1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Umso interessanter wird uns das Bild vom Haus aus lebendigen Steinen! Unsere<br />
Kirche ist ein Haus, aus Steinen gebaut. Und unsere Gemeinde ist ein Haus, aus<br />
Steinen gebaut, die lebendig sind. Aus Steinen, die wachsen können, die klingen<br />
können oder Wärme ausströmen.<br />
Noch etwas klingt mit in diesen Worten aus dem 1. Petrusbrief: das priesterliche<br />
Selbstverständnis der Gemeindeglieder.<br />
Nicht einzelne Priester sind es, die Gott besonders nahe stehen. Sondern wir alle<br />
stehen in Gottes Nähe. Wir sind alle ermächtigt und verpflichtet, zu tun, was Priestern<br />
vorbehalten ist, nämlich Gott zu dienen. Und dazu sind wir nicht durch die Erfüllung<br />
bestimmter kultischer Gesetze befähigt, sondern durch die Taufe, durch Gottes<br />
Ja zu uns sind wir berufen zu seinem Dienst.<br />
Nicht Opfergaben wie Weihrauch und Widder sind es, die wir Gott darbringen sollen,<br />
sondern Gaben des Herzens wie Dankbarkeit, wie Vertrauen und Gehorsam.<br />
Nicht festgebaute Tempelhäuser sind es, die Gottes Gegenwart verbürgen, sondern<br />
unsere Herzen sind es, in denen Gott Wohnung nehmen möchte.<br />
Hier im 1. Petrusbrief heißt es:<br />
„Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen<br />
Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus<br />
Christus.“<br />
Und damit wird die Vision eines neuen Tempels gezeichnet – eine Vision, die bereits<br />
jetzt schon in unserer Gegenwart wirklich werden kann und soll. Der Tempel, in dem<br />
Gott erfahrbar sein will, wird nicht aus Steinen gebaut, sondern aus der Liebe und<br />
aus dem Vertrauen derer, die sich von Gottes Willen leiten lassen. Dort gibt es keine<br />
Priesterschaft, die sich als etwas Besseres fühlt als die normalen Gläubigen. Dort<br />
schenkt man sich als Opfer gegenseitig Liebe, wahrt den Frieden und gewährt sich<br />
gegenseitig Freiheit. So dass jeder Mensch ein menschlicher Mensch sein darf, vor<br />
Gott, vor dem anderen und vor sich selbst.<br />
Fassen wir also zusammen:<br />
- Ein Haus und auch eine Kirche werden gebaut, um Menschen eine Zuflucht zu<br />
sein. Geborgenheit schenken sie aber nur durch die Menschen, die darin leben.<br />
- Steine sind nicht wirklich tot, sondern sind lebendiger, als wir üblicherweise<br />
denken.<br />
- Und ein Tempel, wie Gott ihn sich wünscht, ist kein Raum des tötenden Gesetzesbuchstabens,<br />
wo nur einige wenige den Ton angeben, sondern ein<br />
Raum der Freiheit, des Lebens und der Liebe für alle.<br />
Wir sind heute als die neugewählten und neuberufenen Kirchenvorsteherinnen und<br />
Kirchenvorsteher der St. Petri-Gemeinde zusammengekommen aus verschiedenen<br />
Lebensbereichen und Lebensaltern, zusammengekommen als Einzelne, und doch<br />
heute vereint in der Mahlgemeinschaft, im gegenseitigen Kennenlernen und nun<br />
beim Hören des Wortes Gottes.<br />
Da wird sich jeder von uns der Frage stellen: Wo ist eigentlich mein Platz in diesem<br />
Haus der Gemeinde Gottes? Bin ich ein Stein, der einen festen Platz hat. Wer steht<br />
neben mir und stützt mich? Wer steht unter mir und hält mich? Und wer steht über<br />
mir und verlässt sich darauf, das ich ihn trage? In einem Mauerwerk sind die Steine<br />
aufeinander angewiesen. Sie tragen und stützen sich gegenseitig. Und jede Mauer<br />
ist nur so stark, wie ihr schwächster Stein. Wo habe ich meinen Platz in diesem Gebäude,<br />
das wir Kirchengemeinde, Kirchenvorstand, nennen?<br />
Habe ich überhaupt einen bestimmten Platz in diesem Gremium oder liege ich am<br />
liebsten nutzlos am Rand herum, damit mich keiner gebraucht, vielleicht sogar belastet?<br />
89