1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

10.04.2003: Eröffnung des Kreistages (Text: Judika)
Thema: Rangstreit der Jünger (Markus 10,35-45)
Ein Bibeltext mit Folgen: Jesus hat sich auseinanderzusetzen mit dem Rangstreit
seiner Jünger. Er macht den ehrgeizigen Zebedäus-Söhnen klar, dass Leitungsverantwortung
in der christlichen Gemeinde kein Zuckerschlecken ist, sondern eine
Dienst- und Leidensbereitschaft erfordert, die dem Lebensschicksal Jesu entspricht.
Die christliche Gemeinde hat keine Ehrenplätze in hervorgehobenen Ehrenlogen zu
vergeben, sondern erwartet eine Dienstbereitschaft, die vom eigenen Erfolg absieht
und zu wirklicher Hingabe bereit ist.
Jesus muss auch den Unmut der anderen Jünger über die beiden Ehrgeizlinge beruhigen.
Er versammelt alle seine Anhänger um sich und macht ihnen ein für alle Mal
klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen den Herrschern dieser Welt und den
Leitern der christlichen Gemeinde. „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre
Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch
nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter
euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“
Ein Bibeltext mit Folgen: Seitdem sind alle Leitungsämter in der Kirche Dienstämter.
Selbst der Papst in Rom trägt als Amtsbezeichnung den Titel „servus servorum Dei“
– „Diener der Knechte Gottes“. Und auch das Propstenamt im Kirchenkreis Herzogtum
Lauenburg wird nach der Verfassung unserer Kirche als ein Dienstamt beschrieben.
Wir herrschen nicht, wir dienen in einer bestimmten Funktion auf Zeit den Kirchengemeinden,
den Einrichtungen, Diensten und Werken unseres Kirchenkreises.
Ein Bibeltext mit Folgen: Im christlich-abendländischen Kulturkreis hat dieser Text
auch die Funktionalität der weltlichen Leitungsämter begründet und vorangetrieben.
Niemand, der in eine verantwortliche Position in Staat oder Gesellschaft berufen
wird, ist damit zum Herrschen bestimmt und dürfte sich etwa hochherrschaftlich aufführen,
nein, er ist in ein Dienstamt berufen und legt ein entsprechendes Versprechen
ab vor denen, die dieses Amt durch Wahl oder Berufung vergeben. „Minister“ –
„Diener“, so heißt die Bezeichnung auch im weltlichen Bereich, um Verantwortliche
vor Herrschaftsallüren zu bewahren.
Ja, man könnte die Probe aufs Exempel machen gerade im politischen Bereich. Wo
Kaiser, Könige, Staatsoberhäupter und Regierungschefs sich nicht als „erste Diener“
ihres Staates verstehen, ist es nicht weit her mit der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit
und dem Frieden in einem Gemeinwesen. Demokratie hat dieses funktionale
Selbstverständnis der Leitungsämter als Dienstämter an der Gemeinschaft zur
Grundlage. Demokratie funktioniert nicht ohne aufopferungsvollen und selbstlosen
Dienst.
Ein Bibeltext mit Folgen: Ich behaupte, dass von dieser Jüngerbelehrung Jesu eine
Kulturgeschichte der Herrschaftsüberwindung und die Entwicklung von Dienstleistungsbereitschaft
ausgeht. „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder,
und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern
wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der
Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“
Kreistagsabgeordnete, Landrat und Kreispräsidentin (und demnächst auch: Kreispräsident)
als Knechte! Sie werden die ganze Ambivalenz dieses Ehrentitels schon
noch zu spüren bekommen! Dienstbare Knechte schwieriger politischer und finanzieller
Rahmenbedingungen werden Sie sein und manchmal unter der Last der aufgebürdeten
Pflichten seufzen. Dienstbereite Verantwortung werden Sie zu übernehmen
haben für ein demokratisches Gemeinwesen, das sich noch Herzogtum nennt und
eine Königskrone im Wappen führt. Darin liegt die ganze Würde Ihres Amtes – auf
Zeit vergeben und zur Zusammenarbeit verpflichtet!
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