1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
1998 (Reihe II)<br />
11.01.1998: 1. Sonntag nach Epiphanias (Antritt in Ratzeburg)<br />
Römer 12,1-8<br />
Ein Amt habe ich heute übertragen bekommen vor Ihren Augen und Ohren. Und nun<br />
habe ich im neuen Amt zuallererst zu predigen über diese Worte des Apostels Paulus:<br />
„Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er.“ Und: „Niemand halte mehr von sich,<br />
als sich’s gebührt zu halten, sondern ein jeder halte maßvoll von sich nach dem Maß<br />
des Glaubens, wie Gott es ausgeteilt hat.“<br />
Ich bin dem Apostel dankbar für diese Worte. Sie kommen als Mahnung zur rechten<br />
Zeit. Sie stehen offensichtlich nicht zufällig am Anfang meines Dienstes in diesem<br />
Kirchenkreis, sondern fallen mir aufgrund höherer Weisheit zu – so wie es Max<br />
Frisch in seinem Tagebuch gesagt hat: „Es gibt keine Zufälle. Entweder es war fällig<br />
oder es fällt einem zu.“ Ich nehme es als beides: als ein zufallendes Geschenk und<br />
als eine fällige Mahnung zu Beginn meines Dienstes.<br />
Für mich kommt noch ein weiterer Umstand hinzu, der mich nachdenklich macht: Es<br />
ist gerade dieser Text aus dem 12. Kapitel des Römerbriefes, über den ich als Theologiestudent<br />
meine aller erste Predigt im Hamburger Ornat in Schenefeld bei Hamburg<br />
gehalten habe. An den Anfang werde ich zurückgelenkt, damit ich noch einmal<br />
Rechenschaft ablege über den Weg, den ich bisher gegangen bin.<br />
- Habe ich mich der Aufgabe ganz hingeben können, die ich mit dem Theologiestudium,<br />
dem Vikariat, den Prüfungen und der Ordination erstrebt habe?<br />
Bin ich diesen Weg lebendig, heilig und Gott wohlgefällig gegangen?<br />
- Habe ich mich dem weltlichen Treiben angepasst, oder bin ich bereit gewesen<br />
zu Buße und Umkehr, zur Sinnesänderung, wie Paulus schreibt, und habe ich<br />
wirklich all mein Tun an Gottes Willen geprüft und dabei entdeckt, was mir und<br />
anderen gut tut, was wohlgefällig ist und vollkommen?<br />
- War ich immer bescheiden genug und habe nie mehr von mir selber gehalten,<br />
als mir gebührt? Bin ich dem Geschenk und Maß des Glaubens gerecht geworden,<br />
das Gott mir anvertraut hat?<br />
- Habe ich dem Glauben gemäß gepredigt, bin ich rechter Lehrer und Seelsorger<br />
gewesen? Habe ich immer aufrichtig und selbstlos gegeben? War ich<br />
sorgfältig als Kirchenvorsteher? Und vor allem: Hat es mir Freude gemacht<br />
und kam es wirklich von Herzen, gütig und barmherzig zu sein?<br />
Liebe Gemeinde! Ich stelle mir alle diese Fragen im Blick auf meinen nun 25jährigen<br />
Weg im Dienst der Kirche als Vikar und Pfarrer, als Oberkirchenrat und nun schon<br />
ein paar Tage als Propst dieses Kirchenkreises. Zu jeder einzelnen Frage könnte ich<br />
Antwort geben und habe sie auch im Gebet Gott vorgetragen. Er allein weiß, was<br />
gelungen und misslungen ist, er kennt meine guten Vorsätze, meine Verirrungen und<br />
meine Neuanfänge. Meine nächsten Angehörigen und Freunde, ja auch die Gemeindeglieder<br />
und Weggefährten aus all den vielen Jahren, die mir heute die Freude machen,<br />
hier zu sein in diesem Einführungsgottesdienst, kennen manche Antwort auf<br />
diese Fragen, die sie sich in stillen Stunden, konfrontiert mit diesem Text, wohl auch<br />
so manches Mal gestellt haben. Denn Glaubende sind wir nur dann, wenn wir zum<br />
Hören bereit sind auf Gottes Wort und uns zurechtbringen lassen von diesem Wort –<br />
also ermahnen lassen, wie Paulus es ausdrückt.<br />
Unsere Antworten werden, wenn wir ehrlich sind, ganz lutherisch ausfallen: Wir sind<br />
gerechtfertigt und Sünder zugleich. Wir halten den ehrlichen Blick auf unser Leben<br />
nur aus, weil wir uns gehalten wissen von der Barmherzigkeit Gottes. Ehe Paulus im<br />
12. Kapitel seines Römerbriefs nun übergeht zu den notwendigen Ermahnungen für<br />
8