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1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...

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konnte und dem eindrucksvollen Stadtbild seinen zum Himmel weisenden Zeigefinger<br />

wiedergab.<br />

Über die heute fertiggestellte Renovierung und Erneuerung der Heizung mögen<br />

kommende Generationen urteilen, ob sie in den historischen Zusammenhang der<br />

großen Kirchenrenovierungen gehört oder eher eine bescheidene Episode bleibt. Es<br />

sind Türen geöffnet und alte Steine wieder sichtbar gemacht worden. Es kommt aber<br />

nicht auf die Steine an, sondern auf die Worte, die in diesen Mauern erklingen. Wenn<br />

der Raum durch seine neugewonnene Helligkeit und Klarheit dazu beiträgt, die Botschaft<br />

zu den Menschen zu tragen und ihre Herzen zu erreichen, dann hat auch diese<br />

Renovierung ihren eigentlichen Zweck erfüllt.<br />

Das alte Südportal ist wieder geöffnet, ein wahrhaft adventlicher Vorgang, und die<br />

Geschichte der Maria Magdalena ist jetzt an der Emporenbrüstung umlaufend zu lesen<br />

für die, die die Bibel nicht mehr so gut kennen. Auch sie ist, wie alle Geschichten<br />

der Jüngerinnen und Jünger, der Apostel und Heiligen eine Hinweisgeschichte auf<br />

Jesus. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“<br />

Der Dank an den Architekten und die Handwerker, an den Kirchenvorstand und die<br />

Geldgeber ist später nachzutragen. In der Predigt muss es noch einmal um die Perspektive<br />

einer Zukunft mit menschlichem Angesicht gehen – denn das ist eigentlich<br />

das Geheimnis unseres Predigttextes. Wenn auch alles vergeht, was irdisch ist,<br />

Christus kommt und bleibt bei uns – das menschliche Antlitz Gottes bleibt den Menschen<br />

in allem Werden und Vergehen zugewandt. Und deshalb dürfen wir uns in den<br />

großen Wehen dieser Zeit auch trösten lassen: „Seht auf und erhebt eure Häupter,<br />

weil sich eure Erlösung naht.“<br />

Ich will dazu eine kleine Geschichte erzählen: Um seinen kleinen Sohn für eine Weile<br />

zu beschäftigen, zerriss der Vater eine Zeitungsseite, auf der eine Weltkarte abgebildet<br />

war, in kleine Schnipsel und gab sie dem Jungen mit der Bemerkung: „Hier, ich<br />

habe einen herrlichen Zeitvertreib für dich. Setz mal die alte Welt wieder schön zusammen.“<br />

Aber der Sohn kam schnell, viel zu schnell für den ruhebedürftigen Vater,<br />

mit der zusammengesetzten Weltkarte wieder zurück. Der Vater staunte: „Wie hast<br />

du das nur gemacht?“ „Oh, das war ganz einfach. Auf der Rückseite war ein großes<br />

Bild von einem Menschen. Ich brauchte nur den Menschen zusammenzusetzen,<br />

dann war auch die Welt wieder ganz.“<br />

Es kommt vor, dass nicht ein Ruhe suchender Vater, sondern etwas anderes unsere<br />

Welt kaputtmacht. Da reißt zum Beispiel eine Krankheit einen Riss. Die Diagnose ist<br />

unklar, die Ärzte sagen nichts. Wo bisher Ordnung war, ist Chaos. Der Überblick geht<br />

verloren, Pläne für morgen können nicht mehr gemacht werden. Es gibt keine Prognose.<br />

„Prognose“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet Vorausschau. Niemand erwartet<br />

heute von einem Arzt, dass er Hellseher ist; aber wer krank geworden ist, erwartet<br />

doch von ihm, auf Wissen und Erfahrung gegründete Aussagen über Art und<br />

Verlauf seiner Erkrankung zu hören. Warum ist das so wichtig?<br />

Weil eine solche Prognose wieder Ordnung in das Chaos bringt, sie gibt eine Perspektive,<br />

und das hilft leben. Denn Leben ohne Ordnung gibt es nicht, das Leben ist<br />

ja Struktur, „geordnete Komplexität“, sagen die Wissenschaftler heute.<br />

Eine solche Prognose für von Ängsten Geschüttelte gibt Jesus seinen Jüngern. Das<br />

ist der Inhalt des heutigen Evangeliums. Es wird so sein wie bei der Geschichte von<br />

dem kleinen Jungen: Auf der Rückseite ist das Gesicht eines Menschen zu sehen,<br />

darum kann die zerrissene Welt wieder zusammengesetzt werden. Und dieses Gesicht<br />

des Menschen ist das von Jesus von Nazareth. Es wird auftauchen am Ende<br />

der Tage, nein, es ist eigentlich immer schon da gewesen.<br />

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