1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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wollte sich da zwischen den einzelnen Menschen und Gott stellen? Wir haben nicht<br />
erbetene Nähe zu verweigern, aber auch nicht unbekümmert zu sanktionieren, wofür<br />
ein Segenswort weit und breit nicht zu entdecken ist.<br />
Denn sonst verkehrt sich unser Gleichnis unversehens in sein Gegenteil:<br />
Dass der Zöllner und Sünder dasteht und sagt: Ich danke dir, Gott, dass du mich<br />
nicht so spießig gemacht hast wie die anderen, dass du mich hin und wieder sündigen<br />
lässt und ich nicht so fromm sein muss wie diese Pharisäer. Bestimmt tun die<br />
nur so und sündigen heimlich genauso wie ich.<br />
Und der Fromme steht abseits und sagt: Gott, sei mir Frommem gnädig. Hilf mir<br />
durchzuhalten in dieser verführerischen Welt. Und wenn sie zehnmal über mich spotten.<br />
Lass mich ganz einfach und einfältig bleiben bei deinem Wort. Ich bin ja doch<br />
auch nicht einfach nur fromm, ich bin auch sündig und angefochten, aber ich möchte<br />
ganz einfach bleiben bei dir – auch mit meinen altmodischen Ansichten, die sich nicht<br />
so ohne weiteres allem Modernen öffnen können.<br />
Liebe Gemeinde!<br />
Was ist geschehen mit diesem Gleichnis, das so populär geworden ist? Es hat die<br />
Pharisäer-Mentalität gründlich diskreditiert und die Zöllner-Haltung aufgewertet. Bis<br />
wir auch das zu benutzen gelernt haben und heute die Sünder gegen die Frommen<br />
ausspielen. Ob das ein rechter Gebrauch dieses Gleichnisses ist? Ich glaube nicht.<br />
Ich habe nur so viel daraus gelernt: Wenn du fromm bist – und das ist gut und richtig<br />
so, sei es! –, dann gib Acht, dass du nicht andere verachtest. Gönne auch den anderen<br />
die unverdiente Gnade Gottes!<br />
Und wenn du ein Sünder bist – und das bist du auf die eine oder andere Weise immer!<br />
–, dann verlass dich nicht einfach auf die Gnade Gottes und sündige weiter.<br />
Sondern gehe hin, schlag die Augen nieder, klopf dich an die eigene Brust und bitte<br />
darum, dass sich etwas ändern möge.<br />
Dass du dann nicht mehr sündigen musst, das sei dir ein Zeichen, dass Gott dir wirklich<br />
gnädig ist und die Umkehr auch tatsächlich in dir bewirkt hat.<br />
Es geht um unsere Befreiung. Um die Befreiung von der Verächtlichmacherei anderer<br />
und um die Befreiung von unserer Sünde. Gott schenke uns diese Gnade, die wir<br />
alle so bitter nötig haben. Wir, die wir alle ein Stück weit Pharisäer und Zöllner sind.<br />
Amen.<br />
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