1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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ein gerechtes und christliches Leben, hat er zwölf Kapitel lang vom Evangelium, von<br />
der geduldigen Liebe Gottes und seiner freien Gnadenwahl geschrieben. Das ist unbedingt<br />
nötig, dass wir uns daran erinnern, damit wir die Mahnungen nicht seufzend<br />
zurückweisen. Paulus kommt uns nicht zuallerst mit dem Gesetz, sondern mit dem<br />
Evangelium. Und dann allerdings spricht er deutlich, ermunternd und ermahnend von<br />
dem, was zu einem christlichen Leben gehört. Wir wollen einander darüber nicht im<br />
Unklaren lassen: „Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert,<br />
nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“<br />
(Micha 6,8).<br />
Die Jahreslosung hat uns schon nahe gebracht, worauf es ankommt: „Lebt in der<br />
Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat“ (Epheser 5,2). So gehört das zusammen:<br />
Er hat uns zuerst geliebt, und darum können auch wir lieben. Gott ist barmherzig gegen<br />
uns, und deshalb können auch wir barmherzig sein. Gott will unser Leben, und<br />
deshalb können wir auch unser Leben nach seinem Willen ausrichten, nämlich das<br />
Gute, das Wohlgefällige und Vollkommene suchen.<br />
Wir werden es in diesem Leben nur unvollkommen erreichen. Aber es geht ja auch<br />
nicht um unser Verdienst, um unsere Würdigkeit. Gott schenkt das Wollen und das<br />
Vollbringen, er rettet uns durch die Taufe in seine Nähe, er sucht uns immer wieder<br />
heim, und er wird am Ende in seinem Reich vollenden, was hier noch unvollkommen<br />
geblieben ist.<br />
Weil das so ist, weil wir allesamt einander gleichen in Rang und Würde unter dieser<br />
einen klaren Erkenntnis, Gerechte und Sünder zugleich zu sein, können wir einander<br />
achten und gegenseitig anerkennen als Glieder an dem einen Leib. Unterschiedlich<br />
zwar, mit verschiedenen Gaben, aber doch so aufeinander bezogen, dass der eine<br />
ohne den anderen, die eine ohne die andere nichts tun kann.<br />
Wir leben unser Christsein nicht für uns, sondern in jedem Gottesdienst erfahrbar<br />
gemeinsam als eine Familie über Grenzen des Blutes, der Sprache und der Nationalität<br />
hinweg. „Wir viele sind ein Leib in Christus“ – wenn das nicht ein großartiges Geschenk<br />
jeder gottesdienstlichen Versammlung ist!<br />
„Und untereinander ist einer des anderen Glied, und wir haben verschiedene Gaben<br />
nach der Gnade, die uns gegeben ist.“ Wir brauchen nicht eifersüchtig aufeinander<br />
zu sein, weil es grotesk wäre, wenn die Nase eifersüchtig auf die Augen, und die Ohren<br />
eifersüchtig auf den Mund wären; wenn die Hände lieber Füße oder Knie lieber<br />
Pobacken wären. Wir brauchen sie alle, jede und jeden an seinem, an ihrem Platz,<br />
mit all den verschiedenen Fähigkeiten und Gaben, Funktionen und Aufgaben.<br />
Aber das ist ja nur ein Bild. Prüfen wir also mit Paulus, ob wir einander gerecht werden<br />
im wechselseitigen Dienst aneinander. Geschieht die Rede, ja gerade auch die<br />
prophetische Rede, dem Glauben gemäß? Was ist der Glaube, an dem wir messen,<br />
in Bibel und Bekenntnis? Sprechen wir einander noch an auf diese Maßstäbe und<br />
können wir uns untereinander einigen, dass es nicht nur im persönlichen Auftreten<br />
um maßvolles Verhalten geht? Auch der Glaube hat sein Maß, wie wir hören, von<br />
Gott ausgeteilt! Dürfen wir dann allzu eilfertig zuteilen oder absprechen? Wollen wir<br />
nicht zunächst einmal hören aufeinander und ganz genau hinsehen auf das Maß des<br />
Glaubens, das Gott einem jeden und einer jeden zugeteilt hat? Uns miteinander<br />
freuen über die vielfältigen Gaben unter uns und dann vielleicht auch einmal eine<br />
Frage, ja auch ein Urteil wagen, das immer wieder überprüft und auch wieder zurückgenommen<br />
werden kann, wenn einer oder eine sich ändert und erneuert. Ja,<br />
müssen wir nicht überhaupt als wichtigstes Kennzeichen unserer Liebe und Barmherzigkeit<br />
untereinander das gegenseitig uns zubilligen und zutrauen, dass wir uns<br />
ändern können durch Erneuerung unseres Sinnes? Dass wir uns nicht gleichstellen<br />
mit der Welt in ihren gegenseitigen Überspitzungen und Verwerfungen im politischen<br />
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