S2 – Leitlinie - Deutsche Gesellschaft für Pneumologie

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27.05.2014 Aufrufe

Außerklinische Beatmung bei CRI - Ethische Betrachtungen 12.4. Verfassen einer Patientenverfügung Den Patienten und deren Angehörigen und Bezugspersonen muss frühzeitig vermittelt werden, dass sich im Fall einer respiratorischen Notfallsituation eine nicht gewollte Intubation mit sich potentiell anschließender Langzeitbeatmung am sichersten durch eine präzise Willenserklärung mit konkreten Verhaltensvorgaben (Patientenverfügung) verhindern lässt. Die Patientenverfügung sollte unter sachkundiger, insbesondere ärztlicher Beratung formuliert werden. Letzteres sollte in der Patientenverfügung dokumentiert sein. Patienten und deren Angehörige sollten auf Informationsangebote zu Patientenverfügungen, z. B. Veranstaltungen und Broschüren, hingewiesen werden. Die Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit (http://www.bmg.bund.de) ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen [Humanistischer Verband Deutschlands, 2009]. 12.5. Der einwilligungsunfähige Patient Ist der Patient weder kommunikations- noch willensfähig, wird er von einem Gesundheitsbevollmächtigten oder einem vom Gericht bestellten Betreuer, der in der Regel ebenfalls medizinischer Laie ist, vertreten. Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigt eine Person eine andere Person, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Der Betreuer bzw. der Gesundheitsbevollmächtigte sind gehalten, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen eines entscheidungsunfähigen Patienten zum Ausdruck zu bringen. Im begründeten Einzelfall kann ein Behandlungsrückzug oder - abbruch auch ohne Einwilligung des Patienten erfolgen, wenn er im Einvernehmen mit dem Vertreter des einwilligungsunfähigen Patienten dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht [Bundesärztekammer, 2004]. Neben dem, von der bevollmächtigten Person vorgetragenen, mutmaßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Patienten ist vor allem die Patientenverfügung richtungsweisend für das Handeln der beteiligten Personen. Die in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer Behandlung ist für den Arzt bindend, sofern die konkrete Situation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfügung beschrieben hat und keine Anhaltspunkte für eine nachträgliche Willensänderung erkennbar sind. Die Patientenverfügung ist umso verbindlicher für den behandelnden Arzt, je konkreter der geäußerte Wille formuliert ist; dies gilt insbesondere dann, wenn eine sachkundige Beratung dokumentiert wurde. 95

Außerklinische Beatmung bei CRI - Ethische Betrachtungen In der Patientenverfügung sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer prinzipiell reversiblen Krise (z.B. in Form einer behandelbaren Pneumonie) unter Umständen sowie unter Berücksichtigung der individuellen Situation eine zeitlich begrenzte Intervention, wie z.B. Tracheotomie zur invasiven Beatmung, vom Patienten nicht kategorisch abgelehnt wird. 12.6. Abbruch und Begrenzung der Beatmung Besteht bei Patienten mit außerklinischer Beatmung am Lebensende keine Hoffnung zumindest auf Stabilisierung der Lebensqualität gemessen an den Vorstellungen des betroffenen Patienten, ist es in dieser Situation ethisch vertretbar, eine Therapiezieländerung in Form von Therapiebegrenzung bzw. -abbruch zu diskutieren und ggf. vorzunehmen [Schönhofer et al, 2006]. Therapieabbruch („withdrawing“) bedeutet hierbei, dass eine laufende Therapie (z.B. Beatmung und Sauerstoffgabe) reduziert und schließlich beendet wird. Therapiebegrenzung („withholding“) bedeutet, dass eine in anderen Fällen indizierte Therapie nicht begonnen wird. Eine einmal begonnene Beatmung muss weder zwangsläufig oder automatisch fortgeführt werden, noch muss sie möglicherweise „abgebrochen“ oder „entzogen“ werden. Vielmehr sollte die Beatmungstherapie wie andere Behandlungen (Tabletteneinnahme, bolusmäßige Nahrungszufuhr (PEG), Infusionstherapie oder ähnliches) in regelmäßigen Abständen (z.B. täglich, bei den Überprüfungen der Geräteeinstellung) unter strenger Berücksichtigung des Patientenwillens auf ihre anhaltende Berechtigung/Indikation überprüft werden. Der Bundesgerichtshof hat schon 1991 entschieden, dass bei aussichtsloser Prognose Sterbehilfe entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen durch die Nichteinleitung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen (u.a. Beatmung) geleistet werden darf, um dem Sterben, ggf. unter wirksamer Schmerzmedikation, seinen natürlichen, der Würde des Menschen gemäßen, Verlauf zu lassen [Bundesgerichtshof, 1991]. In diesem Zusammenhang besteht erfahrungsgemäß bei vielen Beteiligten noch ein gravierendes Informationsdefizit [Kutzer K, 2005]. Ärzte und Pflegepersonal sollten ihre Entscheidungen in Kenntnis der geltenden Rechtslage treffen und sind darüber hinaus gehalten, sich zu den unterschiedlichen Begriffen „aktive, passive und indirekte Sterbehilfe“ hinreichend zu informieren. 96

Außerklinische Beatmung bei CRI - Ethische Betrachtungen<br />

In der Patientenverfügung sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass im Falle<br />

einer prinzipiell reversiblen Krise (z.B. in Form einer behandelbaren Pneumonie) unter<br />

Umständen sowie unter Berücksichtigung der individuellen Situation eine zeitlich<br />

begrenzte Intervention, wie z.B. Tracheotomie zur invasiven Beatmung, vom Patienten<br />

nicht kategorisch abgelehnt wird.<br />

12.6. Abbruch und Begrenzung der Beatmung<br />

Besteht bei Patienten mit außerklinischer Beatmung am Lebensende keine Hoffnung<br />

zumindest auf Stabilisierung der Lebensqualität gemessen an den Vorstellungen des<br />

betroffenen Patienten, ist es in dieser Situation ethisch vertretbar, eine Therapiezieländerung<br />

in Form von Therapiebegrenzung bzw. -abbruch zu diskutieren und ggf.<br />

vorzunehmen [Schönhofer et al, 2006]. Therapieabbruch („withdrawing“) bedeutet<br />

hierbei, dass eine laufende Therapie (z.B. Beatmung und Sauerstoffgabe) reduziert<br />

und schließlich beendet wird. Therapiebegrenzung („withholding“) bedeutet, dass<br />

eine in anderen Fällen indizierte Therapie nicht begonnen wird.<br />

Eine einmal begonnene Beatmung muss weder zwangsläufig oder automatisch fortgeführt<br />

werden, noch muss sie möglicherweise „abgebrochen“ oder „entzogen“ werden.<br />

Vielmehr sollte die Beatmungstherapie wie andere Behandlungen (Tabletteneinnahme,<br />

bolusmäßige Nahrungszufuhr (PEG), Infusionstherapie oder ähnliches) in<br />

regelmäßigen Abständen (z.B. täglich, bei den Überprüfungen der Geräteeinstellung)<br />

unter strenger Berücksichtigung des Patientenwillens auf ihre anhaltende Berechtigung/Indikation<br />

überprüft werden.<br />

Der Bundesgerichtshof hat schon 1991 entschieden, dass bei aussichtsloser Prognose<br />

Sterbehilfe entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen<br />

durch die Nichteinleitung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen (u.a.<br />

Beatmung) geleistet werden darf, um dem Sterben, ggf. unter wirksamer Schmerzmedikation,<br />

seinen natürlichen, der Würde des Menschen gemäßen, Verlauf zu lassen<br />

[Bundesgerichtshof, 1991]. In diesem Zusammenhang besteht erfahrungsgemäß<br />

bei vielen Beteiligten noch ein gravierendes Informationsdefizit [Kutzer K, 2005]. Ärzte<br />

und Pflegepersonal sollten ihre Entscheidungen in Kenntnis der geltenden Rechtslage<br />

treffen und sind darüber hinaus gehalten, sich zu den unterschiedlichen Begriffen<br />

„aktive, passive und indirekte Sterbehilfe“ hinreichend zu informieren.<br />

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