> Pflege eines Sportes, dann gräbt das<br />

Fernsehen den traditionellen Sportarten wie <strong>der</strong> Leichtathletik<br />

die Basis ab. Vielleicht hätte Leipzig den Zuschlag für die<br />

Hallen-EM erhalten, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sen<strong>der</strong><br />

in seinem Bildungsauftrag die Verpflichtung gesehen hätte,<br />

das Signal zu garantieren. Er sah sie nicht. Niemand ist im<br />

Bilde.<br />

Vielleicht gibt die Freiluft-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin<br />

<strong>der</strong> deutschen Leichtathletik noch mal einen Schub, so wie<br />

sich das die Turner von <strong>der</strong> WM in Stuttgart versprechen: Ein<br />

Fest, ein Sieger, ein Held wie Hambüchen aber reicht nicht,<br />

die Nation in die Kniebeuge zu zwingen. Sie tut es längst<br />

von selbst: Marathon-Läufe in Frankfurt, Köln o<strong>der</strong> Berlin

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