Zeitschrift des Deutschen Olympischen Sportbundes und der ...

dierenden Zeitgenossen. Konsumiert oder doch zumindest
probiert werden die reichhaltigen Angebote der prosperierenden
Lebens- wie Nahrungsergänzungsmittelindustrie, die
einen Anstieg der Leistungsfähigkeit versprechen. Regelmäßige
und vor allem intensiver laufende Mitbürger wie Mitbürgerinnen
erhalten diverse Angebote zur schnelleren Regeneration,
zum gezielten Aufbau der Energiereserven, zum besseren
Durchhalten während eines grenzüberschreitenden Laufwettbewerbs.
Gelegentlich erfolgt ein Griff in pharmazeutische
Rezepturen etwa zur Schmerzlinderung ; die Grenzen
zum Medikamentenmissbrauch werden permissiv.
Nicht zuletzt ist es die Kommunikationstechnologie, die
Laufbegeisterte informiert und Zögerliche motiviert. Umfangreiche
Übertragungen von Stadtmarathons mit vielfältiger
Folklore, Erlebnisberichte im Fernsehen über breitensportliche
Laufkarrieren, Szenen von joggenden Schaustellern in Spielfilmen
verdichten ein selbstbewusstes Bild eines alltagskulturellen
Phänomens. Es wird heute um Videoaufnahmen vom
Handy bei Volksläufen oder Internetrecherchen über Laufziele
und -termine sowie Einzelergebnisse kurz nach dem Zieleinlauf
per SMS mit allen Zwischenzeiten bis zum Erfahrungsaustausch
über Laufprobleme in der Chatbox bereichert.
Prozesse zur Industrialisierung der Laufbewegung sind
unübersehbar und können keinen der nicht wenigen Naturliebhaber
unter den Läufern mehr überraschen.
Sportartentwicklung - technisch gesehen
Im Spitzensport ist der Einzug neuer technischer Errungenschaften
längst fortgeschritten, durch die Medien spektakulär
inszeniert und verschafft nicht selten den Erfindern zeitweilig
einen Wettbewerbsvorteil (man spricht gelegentlich von
"Technik-Doping"). Beispielhaft stehen hier Bob- und Schlittensport,
Formel 1-Autorennen, Biathlon mit Lasergewehren,
Radsport (z.B. Karbonräder) etc.
Dies ist an sich nichts Neues, denn schon immer hat man sich
um eine Verbesserung der sportlichen Leistung durch technische
Mittel bemüht: Die Spikes unter den Schuhsohlen der
Läufer standen am Beginn dieses Prozesses, die neuartigen
Schraubstollen der deutschen Spieler beim WM-Finale 1954
sind Legende, die bis 1968 völlig unbekannte Bewegungsform
Fosbury-Flop ohne Erfindung der Weichkernmatten hätte
zuerst die Unfallstatistiken erhöht. Die Impulse einzelner Tüftler
sind heute abgelöst bzw. systematisiert worden durch biomechanische
und technologische Forschungsinstitute (teils sportspezifischen
wie das IAKS in Leipzig, teils solchen beispielsweise
aus der Raumfahrttechnik oder der Automobilindustrie).
Die heutige Technikimplementierung im Spitzensport ist also
kein neues Phänomen, sondern erfolgt nur weit schneller,
gezielter und vielschichtiger. Sie betrifft auch die Zuschauer,
die Dank neuer Medientechnologien am Bildschirm viel mehr
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und genauer ein Sportereignis verfolgen können als im Stadion.
Das wiederum hat Einfluss auf die Ahndung von Verstößen,
führt zu Regeländerungen, beeinflusst die Stadionarchitektur
und bringt gelegentlich ganz neue Disziplinen hervor
oder gibt traditionellen ein völlig neues Gesicht. Biathlon mit
Laserschüssen in einem Fußballstadion oder Hochseesegeln
mit Bordkameras sind dafür Beispiele.
Zunehmend prägen technische Errungenschaften auch den
Breitensport: Inlineskaten konnte sich nur durch die Erfindung
neuer Kugellager durchsetzen, bei der Aerobic waren
leicht zu transportierende Lautsprecher unüberhörbar, beim
Radfahren haben leichtere Räder und preisgünstige Materialien
die Lust an dieser Sportart und der Geschwindigkeit
erhöht, Kitesurfen oder Drachenfliegen sowie Carving sind
Konsequenz neuer Materialentwicklung, ganz neue Sportarten
wie Uni-Hoc oder Ultimate Frisbee sind auf Grund der
Stabilität bestimmter Kunststoffe entstanden. Selbst für den
in seinen Grundregeln seit 140 Jahren unveränderten Fußball
steht Umwälzendes bevor: Mit Kunstrasenflächen bei der WM
2010 in Südafrika - Folge des Klimawandels und der lichtabweisenden
tadionarchitektur - ändern sich manche artistischen
und taktischen Bewegungsmuster bei Einsparungen in
der Rasenpflege. Diese Einsparungen werden bis in den
Vereinsfußball durchschlagen.
Für den Breitensport lässt sich ein erstes Fazit ziehen: Er wird
von der Technik nicht nur irgendwie und zufällig beeinflusst,
sondern sie fördert den Massencharakter des Sports. Durch
sie werden Sportgeräte haltbarer und preiswerter, werden
neue Sportarten
schneller kommuniziert,
wird das
"gewusst wie"
vermittelt. In
immer kürzeren
Amplituden auftretendeBewegungswellen
wie
Joggen, Aerobic,
Inlineskaten,
Walking sind nur
so zu erklären.
Ersetzt Technik
deshalb auf Dauer
die menschliche
Natur auch im
Sport oder dominiert
sie die Bewegungsbedürfnisse
total? Bilder von
Liegenden im
Fernsehsessel,