1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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nicht nur das. Als Abbild des Paradieses sind sie auch ein Vorzeichen für das, was<br />
kommen wird. Als Luther im Jahr 1530 auf der Veste Coburg lebte, schrieb er neben<br />
vielen anderen Briefen auch einen Brief an seinen vierjährigen Sohn Hans. Früher<br />
hat dieser Brief in den Schulbüchern gestanden. Liebevoll und kindlich schildert Luther<br />
in diesem Brief das Paradies. In ihm sammeln die Kinder die Früchte der Bäume<br />
und essen sie, sie reiten auf kleinen Pferden und spielen auf kleinen Instrumenten<br />
und singen dazu. Wenn er fromm ist, lernt und betet – so schreibt der Vater seinem<br />
Sohn – dürfen er und seine Freunde auch einmal in diesen schönen Garten kommen.<br />
Das ist kein kindisches Geschwätz. Es ist der Ausdruck eines tiefen Glaubens<br />
und eines festen Vertrauens. Gott wird vollenden, was er einmal begonnen hat. Gott<br />
wird einmal das Paradies auch für uns wieder öffnen. Amen.<br />
03.11.2002: Hubertustag (Hubertus-Andacht)<br />
Thema: Hubertuslegende<br />
Hubertus, so wird erzählt, will an einem Karfreitag jagen. Seine Frau warnt davor und<br />
bedrängt ihn, den Karfreitag als höchsten Feiertag des Jahres durch den Verzicht auf<br />
die Jagd zu achten. Hubertus schlägt die Mahnung seiner Ehefrau in den Wind. Er<br />
trifft im Zuge dieser Jagd auf eben jenen Hirschen, in dessen Geweih ihm der Gekreuzigte<br />
erscheint. Hubertus wird von Gott direkt angesprochen: „Hubertus, ich erlöste<br />
dich und dennoch verfolgst du mich!?“ Hubertus fällt auf die Knie und jagt hinfort<br />
nicht mehr.<br />
Liebe Jägerkameraden! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gemeinde!<br />
Schon der deutliche Bezug der Hubertuslegende zu Christusfrömmigkeit und kirchlichem<br />
Jahresfestkreis widersetzt sich einer allzu freifrommen Auslegung. Hubertus<br />
kniet nicht vor dem Trophäenträger, er kniet nicht vor der Natur, die den Schöpfer<br />
irgendwie symbolisiert, sondern Hubertus kniet vor Jesus Christus. Hier wird an eine<br />
Christuserfahrung erinnert. Und diese Christuserfahrung bricht sich ausgerechnet<br />
dort Bahn, wo der wilde Hubert sich einen Teufel um den Karfreitag schert und lieber<br />
seiner Neigung, seinem Trieb und seiner freien Laune nachgeht. Das heißt: Gott tritt<br />
dem zügellosen Menschen entgegen und führt in zurück in eine von ihm vernachlässigte<br />
Beziehung.<br />
Wenn Jägerinnen und Jäger in ihren Kirchengemeinden in diesen Tagen Hubertusmessen<br />
feiern, dann neigen sie manchmal dazu, diese Hubertustradition zu romantisieren.<br />
Hörnerklang und Kerzenschein, die wir nun heute in St. Petri nicht in dem erwünschten<br />
Ausmaß erleben können, bewegen sanft das Gemüt und berühren verschüttete<br />
und vielleicht verdrängte Empfindungen. Wir alle tragen die Neigung in uns,<br />
Tradition möglichst unanstößig und sanft bewegt zu zelebrieren.<br />
In der Legende vom Heiligen Hubertus liegt aber ein deutlicher Anstoß. Er liegt in der<br />
Frage, ob unser Leben noch in Beziehung steht zu Gott als dem Schöpfer allen Lebens.<br />
Lebt ihr noch in Beziehung zu eurem Gott? Pflegt ihr diese Beziehung? Und<br />
lasst ihr euch diese Beziehung auch einmal einen Verzicht kosten?<br />
Beziehung, liebe Gemeinde, ist ein wichtiges Gut in der Bibel. Im Alten Testamentes<br />
schafft Gott den Menschen in vier festen Beziehungen: zunächst in der Beziehung<br />
zur Erde (Adam = Erdling), dann in der Beziehung zu den Mitgeschöpfen, weiter in<br />
der ausdrücklich gesegneten Beziehung zwischen Mann und Frau und schließlich in<br />
der Beziehung zu Gott selbst. In diesen vier Beziehungen wird dem Menschen das,<br />
was die Bibel Gottesebenbildlichkeit nennt, zugesprochen.<br />
Durch Jesus von Nazareth erfahren diese vier Grundbeziehungen des Lebens eine<br />
neue Rangfolge. Jesus lehrt, dass in der gelebten Beziehung zu Gott alle anderen<br />
Beziehungen ihren Grund und ihr Ziel haben. Das heißt: wer Gott den Schöpfer liebt,<br />
wird seine Schöpfung und die Mitgeschöpfe auch lieben.<br />
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