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Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

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Der Dopingkampf als Medien- <strong>und</strong><br />

Die Massenmedien, allen voran das Fernsehen, hatten<br />

sich schon seit langem einem beson<strong>der</strong>en Auftrag<br />

verpflichtet. Sie definieren sich selbst als Produzenten<br />

<strong>der</strong> Unterhaltungsindustrie. Unterhaltung ist dabei zur<br />

höchsten Maxime geworden, auch dann, wenn man dem eher<br />

nebengeordneten Auftrag <strong>des</strong> Informierens nachzukommen<br />

versucht. Von Infotainment ist dann die Rede. Die Massenmedien<br />

haben dabei jene K<strong>und</strong>schaft an sich geb<strong>und</strong>en, die sie<br />

im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung gesucht<br />

haben. Die Massenmedien treffen auf Massen <strong>und</strong> die Massen<br />

sind genau an jenen Medieninhalten interessiert, die sich die<br />

Medien selbst zur Maxime gemacht haben. Gewiss dürfen<br />

dabei nicht alle Medien über einen Kamm geschoren werden,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Presse unterscheidet sich dabei vom Hörfunk<br />

<strong>und</strong> vom Fernsehen. Auch das Internet als neues Medium<br />

zeichnet sich durch eigene Qualitäten aus.<br />

Dennoch lässt sich eine Tendenz in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

massenmedialen Berichterstattung erkennen. Die Unterhaltungsmaxime<br />

dominiert nahezu alle Medien. Die Frage, was<br />

als berichtenswert gilt, wird immer monotoner <strong>und</strong> gleichartiger<br />

beantwortet, Prinzipien eines kritischen Journalismus<br />

treten in den Hintergr<strong>und</strong>. Kleine Häppchen Berichterstattung,<br />

sprachlich nachlässige Darstellungen, mangelhafte<br />

Recherchen, moralische Doppelbödigkeit, Überschreiten<br />

ethischer Grenzen <strong>und</strong> eine immer entschiedenere Ausrichtung<br />

an den gleichen Selektionsregeln werden zur Normalität:<br />

Die Großen sind wichtig, <strong>der</strong> kleine Mann ist unbedeutend,<br />

das Böse rangiert vor dem Guten, Skandale <strong>und</strong> Krisen<br />

werden gesucht, "human touch" <strong>und</strong> das, was als neu gilt, ist<br />

wichtig: Die Selektionsregeln, wie sie uns Niklas Luhmann mit<br />

auf den Weg gegeben hat, haben Konjunktur. Dies kann an<br />

<strong>der</strong> Berichterstattung über viele Themen gezeigt werden.<br />

Beson<strong>der</strong>s nachhaltig wurde dies in jüngster Zeit am Beispiel<br />

<strong>der</strong> Dopingberichterstattung aus Anlass <strong>der</strong> Radweltmeisterschaft<br />

in Stuttgart dokumentiert. Die lokalen ebenso wie die<br />

überregionalen Medien haben sich zum Vorreiter eines<br />

Doping-Kampfes stilisiert, obgleich sie selbst bei dem sich<br />

über Jahrzehnte ereignenden Dopingdrama <strong>des</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Hochleistungssports eine äußerst aktive Rolle eingenommen<br />

haben <strong>und</strong> dabei keineswegs ihre Hände in Unschuld<br />

waschen können.<br />

Das Politiksystem, das sich für das massenmediale System als<br />

beson<strong>der</strong>s resonanzfähig in <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik erwiesen hat,<br />

reagierte prompt. Es schloss sich den spektakulären Medien-<br />

14<br />

attacken an <strong>und</strong> wurde damit Teil <strong>des</strong> Spektakels. Eine eigenartige<br />

Partnerschaft ist auf diese Weise entstanden. Für beide<br />

Partner war es ein leichtes, sich jeweils die Öffentlichkeit zu<br />

sichern <strong>und</strong> die Meinung <strong>der</strong> Massen zu beeinflussen. Sie<br />

spielten dabei ausgeprägte Rollen in einer spektakulären<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung, bei <strong>der</strong> es kaum angebracht ist, dieser<br />

das Attribut "Anti-Doping" zu gestatten. Große Teile <strong>der</strong><br />

Medien zeigten vielmehr, dass sie ganz offensichtlich aus den<br />

jahrzehntelang vorliegenden Bef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Fakten zum<br />

Problem <strong>des</strong> Dopingbetrugs so gut wie nichts gelernt haben.<br />

Sie folgten ihrer effekthascherischen Unterhaltungskonzeption.<br />

Gerüchte wurden wie Tatsachen präsentiert, Gerüchte<br />

wurden lanciert, Skandale wurden behauptet <strong>und</strong> erf<strong>und</strong>en,<br />

ohne dass auch nur annähernd tragfähige empirische Bef<strong>und</strong>e<br />

zur Verfügung gestanden wären.<br />

Fast alle Repräsentanten <strong>der</strong> Politik folgten den Vorlagen <strong>der</strong><br />

Medien vorschnell <strong>und</strong> ohne Zwang, glaubte man damit doch<br />

Volltreffer zu erzielen. Erst im Nachhinein mussten sie erkennen,<br />

dass dies alles nur zu Bauchlandungen hat führen können.<br />

Eine Politik, die auf Gerüchte aufbaut, wird selbst zum<br />

Gerücht. Eine Politik, die rechtliche Prinzipien verlässt, ist eine<br />

prinzipienlose Politik <strong>und</strong> eine Politik, die sich nur selbst in<br />

den Medien wie<strong>der</strong>finden möchte <strong>und</strong> fragwürdige Medienpartnerschaften<br />

eingeht, bis hin zur engen Verknüpfung mit<br />

Lokalzeitungen, ist allenfalls selbst Teil <strong>der</strong> Unterhaltungsindustrie.<br />

Sie verlässt damit aber ganz gewiss den Boden seriöser<br />

Politik.<br />

Es mag zu Recht bezweifelt werden, dass ein Politik- <strong>und</strong><br />

Mediensystem, das sich in einer <strong>der</strong>art engen Symbiose<br />

befindet, wie dies heute <strong>der</strong> Fall ist, <strong>und</strong> in <strong>der</strong> weiteren<br />

Zukunft vermutlich noch andauern wird, sich noch als lernfähig<br />

erweisen kann. Will man in einem Anti-Doping-Kampf<br />

vorankommen, <strong>der</strong> diesen Namen verdient, so muss jedoch<br />

genau dies für das weitere Vorgehen vorausgesetzt werden.<br />

Nur <strong>des</strong>halb macht es auch Sinn, noch einmal jene Merkmale<br />

zu akzentuieren, durch die sich ein glaubwürdiger Anti-<br />

Doping-Kampf auszuzeichnen hat.<br />

Allen Merkmalen voran, muss zunächst <strong>und</strong> vor allem darauf<br />

hingewiesen werden, dass ein Anti-Doping-Kampf nicht auf<br />

Gerüchten basieren darf. Auch dann nicht, wenn es sich um<br />

Gerüchte handelt, die den Medien beson<strong>der</strong>s gut gefallen. Ein<br />

Anti-Doping-Kampf darf auch nicht Vorverurteilungen zur<br />

Gr<strong>und</strong>lage haben. Er muss sich vielmehr durch Objektivität,<br />

Reliabilität <strong>und</strong> Neutralität im Verfahren selbst, gleichzeitig

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