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Leitlinie Asbestose inkl. Merkblatt Prof. Dr. med. Xaver Baur ...

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<strong>Leitlinie</strong> <strong>Asbestose</strong> <strong>inkl</strong>. <strong>Merkblatt</strong><br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Xaver</strong> <strong>Baur</strong>, Ordinariat für Arbeits<strong>med</strong>izin Universitätsklinikum Hamburg-<br />

Eppendorf, Zentralinstitut für Arbeits<strong>med</strong>izin und Maritime Medizin Hamburg<br />

Asbestbedingte Erkrankungen (einschl. Krebsfälle) führen in Deutschland weiterhin das<br />

Berufskrankheitengeschehen an (nahezu 10.000 Anzeigen pro Jahr). Die Diagnostik und Begutachtung<br />

erfolgen bisher uneinheitlich und häufig nicht entsprechend dem klinischwissenschaftlichen<br />

Kenntnisstand, nicht selten zum Nachteil der Betroffenen. Bei dem noch<br />

nicht in allen Ländern realisierten Asbestanwendungsverbot prallen sozialethische und ökonomische<br />

Aspekte bzw. Interessen aufeinander, denen sich auch die Ärzteschaft stellen muss,<br />

wie sich in aktuellen Auseinandersetzungen in dem nach wie vor Asbest abbauenden und exportieren<br />

Kanada zeigt.<br />

Bisher anerkannte, das heißt entschädigungsberechtigte Berufskrankheiten sind die <strong>Asbestose</strong> und<br />

Pleurafibrose (BK 4103), Lungen- und Kehlkopfkrebs (BK 4104), Tumor im Rippenfell, Bauchfell oder<br />

Herzbeutel (so genanntes Mesotheliom, BK 4105).<br />

Wesentliche neue Erkenntnisse:<br />

Es gibt keinen Fasergrenzwert im Lungengewebe für asbestbedingte Erkrankungen, da der in<br />

Deutschland ganz überwiegend eingesetzte Weißasbest nach neueren Untersuchungen nur eine<br />

Halbwertzeit von wenigen Wochen hat. Dennoch sind Fasergrenzwerte immer noch ein geläufiges<br />

Kriterium für abschlägige Entscheidungen im Berufskrankheitenverfahren.<br />

Auch gibt es nur eine grobe Korrelation zwischen radiologisch feststellbaren Veränderungen und den<br />

Funktionseinschränkungen und auch kein allgemein gültiges radiologisch-definiertes<br />

Abschneidekriterium für die Festlegung eines Rentenanspruchs (MdE).<br />

Was bringt die neue <strong>Leitlinie</strong> „Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten“<br />

Diese Problematiken bildeten für die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungs<strong>med</strong>izin“<br />

in Zusammenarbeit mit anderen <strong>med</strong>izinischen Fachgesellschaften den Anlass,<br />

eine neue <strong>Leitlinie</strong> „Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten“ zu<br />

entwickeln.<br />

Damit haben asbestbelastete Arbeiter in Deutschland fortan bessere Chancen, dass ihre berufsbedingten<br />

Erkrankungen erkannt und umfassender entschädigt werden – dies erfolgt nun pünktlich zum<br />

Höhepunkt der Erkrankungsfälle durch Asbest. Damit können asbestbelastete Arbeiter jetzt hoffen,<br />

dass ihre Erkrankungen entsprechend dem heutigen <strong>med</strong>izinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand<br />

untersucht, begutachtet und entschädigt werden.<br />

Da konventionelle Röntgenuntersuchungen oft eine zu geringe Sensitivität und eingeschränkte Spezifität<br />

aufweisen, empfehlen wir in der neuen <strong>Leitlinie</strong> bei Bedarf eine Computer-Tomografie sowie in<br />

jedem Fall eine eingehende Anamneserhebung und eine qualitätsgesicherte Lungenfunktionsprüfung<br />

mit Belastung zur genaueren Abklärung asbestbedingter Schäden.<br />

Weitere Konsequenzen:<br />

1. Die Begutachtung muss gemäß dem <strong>med</strong>izinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand und qualitätsgesichert<br />

erfolgen.<br />

2. Den Bundesländern obliegt es, mit Hilfe ihrer staatlichen Gewerbeärzte die Einhaltung der<br />

Umsetzung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu gewährleisten sowie im Rahmen ihrer<br />

staatlichen Aufsichtspflicht gegenüber dem Unfallversicherungsträger Qualitäts- und Neutralitätsanforderungen<br />

an die ärztliche begutachtende Tätigkeit zu überprüfen.<br />

1


3. Die Berufsgenossenschaften tragen eine hohe Verantwortung für die Qualität der zur Beweisführung<br />

eingeholten ärztlichen Gutachten und der Stellungnahmen zur beruflichen Belastung.<br />

Energische Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind erforderlich. Insbesondere ist die Qualität<br />

der Untersuchungsergebnisse (z.B. bei Lungenfunktionsuntersuchungen) und<br />

die angemessen Erhebung der Anamnese zu sichern. Bei den Stellungnahmen der Technischen<br />

Aufsichtsdienste sind Richtigkeit und sachkundige Verwendung von Messwerten und<br />

Erfahrungen aus der Vergangenheit sowie möglichst detailgetreue Rekonstruktion der belasteten<br />

Tätigkeiten nachzuweisen und regelmäßig zu überprüfen.<br />

4. Anstelle der wenig zielführende Asbestkörper-Zählung im Lungengewebe ist stets eine qualifizierte,<br />

umfassende und daher liquidationsfähige Arbeitsanamnese durch ausgewiesene ärztliche<br />

Sachverständige als ein normales Beweismittel zu erheben.<br />

5. Wegen der für die Erkrankten in der Regel nicht belegbaren, jahrzehntelang zurückliegenden<br />

Asbestexposition wird eine Beweislasterleichterung im Sinne des SGB VII § 9 Abs. 3 angeregt.<br />

6. Da Funktionsstörungen ohne enge Korrelation mit den Röntgenbefunden und auch ohne radiologisch<br />

fassbare Veränderungen überhäufig nach langjähriger intensiver Asbest-Exposition<br />

auftreten, wird der Verordnungsgeber aufgefordert, das Berufskrankheitenrecht entsprechend<br />

dem <strong>med</strong>izinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand hinsichtlich einer "COPD durch langjährige<br />

und hohe Belastung durch anorganische Stäube" zu aktualisieren und damit die rechtlichen<br />

Voraussetzungen für eine Anerkennung und Entschädigung derartiger Erkrankungen<br />

kurzfristig zu schaffen.<br />

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