1 Peter Godzik, Ratzeburger Predigten Inhaltsverzeichnis 1997 ...
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26.03.2001: Morgenandacht in Hermannstadt (Text: Lätare, Reihe II)<br />
2. Korinther 1,3-7<br />
Der Apostel Paulus hat andere Menschen trösten können, weil er am eigenen Leibe<br />
erfahren hatte, was das heißt: in Nöten und Ängsten sein. Er hat sich genügen lassen<br />
an der Gnade Gottes und die Erfahrung gemacht, dass Gott nahe ist mit seinem<br />
Trost und seiner Hilfe. Als Getrösteter konnte er trösten.<br />
Können wir trösten? Haben wir genug erfahren und gelitten in unserem Leben, dass<br />
wir einander diesen Dienst erweisen können?<br />
Ich habe zusammen mit den andern aus unserer Reisegruppe viel erlebt in den vergangenen<br />
Tagen hier in Hermannstadt und an anderen Orten Südsiebenbürgens.<br />
Die äußere und innere Not vieler Dagebliebener ist auf uns gefallen und wir haben<br />
bewegende Geschichten gehört.<br />
Konnten wir trösten? Haben wir je auch nur im Entferntesten erlebt, was andere erlitten<br />
haben in fünf Jahren Zwangsarbeit in russischen Bergwerken zum Beispiel?<br />
Können wir nachempfinden, von so vielen verlassen zu werden und am Ende ganz<br />
allein dazustehen mit einer großen Liebe zur Heimat und zur Kirche der Mütter und<br />
Väter im Glauben?<br />
Wir haben uns erinnert gefühlt an die tiefsten Herausforderungen unseres eigenen<br />
bisherigen Lebens. Bei mir war es die Erinnerung an Lateinamerika und das behinderte<br />
Adoptivkind, das meine Frau und ich von dort mitgebracht haben. Meine Arbeit<br />
mit schwerbehinderten und psychisch kranken Menschen ist mir wieder sehr nahe<br />
gekommen, mein Engagement für die Seelsorge und Begleitung sterbender Menschen.<br />
Ich habe in meinem Leben auch erfahren, welche Trübsale Gott auferlegen kann und<br />
wie er gleichzeitig tröstet und Hoffnung stiftet. Er tut das auf eine ganz elementare<br />
Weise: Er zerbricht den Stolz, die Selbstmächtigkeit und lässt uns erfahren, was wirklich<br />
nährt: Brot und Wasser (wohl auch ein wenig Speck und Gartenwasser, wie wir<br />
das unterwegs erlebt haben), vor allem aber Beziehung und Nähe, Liebe und Solidarität<br />
unter den Menschen, die auf Gottes Wort hören.<br />
Wir haben manches mitgebracht an Hilfsgütern, auch unser Interesse und unsere<br />
Neugier, aber wirklich geteilt haben die anderen mit uns, die das wenige auf den<br />
Tisch stellten und mit uns gemeinsam aßen, was sie hatten. Konnten wir trösten? Wir<br />
haben zugehört, auch unsere Eindrücke gesagt, wir haben miteinander gesungen<br />
und gebetet. Ich werde das nicht so schnell vergessen, was wir hier in diesem Land<br />
gehört und gesehen haben.<br />
In aller Trübsal gibt es auch Hoffnung, kleine Anfänge, immer wieder von Rückschlägen<br />
bedroht: die Arbeit im Diakonieverein von Pfarrer Wagner und seinen Mitarbeitenden<br />
in Alba Julia, von Dechant Guib in Mediasch; das Altenheim in Scholten mit<br />
seinem freundlichen rumänischen Leiterehepaar; der Besuchsdienst des Bezirkskurators<br />
Prof. Philippi bei den Letzten der Letzten in den abgelegenen Dörfern, die sich<br />
so rührend und liebevoll um ihre vom Verfall bedrohten Kirchen kümmern. Es gibt die<br />
Hoffnung des miteinander geteilten Lebens, das Singen, das Beten, das Hören auf<br />
Gottes Wort, die Speise des Sakraments, die sich vor unseren Augen manchmal<br />
verwandelt in all das andere, was wir aufrichtig miteinander teilen. Eine diakonische<br />
Kirche entsteht, eine Kirche für andere, eine Kirche des guten Hirten. Symbolisch<br />
steht dafür das eindrucksvolle Altarbild in der renovierten lutherischen Kirche von<br />
Alba Julia: Der gekreuzigte Christus breitet seine Arme aus wie zum Segen für das<br />
am Boden hockende Kind, ein sprechendes Bild für das neue Rumänien, das nun vor<br />
der Aufgabe des Aufstehens und der Entwicklung steht. Diese diakonische Kirche<br />
zum guten Hirten wird auch dargestellt und dargelebt von Menschen, die selber allerlei<br />
Trübsal erlebt haben und daraus errettet wurden: angeschossen in der Revoluti-<br />
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