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Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten

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Leitlinie<br />

e25<br />

kungen <strong>und</strong> der in Betracht kommenden Berufskrankheit begründen.<br />

Auch wenn es derzeit für die Einschränkungen der Lungenfunktion<br />

keine diagnostischen Verfahren gibt, die eine trennscharfe<br />

selektive Zuordnung zu allen einzelnen als ursächlich zu<br />

diskutierenden Ursachen erlauben, ist die Zuordnung der Funktionsstörungen<br />

im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtschau zu<br />

beurteilen (siehe auch Falkensteiner Empfehlung [134]).<br />

Zu prüfen ist insoweit, ob Funktionseinschränkungen auf die BK<br />

oder auf BK-unabhängige Leiden zurückzuführen sind (z.B. Adipositas,<br />

Asthma, Zigarettenrauchen, kardiovaskuläre Erkrankungen<br />

<strong>und</strong> schlafbezogene Atmungsstörungen (konkurrierende Ursachen).<br />

Sofern andere Erkrankungen gesichert vorliegen, die<br />

ebenfalls zu den festgestellten Funktionseinschränkungen führen<br />

können, ist nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden<br />

Kausalitätsgr<strong>und</strong>sätzen (Theorie der wesentlichen Bedingung,<br />

vgl. Becker 2010 [148] sowie Kapitel 3.3.2) unter Berücksichtigung<br />

sämtlicher Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> des Krankheitsverlaufs zu beurteilen,<br />

ob die Berufskrankheit wesentliche Teilursache der<br />

Funktionseinschränkung ist:<br />

" Steht die BK als Ursache der Funktionseinschränkungen ganz<br />

im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> treten die gesicherten anderen Erkrankungen<br />

demgegenüber als unwesentlich zurück, sind die<br />

Funktionseinschränkungen der BK zuzuordnen.<br />

" Wenn sowohl die BK-unabhängige Erkrankung als auch die BK<br />

untrennbar wesentliche Teilursachen der Funktionseinschränkung<br />

sind, so sind die gesamten Funktionseinschränkungen<br />

der BK zuzuordnen. Sind die BK-unabhängigen Erkrankungsfolgen<br />

dagegen diagnostisch abgrenzbar, gehen<br />

diese nicht in die Schätzung der MdE mit ein.<br />

" Steht die BK-unabhängige Erkrankung als Ursache der Funktionseinschränkungen<br />

ganz im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> tritt die BK<br />

demgegenüber als unwesentlich zurück, sind die Funktionseinschränkungen<br />

nicht der BK zuzuordnen.<br />

" Besteht ein Vorschaden, ist nur der Verschlimmerungsanteil<br />

aus den Funktionseinschränkungen der BK zuzuordnen. Zur<br />

Beurteilung ist eine Verlaufsbeurteilung der klinischen <strong>und</strong><br />

radiologischen Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> des Krankheitsverlaufs erforderlich.<br />

Abzugrenzen sind auch Funktionseinschränkungen, die vor dem<br />

erstmaligen Nachweis des Versicherungsfalls einer BK (Vorschaden)<br />

feststellbar sind oder auf erst nach Beendigung der gefährdenden<br />

Tätigkeit nachgewiesene Ursachen (Nachschaden) zurückzuführen<br />

sind. Bei Vorschäden ist deren Bedeutung für die<br />

Funktionseinschränkungen einschließlich der Abgrenzung der<br />

Verursachungsanteile sowie des Anteils der durch die BK bedingten<br />

Verschlimmerung der weiteren Erkrankung zu erörtern.<br />

Soweit Funktionseinschränkungen einer asbestbedingten Erkrankung<br />

mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden<br />

können, bilden sie die Gr<strong>und</strong>lage der Beurteilung einer MdE. Im<br />

Gutachten sind daher konkrete Aussagen zu Art <strong>und</strong> Schwere der<br />

der BK zuzuordnenden Funktionseinschränkungen zu treffen.<br />

Hinweis: Sofern die gutachterliche Untersuchung wahrscheinlich<br />

macht, dass BK-unabhängige Erkrankungen das Beschwerdebild<br />

allein wesentlich verursachen, ist der Versicherte über das Untersuchungsergebnis<br />

mit der Empfehlung einer weiteren Abklärung<br />

– <strong>und</strong> bei Einverständnis des Versicherten auch der Hausarzt <strong>und</strong><br />

weiterbehandelnde Arzt – zu informieren.<br />

5.5.1 Asbestose <strong>und</strong> pleurale Veränderungen (BK Nr. 4103)<br />

Es ist zu beurteilen, ob pulmokardiale Funktionseinschränkungen<br />

mit Wahrscheinlichkeit den asbestbedingten Veränderungen<br />

zuzuordnen sind.<br />

Für die Beurteilung der kardiopulmonalen Funktion sind, soweit<br />

verfügbar, der intraindividuelle Verlauf sowie aktuelle <strong>und</strong> valide<br />

Referenzwerte (vgl. DGAUM-Leitlinie „Lungenfunktionsprüfungen<br />

in der Arbeitsmedizin“) zugr<strong>und</strong>e zu legen. Dies gilt insbesondere<br />

für Grenzbef<strong>und</strong>e.● " Abb. 1 weist auf die einzelnen diagnostischen<br />

Schritte hin. Insbesondere bei Diskrepanzen, wie fehlender<br />

Einschränkung der Lungenfunktion bei Belastungsluftnot<br />

als auch bei differenzialdiagnostischen Fragestellungen (z. B. kardial-<br />

<strong>und</strong>/oder pulmonal-bedingter Luftnot), sind ergänzende<br />

Untersuchungen, insbesondere eine Spiroergometrie, erforderlich.<br />

Zu den besonderen Pflichten des Gutachters gehört es, bevor eine<br />

Funktionsstörung einer Asbestgenese zugeordnet wird, die dokumentierte<br />

Qualität der Untersuchungsergebnisse kritisch zu<br />

würdigen. Sofern Zweifel an der Qualität, insbesondere von Vorbef<strong>und</strong>en,<br />

bestehen, sind Kontrolluntersuchungen zu veranlassen.<br />

Die Funktionsausfälle bei den einzelnen radiologischen Bef<strong>und</strong>en<br />

werden in Kapitel 4.2 dargestellt.<br />

Die charakteristische Lungenfunktionsstörung bei der Asbestose<br />

ist eine restriktive Ventilationsstörung. Bei kombinierten Ventilationsstörungen<br />

kann die Obstruktion der Asbestose kausal zugeordnet<br />

werden. Isolierte obstruktive Ventilationsstörungen bei<br />

einer Asbestose sind ungewöhnlich. Weiterhin können eine arterielle<br />

Hypoxämie <strong>und</strong> eine eingeschränkte Diffusionskapazität<br />

sowie komplizierend eine pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzbelastung<br />

<strong>und</strong> Cor pulmonale auftreten.<br />

Eine ursächliche Zuordnung der Funktionsstörung zur Asbestose<br />

ist stets im Einzelfall zu prüfen.<br />

Die Zuordnung pulmokardialer Funktionsstörungen zu asbestbedingten<br />

pleuralen Verdickungen muss differenziert betrachtet<br />

werden. Dabei ist zwischen pleuralen Verdickungen isoliert an<br />

der Pleura parietalis (parietaler Typ nach internationaler CT/<br />

HRCT-Klassifikation) <strong>und</strong> pleuralen Verdickungen mit Einzbeziehung<br />

parenchymaler Strukturen (viszeraler Typ nach internationaler<br />

CT/HRCT-Klassifikation) zu unterscheiden. Pleurale Verdickungen<br />

vom parietalen Typ können restriktive Ventilationsstörungen<br />

verursachen. Pleurale Verdickungen vom viszeralen Typ,<br />

zu denen auch die Hyalinosis complicata <strong>und</strong> R<strong>und</strong>atelektasen<br />

zählen, sind geeignet, restriktive Ventilationsstörungen <strong>und</strong> Gasaustauschstörungen<br />

zu verursachen. Bei kombinierten Ventilationsstörungen<br />

kann die Obstruktion der viszeralen Pleuraverdickung<br />

kausal zugeordnet werden. Eine ursächliche Zuordnung<br />

der Funktionsstörung zur asbestbedingten Pleuraverdickung ist<br />

stets im Einzelfall zu prüfen. (Falkensteiner Empfehlung [134]).<br />

5.5.2 Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Mesotheliom<br />

(BK Nrn. 4104, 4105, 4114)<br />

Die typischen, meist sehr ausgeprägten Funktionseinschränkungen<br />

(Folgen einer OP, einer Strahlen- oder Chemotherapie sowie<br />

die Funktionseinschränkungen auf Gr<strong>und</strong> psychischer Belastungen<br />

usw.) sind in der Regel ohne größere Probleme der Erkrankung<br />

zuzuordnen. Die Folgen nachgewiesener vorbestehender<br />

Erkrankungen (z.B. schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankungen)<br />

sind im Einzelfall abzugrenzen (im Einzelnen siehe Kapitel 4.2).<br />

5.6 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)<br />

Die MdE bemisst sich gem. § 56 Abs. 2 SGB VII danach, in welchem<br />

Umfang durch die Beeinträchtigung des körperlichen <strong>und</strong><br />

geistigen Leistungsvermögens die Arbeitsmöglichkeiten auf dem<br />

gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert sind. Der ärztliche<br />

Sachverständige ermittelt die medizinisch-funktionellen<br />

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Baur X et al. <strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong> <strong>Begutachtung</strong> <strong>asbestbedingter</strong> <strong>Berufskrankheiten</strong> … Pneumologie 2011; 65: e1– e47

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