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Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten

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e10<br />

Leitlinie<br />

BK Nr. 4104 <strong>und</strong> BK Nr. 4114<br />

Wird anhand der konventionellen p. a. Thoraxaufnahme eines arbeitsbedingt<br />

asbestexponierten Versicherten der Verdacht auf<br />

das Vorliegen eines Lungentumors geäußert, so ist als nächster<br />

Schritt zur Sicherung der Diagnose <strong>und</strong> zur Beurteilung der Ausdehnung<br />

des Tumors in jedem Fall eine computertomografische<br />

Untersuchung erforderlich, um vor Einleitung einer Therapie ein<br />

möglichst exaktes Staging des Tumors bezüglich seiner Ausdehnung,<br />

der Beziehung zu den benachbarten Strukturen <strong>und</strong> offensichtlicher<br />

Metastasen zu erhalten. Dazu sollte heute unbedingt<br />

ein Mehrzeilen-Spiral-CT-Gerät (MSCT) mit der Möglichkeit der<br />

kontinuierlichen Rekonstruktionen dünner Schichten in allen<br />

drei Raumebenen eingesetzt werden. Wenn verfügbar, ist die<br />

PET-CT zu bevorzugen.<br />

Die Untersuchung kann nicht in Low dose-Technik durchgeführt<br />

werden, dosismodulierte Untersuchungstechniken sollen dabei<br />

aber angewendet werden. Zum Nachweis von hilären Lymphknotenmetastasen<br />

kann auf die Gabe von Kontrastmittel nicht<br />

verzichtet werden. (Ausnahme: lebensbedrohliche Kontrastmittelreaktionen<br />

in der Anamnese bzw. manifeste Niereninsuffizienz<br />

mit GFR < 30 ml/min).<br />

Weitere Angaben sind der Protokollempfehlung für die Computertomografie<br />

der Lunge bei berufsbedingten Tumorerkrankungen<br />

der Lunge, publiziert auf der Homepage der AG „Diagnostische<br />

Radiologie arbeits- <strong>und</strong> umweltbedingter Erkrankungen“<br />

(www.drg.de), zu entnehmen.<br />

Steht eine PET-CT nicht zur Verfügung, ist abhängig von der Histologie<br />

des Tumors <strong>und</strong> eines bestehenden Lymphknotenbefalls<br />

als ergänzende Untersuchungen zum Ausschluss einer Metastasierung<br />

die Skelettszintigrafie <strong>und</strong> ggf. eine CT oder MRT-Untersuchung<br />

des Schädels erforderlich.<br />

BK Nr. 4105<br />

Bislang gelingt die Früherkennung von Pleuramesotheliomen<br />

noch mit keinem bildgebenden Verfahren. Wenn überhaupt,<br />

werden kleinere Tumore bei computertomografischen Untersuchungen<br />

zur Abklärung von ätiologisch zunächst unklaren Pleuraergüssen<br />

festgestellt. Neu aufgetretene oder größenprogrediente<br />

Veränderungen der Pleura in der Thoraxübersichtsaufnahme<br />

sind als tumorsuspekt zu sehen. Werden diese auffällig,<br />

handelt es sich aber meist schon um ein fortgeschrittenes Tumorleiden.<br />

Besteht anhand der konventionellen p. a. Thoraxaufnahme eines<br />

beruflich asbestexponierten Versicherten der Verdacht auf das<br />

Vorliegen eines Pleuramesothelioms, so ist üblicherweise der<br />

nächste Schritt zur Sicherung der Diagnose <strong>und</strong> zur Beurteilung<br />

der Ausdehnung des Tumors eine computertomografische Untersuchung<br />

des Thorax. Um eine Invasion des Tumors in die Strukturen<br />

der Thoraxwand, des Zwerchfells oder des Mediastinums sicher<br />

beurteilen zu können, ist zu fordern, dass die Untersuchung<br />

mit einem Mehrzeilen-Spiral-CT-Gerät (MSCT) durchgeführt<br />

wird, da nur ein Volumendatensatz die Möglichkeit der kontinuierlichen<br />

Rekonstruktionen dünner Schichten in allen drei Raumebenen<br />

eröffnet. Alternativ kann bei dieser Fragestellung auch<br />

ein MRT der Thoraxwand zum Einsatz kommen. Wenn verfügbar,<br />

sollte auch in diesem Fall die PET-CT/HRCT durchgeführt werden.<br />

4.3.2 Bewertung der Strahlenexposition bei Thoraxübersichtsaufnahmen<br />

<strong>und</strong> Computertomografie des Thorax<br />

Bei der Indikationsstellung zu jeder Untersuchung muss gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

der durch sie erzielbare Nutzen für den Menschen gegen<br />

ein mögliches Risiko abgewogen werden.<br />

Wird Röntgenstrahlung eingesetzt, ist das sogenannte ALARA-<br />

Prinzip („As low as reasonably achievable“) zu beachten. Dieses<br />

besagt, dass die technischen Parameter für die jeweilige Untersuchung<br />

so angepasst werden müssen, dass mit der geringsten<br />

möglichen Strahlenexposition ein Bild erzeugt werden kann, das<br />

erlaubt, die entsprechende Diagnose zu stellen.<br />

Gemäß der Forderung der Röntgenverordnung in der Fassung<br />

vom 30. April 2003 hat das B<strong>und</strong>esamt für Strahlenschutz [52]<br />

diagnostische Referenzwerte für Röntgenuntersuchungen <strong>und</strong><br />

auch für die Computertomografie veröffentlicht, die ohne Begründung<br />

nicht überschritten werden sollen. Im Rahmen der gesetzlich<br />

festgelegten Qualitätskontrolle radiologischer Untersuchungen<br />

wird die Einhaltung der diagnostischen Referenzwerte<br />

durch die ärztlichen Stellen überprüft.<br />

Die heute meist eingesetzte digitale Radiografie <strong>und</strong> die modernen<br />

MSCT-Geräte mit der Möglichkeit der Dosismodulation erlauben<br />

es, diese Referenzwerte nicht nur einzuhalten, sondern<br />

meist zu unterschreiten.<br />

Die effektive Dosis für die Thoraxübersichtsaufnahme liegt bei<br />

0,1mSv [53], für eine Low dose-Volumen-CT-Untersuchung, die<br />

entsprechend dem angegebenen Protokoll (siehe Anlage 3)<br />

durchgeführt wurde, unter 1mSv [54].<br />

Zur vergleichenden Bewertung der Strahlenexposition unterschiedlicher<br />

radiologischer Untersuchungen eignet sich die effektive<br />

Dosis am Besten. Sie erlaubt das Risiko der Strahlenexposition<br />

bezüglich des Auftretens stochastischer Wirkungen im Niedrigdosisbereich<br />

für unterschiedliche Organe zu ermitteln. Dieses<br />

Konzept wurde aber zur Festlegung von Dosisgrenzwerten <strong>und</strong><br />

zur Bewertung von beruflichen Strahlenexpositionen entwickelt<br />

[55]. Es ist damit für Risikoabschätzungen einer Einzelperson –<br />

insbesondere zur Abschätzung des Risikos nach einer individuellen<br />

Strahlenexposition – nur bedingt geeignet, da die Risikofaktoren<br />

zur Ermittlung der effektiven Dosis über Altersverteilung <strong>und</strong><br />

Geschlecht der Gesamtbevölkerung gemittelt worden sind.<br />

Bei Patienten, die einer Röntgenuntersuchung zugeführt werden,<br />

ist der Anteil älterer Personen in der Regel aber relativ höher als<br />

in der Gesamtbevölkerung. Die Risikoabschätzungen mit Hilfe<br />

der effektiven Dosis führt damit in diesem Kollektiv zu einer<br />

Überschätzung des Strahlenrisikos etwa um den Faktor 2 [56].<br />

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass in keiner<br />

der heute publizierten Studien ein Anstieg von Tumorerkrankungen<br />

bei effektiven Dosen unter 100 mSv beschrieben wurde<br />

[57, 58].<br />

4.4 Pathologische Anatomie <strong>asbestbedingter</strong><br />

Erkrankungen<br />

Pathophysiologische Aspekte<br />

Asbest ist ein Sammelbegriff für verschiedene faserförmige silikatische<br />

Mineralien. Im Wesentlichen werden zwei Gruppen unterschieden,<br />

die Serpentinasbeste <strong>und</strong> die Amphibolasbeste.<br />

Asbestfaserstäube sind kanzerogen. Dies gilt v. a. für Asbestfasern<br />

mit einer Länge von mehr als 5 μm <strong>und</strong> einem Verhältnis Länge<br />

zu Breite von 3 : 1 oder größer. Asbestfasern können sich bis zu<br />

submikroskopischer Feinheit aufspalten. Wenn sie eingeatmet<br />

werden, wirken sie unter anderem fibroseerzeugend <strong>und</strong> kanzerogen.<br />

Von Durchmesser, Länge <strong>und</strong> Form der Asbestfasern hängt ab, in<br />

welchem Umfang es zu einer Deposition in den peripheren Luftwegen<br />

oder den Alveolen kommt. Der weitaus größere Teil des<br />

eingeatmeten Staubes wird wieder ausgeatmet oder durch die<br />

physiologische Reinigungsmechanismen der Atemwege <strong>und</strong><br />

Luftwege ausgeschieden. Ein Teil der jeweils in die Alveolen ge-<br />

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Baur X et al. <strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong> <strong>Begutachtung</strong> <strong>asbestbedingter</strong> <strong>Berufskrankheiten</strong> … Pneumologie 2011; 65: e1– e47

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